13.03.2020

Bringt Vorteile, aber auch Aufwand

Seit Januar müssen Schafe und Ziegen online registriert werden. Vor allem die Ziegenzüchter freut das nicht.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 03.11.2022
«Meine grösste Angst ist, dass in nächster Zeit viele Züchter aufhören, weil sie den zusätzlichen, grossen administrativen Aufwand nicht mehr leisten wollen», sagt Marcel Hangartner, Präsident des Ziegenzuchtvereins Oberrheintal. Seit Januar müssen Ziegen und auch Schafe auf der nationalen Tierdatenbank TVD im Internet auf der Plattform www.agate.ch regis­triert werden. Für Kuh-, Pferde- und Hundehalter besteht diese Pflicht bereits.Kein einziger offensichtlicher VorteilMit der Erfassung auf staatlicher Ebene will der Bund gegen Krankheiten vorgehen. Entsprechend müssen die Tiere sofort bei der Geburt registriert werden, auch Ortsveränderungen, z. B. Ausstellungsbesuche, Besitzerwechsel und das Todesdatum müssen eingetragen werden. Bisher wurden die Tiere nur von den Verbänden erfasst. «Wir haben sehr strenge Verbandsvorschriften», sagt Hangartner. Im Herdenbuch würden die Tiere auch genauestens erfasst. Vor Ausstellungen untersuche man die Ziegen auf allfällige Krankheiten. Er sehe nicht, dass die neue Registrierungspflicht in irgendeiner Weise für die Ziegenzucht einen Vorteil bringe. Der administrative Aufwand hingegen sei riesig. Gewisse Rassen sind vom Aussterben bedroht«Bei uns ist es so, dass viele Besitzer nur wenige Tiere besitzen und dies als Hobby und zur Landschaftspflege betreiben», erklärt Hangartner. Gerade ältere Halter, und davon gibt es viele, haben zudem keine Erfahrung mit Computer und dem Internet. «Der Zuchtbuchführer hilft zwar, aber wenn trotzdem ein Prozentsatz an Haltern wegbricht, dann sind gewisse Rassen schnell einmal vom Aussterben bedroht», sagt Marcel Hangartner. Gibt es zu wenig Tiere, wird die Qualität der Linie schlechter, weil es zunehmend schwieriger wird, Inzucht zu vermeiden. Am Schluss findet der Lüchinger aber doch: «Richte ich den Blick von unserer speziellen Situa­-tion als Ziegenzüchter weg und schaue auf das Gesamte, dann ist es ein Vorteil, dass jetzt zumindest alles einheitlich ist.»  Damit ist in Zukunft die Hemmschwelle vielleicht niedriger, nebst anderen Tieren auch noch einige Ziegen zu halten. Genau dies ist einer der Gründe, warum den Schafhaltern die Umstellung leichter fällt. «Oftmals haben Schaf­besitzer schon Erfahrung mit dem Administrativen, weil sie aus dem Bauerngewerbe stammen», sagt Pius Städler, der als Zuchtbuchführer amtet. Zudem wird die Haltung oft semiprofessionell betrieben, die Bestände sind grösser als bei den Ziegenhaltern. «Moderhinke ist eine Besitzerkrankheit»Aber auch er hilft vielen Schafbesitzern mit der Online-Erfassung, denn rund 70 Prozent der Halter sind pensioniert. «Die Einträge ins Herdenbuch müssen ja auch gemacht werden», sagt Städler, selber Züchter der Rasse Weisses Alpenschaf. Wichtiger als der administrative Aufwand sei der Nutzen, weil nun endlich alle Schafe erfasst werden müssten. So könne, wenn die Krankheit Moderhinke (bakterielle Erkrankung der Klauen) auftauche, besser zurückverfolgt werden, wo ihr Ursprung sei. «Das ist nämlich nicht in erster Linie eine Schafskrankheit, sondern eine Besitzerkrankheit», sagt Züchter Städler. Wenn man die Tiere gut beobachte und die Klauen wenn nötig reinige und pflege, breche sie gar nicht erst aus – ausser wenn die gesunden Tiere mit dem Erreger von erkrankten Schafen kontaminiert würden. «Nun wird man in Zukunft die Ausmerzung der Krankheit angehen können», freut er sich.Erfassung ist auch QualitätssicherungAuch Urs Steiger, Ex-Präsi­-dent des Schafzuchtvereins OH Oberriet-Hirschensprung sieht in der neuen Meldepflicht Vorteile, beispielsweise aus wirtschaftlicher Sicht: «Wir steigern damit die Qualität unseres Produktes, können beim Konsumenten Vertrauen schaffen und heben uns ab gegenüber dem Billigfleisch aus dem Ausland.» Dank der genauen Erfassung ist der Werdegang und nicht nur die Geburt des Tieres dokumentiert. Das genaue Alter ist bekannt, und bei allfälligen me­dikamentösen Behandlungen können die vorgeschriebenen Wartefristen bis zur Schlachtung überprüft werden. An jedem Ohr eine Marke verhindert auch Verwechslungen, wenn eine Marke ausreisst. Zudem vergütet der Bund dem Halter den elektronischen Chip mit 4.50 Fr. und dem Metzger gibt er nochmals den selben Betrag. Auch das ein Aspekt, der bei Haltern grösserer Bestände ins Gewicht falle. Steigers Fazit ist denn auch: «Insgesamt ist es mit der neuen Meldepflicht gut angelaufen.»