20.09.2018

Als Datenschutz noch kein Thema war

Heute unvorstellbar, einst aber gang und gäbe: In den Jahresrechnungen früherer Jahre wurden die Insassen von Armenhäusern im Appenzellerland namentlich erwähnt. So auch in Walzenhausen, wo die öffentlich publizierte Liste für das Jahr 1900 gesamthaft sage und schreibe 71 im Armenhaus im Almendsberg wohnhafte Personen aufführt.Die damalige Enge im Almendsberg muss erdrückend gewesen sein, zumal nebst 56 Erwachsenen auch noch 15 Waisenkinder im Haus untergebracht waren. Muffige Mehrbett-Schlafkammern waren an der Tagesordnung, und das Zusammenleben von 71 Menschen auf kleinstem Raum führte immer wieder zu heftigen Aggressionen und Tätlichkeiten. Entsprechend drakonisch fielen die Strafen aus, und auch Insassin Frieda Kellenberger wurde für längere Zeit häufig in einem dunklen Raum eingeschlossen.Gelenkfessel statt ArrestDie verhängten Strafen waren vor hundert und mehr Jahren regelmässig auch ein Thema im Gemeinderat. So bemängelte Ratsherr Ernst Blatter anlässlich einer Sitzung im Jahre 1901 die Einzelhaft von Frieda. «Warum wird sie immer wieder eingesperrt?», fragte er. «So junge Leute sollten doch hin und wieder ins Freie gehen können. Frieda könnte doch mit einer Gelenkfessel versehen vor das Haus gelassen werden.» Gemäss Protokoll teilten sämtliche Ratskollegen die Ansicht, ständiges Einsperren sei falsch, doch wollte man von der Anschaffung einer Gelenkfessel nichts wissen. In der Folge wurden die Armeneltern angewiesen, Frieda täglich einige Zeit unter Aufsicht ins Freie zu lassen. Viele Kellenberger und KünzlerDas damalige Armenhaus beherbergte fast ausschliesslich Gemeindebürger. So wiesen 21 Personen den Familiennamen Kellenberger auf, und der Name Künzler war neunmal vertreten. Beschäftigt wurden die Männer in der heimeigenen Landwirtschaft. Frauen hatten textile Heimarbeiten zu verrichten und in der Küche zu helfen. In den Jahresrechnungen waren auch jene Gemeindebürger namentlich aufgelistet, die als Armengenössige in anderen Gemeinden wohnten. So hatte Walzenhausen im Jahre 1900 an 66 auswärtige Personen Unterstützungsbeiträge zu leisten. Unter anderem erhielt Witwe Susette Kellenberger in Flawil 15 Franken, und der gleiche Beitrag wurde auch dem im Armenhaus Heiden wohnhaften Johann Kellenberger zugesprochen. (gg)