Appenzell Ausserrhoden 16.07.2023

Ausserrhoden hat die Corona-Krise effektiv bewältigt

Wie gut funktionierte das Krisenmanagement während der Coronapandemie in Ausserrhoden? Diese Frage hat der Regierungsrat extern klären lassen. Als Fazit gilt: Umsetzung gut, Vorsorge weniger.

Von David Scarano
aktualisiert am 16.07.2023

Jetzt liegt der Evaluationsbericht vor, der zuhanden des Kantonsrats verabschiedet wurde.

1.) Welche Daten wurden für die Evaluation ausgewertet?

Die Krisenbewältigung der Coronapandemie in Ausserrhoden wurde schon mehrfach einer Beurteilung unterzogen. Unter anderem hat sich Geschäftsprüfungskommission des Kantonsrats dazu geäussert. Für eine externe Evaluation hat der Regierungsrat die Interface Politikstudien Forschung Beratung AG beauftragt, die bereits in anderen Kantonen analoge Untersuchungen durchführte. Die Beurteilung beruht auf der Auswertung verfügbarer Dokumente, 32 Interviews mit Schlüsselakteurinnen und -akteuren sowie einer Online-Befragung der Mitarbeitenden der kantonalen Verwaltung, an der sich 561 Personen beteiligten.

2.) Wie lautet das Gesamtfazit zum Krisenmanagement?

«Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Kanton Appenzell Ausserrhoden die Pandemie effektiv bewältigen konnte», heisst es im Schlussbericht. Den Verantwortlichen sei es gelungen, die Bevölkerung wirksam zu schützen. Allerdings: Die sei möglich gewesen, obwohl die Krisenvorsorge mangelhaft war und in der Umsetzung des Krisenmanagements Probleme aufgetreten sind, die erst im Lauf der Pandemie gelöst werden konnten.

3.) Wo haperte es zu Beginn?

Die Autoren halten fest, dass der Kanton nicht genügend auf die Coronakrise vorbereitet gewesen war. Es hätten Unklarheiten bezüglich Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen der am Krisenmanagement beteiligten Organe bestanden. Das führte dazu, dass die Mitglieder der Krisenorganisation wiederholt mit der Frage beschäftigt waren, welche Kompetenzen der Kantonale Führungsstab (KFS) hatte. Erwähnt wird zudem, dass Ausserrhoden als einer der wenigen Kantone über keinen Pandemieplan verfügte. Es fehlte auch ein Konzept zum sogenannten Business Continuity Management verfügt, das die Sicherstellung der zentralen Verwaltungsabläufe im Krisenfall erleichtert hätte. «Dies trug dazu bei, dass enorme individuelle Belastungssituationen entstanden. Krankheitsbedingte Ausfälle von Schlüsselpersonen hätten dramatische Folgen haben können.»

4.) Gab es weitere Schwierigkeiten?

Das Schutzmaterial sei zu Beginn der Krise meist nicht an Lager gewesen und musste beschafft werden. Und wo es an Lager war, sei es zum Teil nicht fachgerecht unterhalten geworden, sodass es nicht genutzt werden konnte.

5.) Welche Probleme traten bei der Umsetzung auf?

Laut Bericht wurde die Umsetzung etwa dadurch erschwert, dass nicht abschliessend klar gewesen sei, welcher Departementsvorsteher die Leitung des KFS innehatte. Grund dafür war, dass dies die gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichend klar festhalten. Kritisch bewertet wird zudem, dass der Kantonsrat in der ersten Phase aufgrund des Ausfalls zweier Sitzungen nicht handlungsfähig gewesen war.

6.) Was hat funktioniert?

Trotz ungenügender Vorbereitung funktionierte die Krisenorganisation abgesehen von einigen Problemen zu Beginn der Pandemie gut, schreiben die Autoren. Positiv heben sie das hohe Engagement aller Beteiligten hervor, das entscheidend zur effektiven Bewältigung der Krise beigetragen habe. Die kurzen Wege im Kanton erleichterten das Management zusätzlich. Die Zusammenarbeit zwischen und innerhalb der Gremien des Krisenmanagements wird als gut eingestuft.

