21.10.2021

A-Treff liegt in neuen Händen

Vor 13 Jahren baute Silvia Meile den A-Treff auf. Ihre Nachfolgerin, Maria Garcia, hat nun eine ähnliche Aufgabe.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Eine ungewohnte Atmosphäre strahlt der A-Treff an der Berneckerstrasse aus. Dort, wo sich sonst Menschen begegnen, in der Kleiderecke stöbern, miteinander Kaffee trinken und Ansprache finden, ist es ruhig. Während des Lockdowns im Frühling 2020 fuhr Silvia Meile den Betrieb – wie andere Einrichtungen auch – herunter. Bis heute ist es der Geschäftsführerin und ihrem Helferteam nur möglich, einmal wöchentlich Lebensmittel oder hier und da ein Kleidungsstück herauszugeben. «Mir fehlen die Gespräche mit den Menschen», sagt Meile. Sie habe zu vielen ihrer Gäste eine enge Bindung geknüpft, etliche private Geschichten gehört und so manch eine Arbeitsstelle vermittelt. «Dienstags offen zu halten, habe ich noch aufrechterhalten», sagt sie und wirkt ein wenig wehmütig. Ende Oktober steht ihr Abschied bevor. Nach dreizehn Jahren übergibt Silvia Meile die Leitung des A-Treffs – eine Anlaufstelle der reformierten Kirchgemeinden im Mittelrheintal für Menschen in materieller Not – an Maria Garcia.Schicksal der migrierten Eltern prägte sieMaria Garcia wurde auf die Ausschreibung aufmerksam, als die Begleitgruppe als Trägerin des A-Treffs schon einige Monate lang versucht hatte, die Stelle neu zu besetzen. Die gelernte Verwaltungsfachfrau absolviert ein Fernstudium der evangelischen Theologie. Im A-Treff will sie ihren administrativen Hintergrund mit sozialen Aspekten professionell verbinden.In Vorarlberg aufgewachsen, lebt Maria Garcia heute mit ihrer Familie in Diepoldsau. «Ich möchte mit Worten und Taten vermitteln, dass unsere Gäste die gleiche Würde haben wie jeder andere Mensch. «Mir hat einmal jemand, der vor Jahren geflüchtet war, erzählt, er wisse, dass er nichts wert sei. Er habe sei­-nen Stolz auf der Flucht und bei der Einreise ablegen müssen. Das ist sehr traurig», sagt Maria Garcia.Als Kind spanischer Einwanderer erlebte sie in Vorarlberg, dass ihre Eltern als Fabrikarbeiter nicht richtig Deutsch sprechen lernten. «In vielen Ämtern wurden sie deshalb schlecht behandelt.» Rückblickend prägte es die Tochter, dass man oft nicht würdevoll behandelt wird, wenn man ungewöhnlich aussieht oder spricht.Im August begann Maria Garcia als Helferin im A-Treff und bemerkte, dass sie etwas bewirken kann. «Ich sehe die Liebe, die Silvia Meile den Gästen und dem Helferteam entgegenbringt. Sie gibt ihnen Würde und Wertschätzung.Lebensmittelabfälle sparen hat eine NebenwirkungAls der A-Treff am 16. Februar 2009 startete, standen Silvia Meile fünf Helfer zur Seite, um 15 Gäste zu betreuen. Inzwischen beziehen etwa 90 Bedürftige Lebensmittel. «Die Hemmschwelle, zu uns zu kommen, ist gesunken», sagt Silvia Meile. Auch böten die Sozialämter nun selbstverständlich an, einen Ausweis auszustellen. Er berechtigt, Leistungen im A-Treff zu beziehen. Lag der Anteil an Flüchtlingen zu Beginn bei etwa 50 %, liegt er aktuell bei fast 70. Die kinderreichen Familien benötigen viele Lebensmittel. Sie bereitzustellen, ist seit zwei Jahren aufwendiger. Hauptsächlich bezieht der A-Treff sie von der Schweizer Tafel. «Die Detaillisten vermeiden Lebensmittelabfälle so sehr, dass wir zu wenig von ihnen bekommen», sagt Silvia Meile. Im September kaufte sie für 1000 Franken zu. Auch gehen die Sachspenden zurück. «Viele Leute haben wohl in der Pandemie Bedenken, in den Treff zu kommen.» Geldspenden werden der Einrichtung aber ungebrochen zuteil.Das Tief des A-Treffs ist Maria Garcias Chance, ihn wieder aufzubauen. «Es ist ein guter Zeitpunkt einzusteigen», sagt sie. Er sei aber mit viel Leid verbunden. Sie fände es besser, der Betrieb könnte gerade in der Zeit florieren, in der die Gäste unsicher und vielmals auf sich selbst gestellt sind. Sobald es möglich ist, will die künftige Leiterin den Betrieb wieder schrittweise hochfahren. «Das Café öffnen wir dann wieder, sobald wir gewährleisten können, dass jeder die Regeln des BAG einhält.» Sonst liefe sie Gefahr, dass der Treff komplett behördlich geschlossen werden könnte. Maria Garcia sucht nach Möglichkeiten, wie sie mit den Gästen vertieft ins Gespräch kommen kann. Das Unwissen und die Unsicherheit bezüglich des richtigen Verhaltens in der Pandemie sei gross, sagt sie.Corona behinderte die SucheEs dauerte knapp ein Jahr, bis die Stelle der Geschäftsführung des A-Treffs neu besetzt werden konnte. Silvia Meile verzichtete darauf, ihren Job aufzugeben, bevor ihre Nachfolge geregelt war. Werner Stein ist Mitglied der Kirchenvorsteherschaft der Reformierten Kirchgemeinde Balgach und dort zuständig für das Ressort Diakonie. In seiner Funktion als Präsident der Begleitgruppe des A-Treffs führt er einzig die Pandemie als Grund der markanten Verzögerung an. «Es ist richtig, dass sich die Nachfolgeregelung hingezogen hat», sagt er. Die coronabe­dingten Schwierigkeiten, seien diesbezüglich der wesentliche Punkt. Er zeigt sich froh, eine geeignete Nachfolgerin gefunden zu haben und die Einrichtung offen halten zu können. Werner Stein gab keine Auskunft darüber, ob der Lohn den Ausschlag gab und von Bewerbern als zu gering angesehen wurde. Interne Details aus der Begleitgruppe gehören seines Erachtens nicht in die Zeitung. Öffentlich ist hingegen der Jahresbericht des A-Treffs. Das Rechnungsjahr 2020 schloss mit 2079 Franken Überschuss ab. Die Einnahmen betrugen 58623 und die Ausgaben 56552 Franken. Der Posten Entschädigungen (inkl. Sozialversicherung) betrug 32412 Franken, im laufenden Jahr sind 33000 Franken budgetiert. (vdl)HinweisBis auf Weiteres ist der A-Treff nur dienstags von 15 bis 17 Uhr geöffnet (mit Lebensmittelabgabe). Ab 2. November erreicht man Maria Garcia unter Telefon 078 231 15 02.