Region 15.07.2022

Gut und Böse: «An meinen Namen erinnern sich alle»

Im Märchen sind Gut und Böse klar getrennt, im wirklichen Leben trinken sie zusammen sogar einen Kaffee. Im Rahmen unserer Sommerserie stellen wir zwei Namensträgerinnen vor.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 04.11.2022

Erika Gut (77) lebt in Lüchingen, Ulrike Böse (50) in Altstätten. Die beiden kennen sich seit zwei Jahrzehnten, weil früher Erika Gut und Ulrike Böses Ehemann Urs gemeinsam in der einstigen Kantorei Oberrheintal sangen. Anders als Ulrike Böse heisst ihr Gatte Weber. Sie hatte den Namen nicht hergeben, er ihren nicht annehmen wollen.

Die Kinder heissen Weber und sind froh

Urs Weber und Ulrike Böse Weber haben drei Kinder (18, 15, 12). Ihr Nachname ist Weber. Als es darum ging, den Namen festzulegen, war des Vaters Name kostenlos zu haben. Hingegen wäre eine Gebühr zu entrichten gewesen, hätten die Kinder den Namen der Mutter bekommen. Über den pragmatischen Entscheid («wir wählten die günstige Variante») seien ihre Kinder heute froh, sagt Ulrike Böse und fügt lächelnd hinzu: «Vielleicht ja nur, weil sie sich an Weber gewöhnt haben.»     

«Sie sehen gar nicht böse aus»

Im Altstätter Spital ist Ulrike Böse als Physiotherapeutin tätig. Stellt sie sich einer Patientin oder einem Patienten vor, ist die Versuchung für Ulrike Böses Gegenüber, eine Bemerkung zu machen, natürlich gross. Manche meinen, mit Bezug auf die bevorstehende Behandlung, «Es wird aber nicht so schlimm» – oder sagen vielleicht: «Sie sehen aber gar nicht böse aus.» Beim Abschied kann es heissen: «’s isch aber guet usecho.» Der Name erweist sich als Eisbrecher und Türöffner, weckt oft Neugier und führt immer wieder dazu, dass er zum Thema wird.Ab und zu wird nach der Schreibweise gefragt. Boese? – Nein, Böse. Auch schon meinte jemand: «Sie scherzen.»

Manchmal stockt jemand am Telefon.

Erika Gut hiessfrüher MeyerDasselbe passiert Erika Gut, deren 2008 verstorbener Gatte Andres Arzt gewesen war und in Rebstein bis 2001 eine Hausarztpraxis betrieb. Sie arbeitete ebenfalls in der Praxis, teils für sich selbst, zum Teil als seine Stellvertreterin; Andres Gut war zwölf Jahre im Grossen Rat und auch sonst vielseitig engagiert. Meldet Erika Gut sich am Telefon mit Gut, kann es sein, dass der Anrufer oder die Anruferin das missversteht. Im Sinne von: Gut, bin bereit, bin da. «Gut» im Sinne von «pronto».

Erika Gut sagt, es sei ihr nicht unlieb gewesen, 24-jährig den Nachnamen zu wechseln. Bis dahin hiess sie Meyer, mit edler Schreibweise zwar, einem Ypsilon, aber halt doch Meyer – ein «Allerweltsname.» Seit dem Namenswechsel gab es immer wieder Kommentare. «Dir muss es ja gut gehen, mit diesem Namen», hiess es etwa. Was die Rentnerin schon bald gemerkt hat: Die Kürze von Gut ist nicht unbedingt vorteilhaft. Am Telefon vor allem kam es vor, dass Hug verstanden wurde.

Lieb und Böse: Das war der Running Gag

Der Name Gut ist in Obfel-den (nahe Affoltern am Albis) verbreitet, Böse ist ein deutscher Name und stammt aus Westpreussen. Ulrike Böses Grosseltern lebten in Pila (deutsch: Schneidemühl), das heute zu Polen gehört. Dort sei der Name Böse so verbreitet wie in Altstätten der Name Gschwend, sagt die Physiotherapeutin. Die Urgrosseltern hatten einen Kolonialwarenladen und ein Restaurant. Auf dem Schild war zu lesen: «Restaurant zum guten Böse».

Früher, als Ulrike Böse Praktikantinnen und Praktikanten betreute, bekam sie einmal eine junge Frau mit Namen Lieb zugewiesen. Wurden sie jemandem vorgestellt oder taten dies selbst, hatte ihr Gegenüber mit Frau Lieb und Frau Böse zu tun. «Das war wirklich sehr lustig», erinnert sich Ulrike Böse, «im Haus war es der Running Gag.» Erika Gut sagt, da falle ihr Ruedi Liebl ein. Der Wirt des Altstätter Restaurants Circolo Italiano hat zwar über seinen Namen kaum Besonderes zu sagen, aber eine Sache ist ihm aufgefallen: Am Telefon wird er gelegentlich mit Lidl statt mit Liebl angesprochen. Böse zu heissen, hat übrigens einen besonderen Vorteil. Die Physiotherapeutin bemerkt: «An meinen Namen erinnern sich alle.»