7.) Wie verlief die Zusammenarbeit in der Regierung?

Der Bericht hält fest, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Regierung sehr gut war. Zwar hätte es Diskussionen zu Massnahmen gegeben. Der Regierungsrat agierte aber jederzeit als Kollegium und habe die Entscheidungen gemeinsam gegen aussen vertreten.

8.) Wie war das Zusammenspiel mit dem Kantonsrat und anderen Behörden?

Die Zusammenarbeit mit diversen Stellen und Behörden war insgesamt positiv. Regierungsrat und Parlament haben laut Bericht zielführend kooperiert. Positiv wird auch das Zusammenspiel zwischen Gemeinden und KFS sowie mit verschiedenen kantonsinternen Akteuren ausserhalb der Verwaltung beurteilt. Sehr positiv war die Kooperation mit Verantwortlichen von Alters- und Pflegeheimen und der Mehrheit der niedergelassenen Ärzteschaft. Die interkantonale Zusammenarbeit war zunächst hingegen herausfordernd, weil trotz geografischer Verflechtung abweichende Massnahmen getroffen wurde. Besserung trat mit der Schaffung eines Koordinationsgremiums ein. Als holprig wird die Zusammenarbeit mit dem Bund bewertet, unter anderem weil die Beschlüsse aus Bern sehr kurzfristig umgesetzt werden mussten. Im Vergleich zu den Pflegeheimen wird die Kooperation mit dem Spitalverbund AR als schwieriger beurteilt. Als Grund dafür nannten die Interviewten laut Schlussbericht hauptsächlich unterschiedliche Erwartungshaltungen.

9.) Welches waren die wichtigsten Massnahmen?

Neben den gesundheitlichen und bildungsbezogenen Massnahmen sowie jenen zugunsten der Wirtschaft wird die Kommunikation als wichtigste Leistung zur Bekämpfung der Pandemie genannt. Eine wichtige Rolle spielten bei der externen Kommunikation die klassischen Kanäle wie Medienmitteilungen und die «Appenzeller Zeitung», das Hauptmedium in der Region.

10.) Wie wird die Leistung des Krisenmanagements beurteilt?

Die Massnahmen und Beschlüsse wurde sachgerecht und rechtzeitig getroffen. Im Bericht heisst es auch, dass die eher geringe Vollzugsintensität des Kantons bei den Coronamassnamen keine negativen Konsequenzen auf die Gesundheit der Bevölkerung gehabt zu haben scheine. Da aber weitere Faktoren wie die Ländlichkeit des Kantons mutmasslich einen Einfluss auf die erwähnten Grössen haben, lasse sich im Rahmen dieser Evaluation keine abschliessende Beurteilung vornehmen. «Insgesamt kommen wir zum Schluss, dass die Massnahmen und Beschlüsse rechtzeitig getroffen respektive gefasst wurden und dass sie weitgehend sachgerecht waren», schreiben die Autoren. Zu bemängeln sei einzig, dass die einschränkenden Massnahmen tendenziell weniger streng umgesetzt wurden als anderswo, was möglicherweise die Akzeptanz der Massnahmen in anderen Kantonen negativ beeinflusst habe.

11.) Wie lauten die Empfehlungen?

Interface empfiehlt, die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten des KSF zu präzisieren. Auch soll ein Pandemieplan erarbeitet und regelmässige Übungen und Schulungen im Krisenmanagement durchgeführt werden. Eine weitere Empfehlung betrifft die Infrastruktur auf Krisentauglichkeit zu prüfen und die interkantonale Zusammenarbeit in der Ostschweiz fördern.

12.) Wie reagiert der Regierungsrat?

Wie der Regierungsrat in der Botschaft zuhanden des Kantonsrats schreibt, hat er diverse Empfehlungen aufgenommen. So wurde etwa das Thema Pandemieplan vom Departement Gesundheit und Soziales in die Planung aufgenommen. Die Regierung zeigt sich auch gewillt, vermehrt Übungen innerhalb der kantonalen Verwaltung durchzuführen.