13.04.2021

Schon viel Abfall unter dem Boden

Der Hauskehricht kommt rascher unter den Boden als Container für Wertstoffe wie Altglas oder Büchsen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Das mag überraschen. Denn die schon lange bestehenden Alu- und Altglas-Sammelstellen der Gemeinden unter die Erdoberfläche zu bringen, stellt man sich als keine Hexerei vor.Schaut Daniel Brack, der Geschäftsführer des Kehricht-Zweckverbandes Rheintal (KVR), in Marbach aus dem Fenster seines Büros, fällt sein Blick auf die beliebte und rege benützte Wertstoff-Sammelstelle beim Rathaus. Weshalb sind die Container nicht längst in der Erde verschwunden? Es ist der gleiche Grund, der bisher vielerorts ein Unterflursystem verhinderte: Werkleitungen im Boden.Schon vielerorts fällt Kehricht in die TiefeWährend es im Einzugsgebiet des KVR für Altglas, Alu- und Stahlverpackungen sowie andere Wertstoffe erst 25 Unterflursammelstellen gibt, liegt die Zahl der öffentlichen Unterflursysteme für den Hauskehricht bereits bei etwa hundert, bei schnell steigender Tendenz. Ausserdem sind bereits etwa 75 private Unterflursysteme in modernen Mehrfamilienhaussiedlungen in Betrieb.[caption_left: Beim Altstätter Bahnhof befindet sich eine Unterflursammelstelle für Wertstoffe wie Altglas und Aludosen. Hauskehricht hat hier nichts zu suchen. Während es im Einzugsgebiet des KVR erst zwei Dutzend solcher Unterflursammelstellen für Wertstoffe gibt, liegt die Zahl der öffentlichen Unterflur- container für Hauskehricht bereits bei etwa hundert.]Auf der KVR-Webseite ist zu lesen: «Unterflur-Container erfreuen sich europaweit grosser Beliebtheit. Ganze Sammelstellen verschwinden mitten in Städten im Untergrund, wodurch die Ortsbilder nachhaltig aufgewertet werden.» Die Unterflurcontainer halten zudem Tiere vom Abfall fern und sind wetterresistent. Der Kehricht-Zweckverband ist zuständig für die Entsorgung von Abfällen in 13 Rheintaler und 3 Appenzeller Gemeinden. Das Ziel des KVR und der Gemeinden ist die flächendeckende Ausstattung der Region mit Unterflursystemen bis gegen Ende dieses Jahrzehnts. Einzuwerfen ist der Abfall in offiziellen Gebührensäcken.Die bisherigen Sonderabfuhren wird es vorerst weiterhin geben. Es stelle sich aber die Frage, ob Sammlungen für Sperrgut und Altmetall künftig noch sinnvoll seien, meint Eichbergs Gemeindepräsident Alex Arnold, der auch den KVR präsidiert. Die Mengen zeigten, dass der Bedarf abnehme, weshalb sicher Alternativen zu prüfen seien. Änderungen seien beim Grüngut zu erwarten, diese seien aber noch nicht spruchreif.Diepoldsau bekommt sogar einen HotspotDie rege Bautätigkeit begünstigt ein rasches Vorankommen mit Unterflursystemen für den Hauskehricht. So wird etwa in Diepoldsau die Zentrumsgestaltung auch dazu genutzt, eine unterirdische Sammelstelle nicht nur für Altglas, Alu- und Stahlverpackungen einzurichten, sondern ebenso für Hauskehricht und Altkleider. KVR-intern wird eine solche Einrichtung als Hotspot bezeichnet.Daniel Brack sagt, der Diepoldsauer Gemeindepräsident Roland Wälter sei schon vor einigen Jahren aktiv auf Bauherrschaften zugegangen, um ein Unterflursystem anzuregen. Bei mehr als einem Dutzend Mehrfamilienhausprojekten war ein Kehricht-Unterflurcontainer Teil der Baubewilligung. Die Zahl der bis zum Jahr 2026 geplanten öffentlichen Unterflurcontainer der Gemeinde Diepoldsau beziffert der Medienbeauftragte Simon Riklin mit 80.Zwar ist es nach wie vor erlaubt, anstelle eines Unterflursystems auf Rollcontainer zu setzen. Dies sei allerdings mit gewissen Nachteilen verbunden, sagt Daniel Brack; es sei nicht zukunftsweisend - unter anderem auch darum nicht, weil für die Kehrichtbeseitigung in Mehrfamilienhaussiedlungen (anders als früher) kaum noch hier lebende Hauswarte zuständig seien. Als zeitgemässe Lösung gilt eine Unterflursammelstelle, als deren Standort sich die Ein- und Ausfahrt zur Tiefgarage aufdrängen kann.Au-Heerbrugg spielt eine VorreiterrolleDer Kehrichtverband fördert Unterflursysteme, indem er für die öffentlichen Sammelstellen die Container bezahlt. Bauherrin ist die Gemeinde. Sie stellt den Boden bereit, führt für jeden Standort ein Baubewilligungsverfahren durch und besorgt sodann