20.10.2019

Mehr Chaos als beim Brexit

Die Theatergruppe Rhybrugg fordert das Publikum: Bei «Ausser Kontrolle» ist Hinhören besonders wichtig.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Remo Zollinger «Das war aber anstrengend», sagte nach der Vorpremiere vom Samstagabend in der Mehrzweckhalle Kirchenfeld eine Zuschauerin ihrer Begleitung. «Doch es war auch spannend und schön», antwortete der Partner.Genau diese beiden Attribute sind dem Stück «Ausser Kontrolle» zuzuschreiben. Hinhören ist sehr wichtig, sonst wird es rasch schwierig, der in rasanter Kadenz vorgetragenen Geschichte zu folgen und den Überblick zu behalten. Im Stück, das in einer Londoner Hotelsuite spielt, geht es drunter und drüber, bis gemäss Titel tatsächlich alles ausser Kontrolle gerät. Es entsteht ein unentwirrbares Durcheinander an Beziehungen, Affären und Feindschaften, das ein grösseres Chaos auslöst als die aktuelle Brexit-Debatte in Grossbritannien.Das Stück wirft jede Menge Fragen aufDen «Rhybrugg»-Schauspielern gelingt es zum 40. Geburtstag der Theatergruppe hervorragend, diese Geschichte so zu erzählen, dass das Publikum ihnen an den Lippen hängt. Das Stück, das Gastregisseur Reto Wiedenkeller in Mundart übersetzt hat, ist gut gewählt, es ist so ereignisreich, dass der Spannungsbogen nie abreisst.Das Publikum stellt sich viele Fragen: Wie findet Staatsminister Richard Willey (gespielt von Urs Spirig) aus seiner Liebelei mit Oppositionssekretärin Jane Worthington (Annett Jakob) heraus, ohne dass ihr Ehemann Ronnie (Janik Ender) und seine Frau Pamela (Regula Sieber) davon erfahren? Und ist Ronnies Privatdetektiv Jack Baker (Sander Konings) wirklich tot? Warum verführt Willeys Assistent George Pigden (Thomas Blank) plötzlich die Krankenschwester seiner Mutter, Gladys Foster (Bea Bischofberger)? Welche Rolle haben in diesem Gewirr die Hotelmanagende (Daniela Abderhalden) und der kauzige, profitorientierte und neugierige Butler Yascha Cromwell (Markus Frei)?Ein Gründungsmitglied wird zum HöhepunktDie Rolle des Butlers ist wohl weniger spektakulär als andere Figuren, doch Frei verkörpert sie so authentisch, so souverän, dass sein Auftritt zu einem Höhepunkt des Stücks wird. Wenn er an die Tür klopfte und «Zimmerservitze!» rief, lachte das Publikum schon bevor er auf die Bühne trat.Frei verkörpert jedoch nicht nur seine Rolle, sondern die ganze Theatergruppe. Diese feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen, weshalb sie sich mit einem Rahmenprogramm mit Video, Apéro und Musik spendabel zeigt. Frei ist eines von drei Mitgliedern, die seit der Gründung der Theatergruppe Rhybrugg dabei ist. Müde, das sah man, ist er noch lang nicht.