11.09.2019

«Das war die Busfahrt meines Lebens»

Auf einer grenzenlos musikalischen Fahrt von Hohenems nach Heerbrugg kam ein passendes Statement vom Papst.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie Band «Flying Sofas» war gestern von 11 bis 19 Uhr zwischen Heerbrugg und Hohen- ems im Bus unterwegs und musizierte. Schon die erste Fahrt war speziell: Es spielte nicht nur eine internationale Band, sondern zufällig war auch das Publikum bunt gemischt. Ein waschechter Rheintaler im Fahrzeug war vielleicht einzig der Buschauffeur, Jürg Kobler aus Oberriet.Das Rentnerpaar Christoph und Brigitte Mayerhofer lebt zwar in Heerbrugg, er stammt jedoch aus der Steiermark und sie aus Kärnten. 1965 kamen sie in die Schweiz, zunächst nach Altstätten.Von noch viel weiter her war eben erst Karin Rüsch ins Rheintal gekommen: aus Kanada. Zusammen mit ihrer Schwester Susanna und einem grossen Koffer war sie im Bus zu einem Die- poldsauer Onkel unterwegs.Metapher fürgrenzenloses SeinDie ungewöhnliche Mischung der Fahrgäste passte perfekt zum Titel der Aktion «Grenzenlos grenzenlos», zu der Schlagzeuger Carlo Lorenzi die Idee gehabt hatte. Wie seine Musikerkollegen ist der Diepoldsauer stets «echli am Reise».Die mit einer Gage verbundene Aktion zugunsten der Linie 303 versteht Lorenzi als Metapher für grenzenloses Sein, das gerade uns Rheintalern vieles erleichtern könnte – man denke nur an das leider nicht einheitliche Tarifsystem des öffentlichen Verkehrs dies- und jenseits der Landesgrenze.Die Band «Flying Sofas» selbst ist ein internationales Musikerkollektiv; zwei der vier Musiker hatte Lorenzi unmittelbar vor der ersten Busfahrt nach Hohen- ems vom Flughafen abgeholt – die in Wien lebenden Zwillinge Alexander und Konstantin Wladigeroff. Was die Busfahrgäste nicht wissen konnten: Ein Grossvater der Zwillinge hat einst die bulgarische Nationalhymne geschrieben, ihr Vater war Dirigent.Die Musik im Bus und an diversen Haltestellen war sehr beschwingt, jazzige Volksmusik sozusagen, mit stark östlichem Akzent, so dass die Gedanken im Richtung Osten fahrenden Bus leicht bis in den Balkan abdriften konnten.Vorne im Bus, auf dem Bildschirm, erschien die Information: «Musikalisch unterwegs – Linie 303». Auf einem nächsten Bild war das katholische Oberhaupt zu sehen und diese Schlagzeile zu lesen: «Papst warnt Europa vor Fremdenfeindlichkeit.»«Drü null drü»zu Ehren der LinieLorenzi & Co. liessen sich «leiten vom Flow», riefen Aussteigenden ein fröhliches «Alles Gute!» hinterher und sangen zwischendurch, stimmkräftig unterstützt vom Widnauer Kunstschaffenden Kuspi, ihr «Drü null drü» zu Ehren der Buslinie 303, die vor allem zwischen Diepoldsau und Hohen- ems erfolgreicher werden soll. Das Publikum fotografierte und filmte fleissig dieses musikalische Ereignis, dem beizuwohnen es ganz unverhofft das Vergnügen hatte.Ab und zu blieben die Instrumente still und Kuspi rezitierte einen kurzen Text, der das einst auf der gleichen Strecke verkehrende Tram zum Thema hatte. Brigitte Mayerhofer lächelte dem Journalisten zu und verriet, sie habe eine musikalische Verwandtschaft. Ihr Gatte spielte früher öfter Handharmonika, «er singt auch gern».Fahrije Vokshi, die auf der Diepoldsauer Gemeindeverwaltung die Ausbildung geniesst und im zweiten Lehrjahr steckt, verteilte Flyer, die für Samstag, 28. September «Unterhaltung auf ganzer Linie» in Aussicht stellen – also eine weitere Aktion mit dem Ziel, für die Buslinie 303 noch mehr Beachtung zu gewinnen.Konstantes Lächeln und herzhaftes LachenBei der Schlossplatz-Haltestelle in Hohenems gaben die «Flying Sofas» ein halbstündiges Strassenkonzert, direkt beim ziemlich neuen, wirklich schönen grossen Platz im Zentrum.Etwa zwanzig Kinder, die zum Teil auf den Bus warteten, lauschten aufmerksam den Klängen. Als der Bus davonfuhr, kommentierte Alexander Wladigeroff: «Die Kinder sind glücklich, das ist das Wichtigste.»Auf der Rückfahrt nach Heer- brugg setzte sich Bassist Patrick Kessler neben eine Frau, die ein konstantes Lächeln das nun folgende Konzert begleiten liess.Die irgendwann zusteigende Ramona Kern sah sich zwar durch die jazzigen Lieder beim Telefonieren gestört, sie lachte aber, einmal sogar richtig herzhaft, und rief irgendwann ein lautes «Bravo» Richtung Band.Als sie beim Bahnhof in Heer-brugg den Bus verliess, schleuderte sie einem im Freien stehenden Buschauffeur fröhlich diesen Satz entgegen: «Da isch d’Busfahrt vo mim Lebä gsi.»