die Umgebungs- und Standortarbeiten sowie den Unterhalt in der unmittelbaren Umgebung.Inzwischen ist die Planung in praktisch allen Rheintaler Gemeinden fortgeschritten. Ausgehend von einem regionalen Grundlagenpapier, erarbeitet jede Gemeinde ein auf ihre eigenen Strukturen ausgerichtetes Konzept.Eine Vorreiterrolle spielt die Gemeinde Au-Heerbrugg (deren Präsident Christian Sepin im KVR Vizevorsitzender ist). Schon heute hat Au-Heerbrugg für die Entsorgung von Hauskehricht 40 öffentliche Unterflursammelstellen, insgesamt sollen es am Ende 90 sein. Viele von ihnen sind nicht auf gemeindeeigenem Boden. Für diese Standorte besteht zwischen Gemeinde und Grundeigentümer ein Vertrag.Herausfordernd ist die Umstellung vor allem in Orten mit zahlreichen Streusiedlungen, beispielsweise in Oberegg, wo dennoch ebenfalls schon viele Unterflursysteme im Einsatz sind. Die Stadt Altstätten, als weiteres Beispiel, hat ein Konzept erarbeitet, das 125 öffentliche Unterflursammelstellen für Hauskehricht vorsieht.Die Pläne stossen auf offene OhrenDaniel Brack sagt, mit der Idee der Unterflursysteme stosse man grundsätzlich auf offene Ohren. Heisst das auch, dass neue Unterflursammelstellen ohne Widerstand aus der Bevölkerung akzeptiert werden? Am Beispiel von Au-Heerbrugg ist die Antwort ein minimal eingeschränktes Ja. Nach Auskunft von Gemeindeschreiber Marcel Fürer kam es nur bei zwei der verwirklichten Standorte zu Einsprachen. Nach Verhandlungen seien sie zurückgezogen worden. Für Benützer soll es bequem und geruchlos seinWie weit sind öffentliche Unterflurcontainer vom Haushalt höchstens entfernt? Kann der Geruch ein Problem sein?Klar ist: Die Entsorgung wird dank Unterflurcontainern ökologischer. So müssen beispielsweise in Diepoldsau die Lastwagen nach dem Bau der geplanten Unterflursysteme nur noch 80 statt 2000 mal halten.  Der Entsorgungsdienst wird alle 14 Tage statt wöchentlich unterwegs sein. Je nach Standort und je nachdem, was in den Abfallsäcken ist, kann eine häufigere Leerung nötig sein.Zahl der Nutzer hängt von Häufigkeit der Leerung abDer Kehrichtverband Rheintal (KVR) geht von 160 kg Hauskehricht pro Person und Jahr aus. Bei Unterflurcontainern ist aber nicht das Gewicht, sondern das Volumen bedeutsam. Dieses kann stark variieren. Der Eichberger Gemeindepräsident Alex Arnold, der dem Kehrichtverband Rheintal (KVR) vorsteht, beziffert das zu erwartende Abfallvolumen im KVR-Einzugsgebiet mit 85000 bis 135000 Kubikmeter pro Jahr.Eine Unterflursammelstelle mit einem 4,5 m3-Container dürfte – bei einer Leerung alle zwei Wochen – für 37 Haushalte genügen bzw. für doppelt so viele, wenn eine wöchentliche Leerung stattfindet. Zur maximal zumutbaren Distanz zwischen Unterflurcontainer und Haushalt hat sich 2001 das Bundesgericht geäussert, indem es die Distanz von 350 Metern nannte. In dicht besiedeltem Gebiet dürfte der Container kaum mehr als 100 Meter entfernt sein, weiss KVR-Geschäftsführer Daniel Brack aus Erfahrung. Hingegen kann die Situation zum Beispiel für den fernab gelegenen Hölzlisberg in Eichberg anders sein. Wirtschaftlich gilt es als sinnvoll, wenn der Abfall der Hölzlisberger möglichst weit „unten“ im Dorf vom Kehrichtfahrzeug abgeholt werden kann. Andererseits hat die Lösung auch für die Bewohnerinnen und Bewohner praktikabel zu sein. Alex Arnold hielte es zum Beispiel nicht für sinnvoll, an einem Standort über hundert Haushalte abzudecken und dafür zwei 6 m3-Unterflurcontainer bereitstellen zu müssen.Geruch sollte natürlich kein Problem seinGeruchsbelastungen sollte es grundsätzlich nicht geben, sagt Alex Arnold. Die Systeme seien so konzipiert, dass weder Aussentemperatur noch Sonneneinstrahlung einen Einfluss habe. Allerdings zeigt die Erfahrung: Die Möglichkeit, den vollen Kehrichtsack (und mit ihm auch Speisereste wie Fleisch-/Grilladenreste) sofort loszuwerden, kann sich negativ auswirken. Auf Beanstandungen werde sofort mit einer Leerung und Kontrolle reagiert, versichert Arnold. Bei den Sammeltouren werde jeweils eine Kontrolle (Sicht, Geruch) durchgeführt und notfalls eine Reinigung in die Wege geleitet. Zum Teil seien schon Produktionsfehler festgestellt worden, die einen Wassereintritt zur Folge hatten.