22.12.2021

"Die Umwälzungen werden massiv sein"

Der Neuverkauf von E-Autos steigt in der Schweiz – im Rheintal ebenfalls, wenn auch ganz unterschiedlich. Rheintaler Garagisten äussern sich zu möglichen Zukunftsszenarien.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 02.11.2022
Die Automobilbranche ist im Wandel. Der Trend geht weg von benzin- und dieselbetriebenen hin zu elektrischen Fahrzeugen oder zumindest zu Hybriden, die Strom und Benzin oder Diesel kombinieren. Das zeigen die schweizweiten Verkaufszahlen vom November eindrücklich: 23,8 Prozent der Neuverkäufe sind Hybride. Weitere knapp 30 Prozent sind am Stromnetz ladbar: 19,1 Prozent entfallen auf reine Elektroautos, 10,5 Prozent auf Plug-in-Hybride. Somit verfügt mit 53,4 Prozent mehr als jeder zweite Personenwagen über einen elektrifizierten Antrieb. Gilt dieser nationale Trend auch für das Rheintal?Schlossgarage: E-Verkäufe über dem Schweizer Durchschnitt«Ja», sagt Daniel Büchel, Geschäftsinhaber der Schlossgarage AG in Oberriet: «Wir verkaufen viele E-Fahrzeuge.» Sogar noch über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt. Von der Marke Hyundai waren es dieses Jahr 40 Prozent, bei Toyota betrug der Hybridanteil sogar 60 Prozent. «Seit 2019 nimmt der Anteil der E-Fahrzeuge stetig zu und ich denke, dass er weiter steigen wird», sagt Daniel Büchel. Er glaube nicht, dass dieser Trend stoppen werde. «Bei Hyundai gehe ich davon aus, dass mittelfristig 90 Prozent E-Personenwagen verkauft werden.»Mario Borrelli von der Rheintalgarage in Lüchingen sagt hingegen, der Verkauf von E-Fahrzeugen laufe bei ihm verhalten, was vielleicht auch daran liege, dass der kleine, elektrifizierte Fiat 500 vor allem in der Stadt ein beliebtes Auto sei. E-Mobilität biete sich in städtischem Gebiet dank kurzen Wegen und vielen Ladestationen an. Büchel sieht das genau umgekehrt: «In der Stadt ist das Laden oft schwieriger, weil weniger Plätze dafür zur Verfügung stehen oder in Überbauungen zuerst kostenintensive Installationen anstehen, die alle Bewohnerinnen und Bewohner mittragen müssen.» Deshalb seien viele seiner Kunden Besitzer von Einfamilienhäusern, denn sie hätten die Möglichkeit, ihr Auto problemlos zu Hause aufzuladen – zudem zu sehr günstig, insbesondere wenn der Strom über eine eigene Solaranlage bezogen werden könne. Das Berufsbild wird sich stark verändernAuch mit der Vorstellung, dass das E-Auto vor allem als Zweitauto für kurze Wege gebraucht werde, räumt Daniel Büchel auf. «Wir verkaufen Elektro-Modelle oft als ‹Alleinauto›», sagt Büchel. Sicher müsse man längere Ausflüge etwas bewusster planen, aber Reichweiten von rund 500 Kilometern würden meistens genügen. «Zudem sind der hohe Fahrkomfort mit wenig Lärm, Laufruhe und einem starken Anzug Argumente, die zusätzlich für ein E-Fahrzeug sprechen», sagt der Oberrieter. Dass andere Technologien, etwa Wasserstoff, in der nahen Zukunft eine grosse Rolle spielen würden, kann er sich höchstens im Nutzfahrzeug-Bereich vorstellen. Arbeitsmässig hat der gesteigerte Verkauf an E-Mobilen den Werkstattbetrieb bis jetzt noch nicht massgeblich beeinflusst. «Aber klar sind wir daran, ältere Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Jüngere sind schon gut ausgebildet. Nicht umsonst ist der ehemalige Automechaniker zum Automobil-Mechatroniker geworden», sagt Büchel. Walter Tanner von der Geschäftsleitung der Skoda-Garage in Heerbrugg spürt den Einfluss der E-Autos auf die Werkstatt nicht: «Bei uns nimmt die Arbeit eher zu, auch weil die Kunden ihre Fahrzeuge eher länger fahren.» Verbrennungsmotor hat immer noch VorteileÜberhaupt sei der E-Auto-Verkauf noch kein entscheidender Faktor. Zu oft sei er keine Alternative. «Wenn es darum geht, zielgerichtet so schnell wie möglich an einen Ort zu kommen und dabei unabhängig von der Distanz zu sein, ist der Verbrennungsmotor immer noch die erste Wahl», sagt Tanner. Als Beispiel gibt er Flottenwagen für Firmen an, die Aussendienstmitarbeiter beschäftigen. Für solche Einsätze hätten die E-Fahrzeuge immer noch zu geringe Reichweiten, es gebe zuwenig Ladestationen und das Aufladen dauere zu lange. «Dazu kommt, dass auswärts laden auch keine speziell günstige Energiequelle ist», sagt Walter Tanner. Aber er räumt ein: Wenn die aufgezählten Probleme gelöst würden, steige wohl auch die Nachfrage. «Sie ist schon jetzt da und wird wohl steigen, ich denke aber, langsam. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass in den nächsten Jahren auch andere Technologien, wie etwa Wasserstoff an Einfluss gewinnen», sagt der Heerbrugger. Von einem gewaltigen Umbruch in der Automobilbranche spricht Mario Borrelli von der Rheintal-Garage in Lüchingen. Dabei schaut er fünf bis zehn Jahre voraus in die Zeit, in der der Elektroantrieb Einzug halte. Gewaltiger Umbruch prognostiziertDie Umwälzungen sind seiner Meinung nach deshalb massiv, weil ein Elektroauto viel weniger Serviceleistungen beansprucht: Beim Motor können keine Teile mehr getauscht werden und Ölwechsel entfallen. «Man rechnet, dass ein Geschäft wie wir in einer solchen elektrifizierten Zukunft etwa fünfmal mehr Autos verkaufen müsste, um weiter gewinnbringend arbeiten zu können», sagt Borrelli. Ebenfalls würden massiv Arbeitsplätze verloren gehen, nicht nur in den Autowerkstätten selber, sondern auch in branchennahen Betrieben. Komme dazu, dass viele Marken den Verkauf über das Internet forcieren möchten, Vertretungen praktisch nur noch als Abholstationen dienen sollen. Mario Borrelli glaubt aber ähnlich wie Tanner, dass sich dazwischen noch einiges tun werde. «Zurzeit fehlt schlicht und einfach der Strom, um komplett umstellen zu können», sagt der Lüchinger. Man müsse nur etwas weiter nach Süden schauen, wo keine so grosse Versorgungssicherheit wie in der Schweiz bestehe und schon sei das E-Auto schlichtweg keine Alternative. «Über alle immatrikulierten Fahrzeuge in der Schweiz machen die E-Mobile nur rund ein Prozent aus», sagt Daniel Lüthi, Inhaber der Altstätter Städtli-Garage. Er glaubt, dass die Leute beim Kauf von E-Autos zurückhaltend bleiben, solange es teurer ist als ein vergleichbares Modell mit einem Verbrennungsmotor. Je nach Marke macht das 20 bis 50 Prozent aus. Aber auch Daniel Lüthi sagt: «Unser Berufsbild wird sich in den nächsten Jahren stark verändern.»