30.07.2019

Die Rinne neben der Rinne

Zwei Rinnen unmittelbar nebeneinander – ein Schildbürgerstreich? Sicher ein Grund zum Schmunzeln.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie ungewohnte Doppelspurigkeit befindet sich an der Bühlstrasse in Balgach. Hier fanden umfangreiche Erneuerungs- und Ausbauarbeiten statt. Es ist sehr eng, die anspruchsvolle Planung zog sich über Jahre.Fachleute wissen: Wo Häuser so dicht beieinanderstehen und der öffentliche Raum geradezu hineingezwängt zu sein scheint, lässt sich nur mit Kompromissen und einem gewissen Verhandlungsgeschick planen und bauen. An Balgachs Bühlstrasse ist feststellbar, dass Abstände teils kaum oder gar nicht bestehen. Hier und da grenzt die Strasse der Gemeinde direkt an ein Haus, so auch bei Franco Zurburg, einem gelernten, pensionierten Maurer.Wo er zu Hause ist, begegnet einem zudem jene Kuriosität, die Zurburg als Schildbürgerstreich wertet. Sein seit langem gepflästerter Vorplatz wurde ihm auf seinen Wunsch verfugt, was allerdings zur Folge hat, dass neuerdings das Wasser nicht versickern kann. Nun hätte sich, wie Zurburg findet, dieses Wasser in die Strassenrinne leiten lassen, doch das wurde ihm verwehrt, er muss daneben selbst noch eine zweite Rinne haben, wo das Wasser im eigenen Schacht ablaufen kann.«Völlig korrekt und gesetzeskonform»Dass diese beiden Rinnen den Anschein eines Schildbürgerstreiches erwecken können,  verwundert den beim Heerbrugger CDS-Planungsbüro tätigen Patrick Elsensohn zwar nicht. Aber die Ausführung sei völlig korrekt und gesetzeskonform, sagt der Fachmann.Das bestätigt ein erfahrener Bauunternehmer, der am Ausbau der Bühlstrasse selbst nicht beteiligt ist. Die gewählte Lösung sei «sauber» und «perfekt», Wasser von privaten Plätzen und dasjenige im öffentlichen Raum seien getrennt zu führen. Zurburg wendet ein, das werde allerdings nicht konsequent gehandhabt. Damit hat er Recht, doch den gesetzlichen Bestimmungen zum Trotz hat die Gemeinde halt auch Spielraum.Zwar verlangt die eidgenössische Gewässerschutzverordnung, dass ein Hauseigentümer das Niederschlagswasser getrennt vom verschmutzten Abwasser ableitet. Hierzu hält die Schweizer Norm «Liegenschaftsentwässerung» als allgemeinen Grundsatz fest, dass jedes Grundstück einzeln und ohne Benutzung des Nachbargrundstücks auf kürzestem Weg in die Kanalisation entwässert werden soll. Ist eine rechtskonforme Lösung hingegen nicht zweckmässig, kann eine Gemeinde im Ausnahmefall von ihr abweichen. Sie hat somit nicht zwingend in jedem Fall gleich zu verfahren; Grundstücke an einer Strasse müssen nicht unbedingt auf identische Weise entwässert werden. Die beiden Rinnen vor Zurburgs Haus, obschon fachmännisch und rechtskonform angelegt, bringen nicht nur den Laien zum Schmunzeln. Ein mit Entwässerung vertrauter Kantonsvertreter hat, als er das Foto mit den Rinnen sah, zuerst kurz aufgelacht.Haus auf der StrasseDie wie gesagt engen Verhältnisse haben auch sonst einige Ungleichheiten zur Folge. So liegt die Gemeindestrasse bei Andreas Karg mit ihrem äussersten Rand sogar unter dem Hausdach. Dennoch ist das Ziel der Strassenbreite von fünf Metern hier nicht ganz erreicht. Auf einen Vorwurf wird zwar explizit verzichtet, doch ein wenig eigenartig sei die Sache schon. Andreas Karg sagt: «Unser Haus steht praktisch auf der Strasse.»