15.11.2019

Mit 56 als Dealer begonnen

Als der Drogendealer vor Gericht stand, hatte er seine Gefängnisstrafe schon abgesessen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert Bruderer«Blöd gelaufen.» So knapp fällt der Kommentar des Mittelrheintalers aus, bevor die Gerichtsverhandlung in Altstätten beginnt.Vor den Richtern fügt er hinzu, er sei «auf tragische Art irgendwie da hineingeraten».Mittlerweile ist er über sechzig – und eine gepflegte Erscheinung. Die sechs Monate im Gefängnis hat er schon vor der Verurteilung hinter sich.Mit falsch verstandener Hilfe fing es anFamiliäre Gründe hatten den arbeitslosen Mann 2014 dazu gebracht, die Grenze in die Illegalität zu überschreiten. Falsch verstandene Hilfe war es gewesen, die ihn seit 2014 insgesamt über zwei Kilo Kokain von verschiedenen Drogenhändlern kaufen liess.Mindestens eineinhalb Kilo verkaufte er grammweise oder in kleinen Portionen verschiedenen Abnehmern weiter, recht viel konsumierte er selbst.Zuvor hatte er zeit seines Lebens nichts mit illegalen Drogen zu tun.In der Anklageschrift ist von einem «starken bis sehr starken Kokain-Konsum» die Rede.Obschon unter Drogeneinfluss, fuhr der Mann öfter Auto, am Tag seiner Verhaftung von seinem Wohnort im mittleren Rheintal sogar ins ausländische Lustenau und von dort nach Oberriet.Am 6. Mai griff die Polizei zuIm Riet zwischen Altstätten und Oberriet traf sich der Mann mit einem Drogenlieferanten; 6000 Franken hatte er dabei.Die Polizei, die ihm schon länger auf der Spur gewesen war, griff zu und verhaftete an diesem 6. Mai, also vor einem halben Jahr, insgesamt drei Beteiligte.In der Wohnung des Mittelrheintalers wurden 82 Gramm Kokain sichergestellt, weitere 100 Gramm fand man in seinem Auto.Der Verhaftete hatte zudem mit Haschisch gedealt, von dem er selbst nichts nahm. Es geht um vier Kilo, davon wurden bei zahlreichen kleinen Geschäften insgesamt etwa drei Kilo verkauft.Die Zeit seit der Verhaftung verbrachte der Mann zunächst in Untersuchungshaft und dann in Saxerriet, im vorzeitigen Strafvollzug.Zwei zusätzliche Jahre Gefängnis bedingtBei seiner Entlassung am 5. November hatte er die unbedingte Strafe von sechs Monaten, zu der das Gericht ihn vorgestern verurteilte, schon abgesessen. Das ist aber nicht die ganze Strafe, die in diesem Fall von Staatsanwalt und Angeklagtem im Voraus ausgehandelt worden waren.Angewandt wurde das sogenannt abgekürzte Verfahren, bei dem sich Staatsanwalt und Angeklagter auf eine Strafe einigen, was eine Korrektur durch das Gericht aber nicht ausschliesst.In diesem Fall stimmten die Richter zu. Das heisst, der Mann wurde zu den vereinbarten 30 Monaten verurteilt, wobei nur das erwähnte halbe Jahr hinter Gitter zu verbringen war.Die restlichen zwei Jahre wurden auf Bewährung ausgesprochen, bei einer Probezeit von drei Jahren.«Ich bereue die Sache wirklich und schäme mich»Der Angeklagte findet 30 Monate zwar «relativ lang», nahm aber das (ausgehandelte) Urteil gelassen entgegen, zumal die Probezeit für ihn «keine Sache» sei, denn sicher werde er mit Drogen nichts mehr zu tun haben.Gesundheitlich habe er sich erholt und es gehe ihm gut, sagte er. Der plötzliche Entzug nach der Verhaftung habe dem Mann kein Problem bereitet, sagte auch der Staatsanwalt.Bei der Beurteilung der Delikte war von einer Strafe von 45 Monaten ausgegangen worden. Die Geständnisbereitschaft trug massgeblich zur grosszügigen Reduktion um ein Drittel bei, ausserdem gab der Mann auch Taten zu, die schon verjährt waren. Dass der Angeklagte nicht alles schon zu Beginn preisgab, begründete er vor Gericht mit seiner Angst vor anderen Beteiligten.In seinem Schlusswort sagte er: «Ich bereue die Sache wirklich.» Er meinte, er schäme sich auch, und versicherte, seine Lehre gezogen zu haben. Er werde sich bemühen, sein finanzielles Problem möglichst zügig zu lösen, Arbeit zu finden, und die doch recht hohen Kosten, die ihm aus der Angelegenheit entstanden sind, zu bezahlen.Allein die Verfahrenskosten betragen über 13000 Franken, dazu kommen die Entscheidgebühr, eine Busse von 300 Franken sowie das Verteidigerhonorar.