25.01.2019

Sie darf keinen Namen nennen

Verlässt ein Pfarrer eine Kirchgemeinde oder eine Seelsorgeeinheit, stellt sich die Frage, ob die Stelle wieder mit einem Pfarrer besetzt wird. Die Katholiken im Mittelrheintal warten auf das Bistum.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Die häufigste Frage, die Brigitte Wicki im Moment beantworten muss, lautet: Bekommen wir wieder einen Pfarrer?Eine Antwort geben kann sie nicht. Erstens kennt sie keinen Namen und zweitens dürfte sie ihn nicht nennen. Das ist dem Bistum St. Gallen vorbehalten. «Es macht ein Geheimnis aus dem Namen», sagt Brigitte Wicki. Sie ist die Präsidentin der Katholischen Kirchgemeinde Balgach und des Zweckverbandes in der Seelsorgeeinheit Widnau-Balgach-Diepoldsau/Schmitter.Anstellender Rat darf die Stelle nicht ausschreibenSeitdem der katholische Pfarrer Patrik Brunschwiler im September angekündigt hatte, die Seelsorgeeinheit im Mai dieses Jahres zu verlassen, beschäftigt sich die Präsidentin damit, eine drohende Vakanz abzuwenden. Ob wieder ein Pfarrer eingesetzt werden wird oder ein Kaplan, weiss sie nicht. Auch kennt sie noch keinen Zeitpunkt.«Wir müssen uns an die Vorgaben des Bistums halten», sagt Brigitte Wicki. Sie und zwei weitere Verwaltungsräte gehen bei der Suche nach einem Priester nicht gleich vor wie bei den übrigen Arbeitsplätzen im Zweckverband. Organisten, Mesmer, Katecheten, Jugendarbeiter, Pastoralassistenten und Diakone sucht der Verwaltungsrat des Zweckverbandes per Stelleninserat und führt Bewerbungsgespräche.«Im Bistum St. Gallen werden Priesterstellen nicht ausgeschrieben, sondern von der Bistumsleitung koordiniert», sagt Michael Kontzen, Mitarbeiter im Personalamt des Bistums und Ansprechpartner für das Dekanat Altstätten.Bistumsleitung koordiniert Suche nach einem PriesterDerweil wartet Brigitte Wicki darauf, dass sie einen Anruf aus dem Ordinariat des Bistums erhält. «Dann sagt man mir, wie die weiteren Schritt aussehen», sagt sie. Damit die Person des Priesters geschützt wird, dürfe sie mit niemandem über mögliche Namen sprechen. Noch nicht einmal mit Carsten Wolfers, dem Diakon in Balgach. Nur ihre beiden Ratskollegen sind innerhalb des Zweckverbandes involviert.Das Bistum arrangiert Gespräche zwischen einem Kandidaten mit den Kirchenverwaltungen oder dem Zweckverband (zuständig für die Anstellung) und dem Pastoralteam. Erst dann lernen sich alle Beteiligten kennen. Falls sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen können, bittet der Verwaltungsrat den Bischof, den Priester zur Wahl zu präsentieren. Erst danach darf der Verwaltungsrat den Priester wählen. Sollte dieser als Pfarrer angestellt werden, haben ihn zunächst die Bürgerversammlungen aller drei beteiligten Kirchgemeinden zu wählen. Ob die Pfarrwahl bereits an den bevorstehenden Kirchbürgerversammlungen im Frühling traktandiert werden kann, ist fraglich. Andernfalls müsste je-de Kirchgemeinde eine ausserordentliche Versammlung einberufen.Nach erfolgter Wahl des Pfarrers stellt ihn im vorliegenden Fall der Zweckverband Widnau-Balgach-Diepoldsau/Schmitter ein. Ein Vertrag zwischen Pfarrer und Zweckverband wird allerdings nicht abgeschlossen, weil der Priester durch den Bischof eingesetzt wird. Den Lohn zahlen die Kirchbürger. «Innerhalb der Lohnklasse haben wir einen Spielraum», sagt Brigitte Wicki.Kein Vertrag, keine KündigungIst ein Seelsorger – Priester, Diakon oder Pastoralassistent – einmal angestellt, kann ihm der Zweckverband nicht wieder kündigen. (Das handhabt die Evangelisch-reformierte Kantonalkirche genauso.) «Ich habe eine riesige Verantwortung», sagt Prä-sidentin Brigitte Wicki, «und vertraue Bischof Markus Büchel, dass er die bestmögliche Lösung findet und er die wenigen Priester richtig verteilt. Er hat mich angehört.» Es sei ihr wichtig, dass ein neuer Pfarrer frauenfreundlich sei.Andererseits kann der Bischof einen Pfarrer oder Diakon wieder abberufen. Dafür bedarf es keiner Zustimmung der Kirchgemeinde oder des Zweckverbandes.Dies geschah in den letzten Jahren in der Seelsorgeeinheit Altstätten gleich zweimal: Ende 2015 wurde Pfarrer Albert Wicki aus Altstätten, im Sommer 2017 Michael Kontzen aus Marbach nach St. Gallen berufen.Bischof schlägt Kandidaten vorSobald im Bistum St. Gallen ein Kaplan oder Pfarrer in einer Seelsorgeeinheit eingesetzt werden soll, darf die anstellende Kirchgemeinde respektive der Zweckverband keine Kandidaten vorschlagen. Die Artikel 62 und64 der Verfassung des Katholischen Konfessionsteils regeln, dass Seelsorgende nur auf Vorschlag des Bischofs wählbar sind. Im dualen Kirchensystem ist der Bischof für die Seelsorge zuständig. Er erteilt oder entzieht die Lehrerlaubnis (Missio canonica) eines Seelsorgers.In jeder Seelsorgeeinheit setzt der Bischof immer einen verantwortlichen Priester ein. Er wird zum Pfarrer gewählt oder als Pfarradministrator eingesetzt. Im Fall einer Vakanz ernennt der Bischof einen Priester aus der Umgebung als Pfarradministrator ad interim. Ist die Pfarrerstelle besetzt, arbeiten weitere Priester als Kapläne oder Vikare.Die Anstellungsbedingungen aller kirchlichen Mitarbeiter hat der Katholische Konfessionsteil per Anfang 2017 einheitlich im neuen Personalgesetz geregelt. Priester, Diakone und Pastoralassistenten sind den selben Lohnklassen zugeordnet und in Leistungsklassen eingeteilt.Reformierte suchen autonomDie Evangelisch-reformierte Kantonalkirche St. Gallen kennt das duale System nicht. Die Kirchgemeinden sind autonom in der Besetzung einer Pfarrstelle, sofern die Bedingungen zur Wahl erfüllt sind. Die Vorsteherschaft schreibt in Zusammenarbeit mit der Pfarrwahlkommission die Stelle aus, führt ein Auswahlprozedere durch und klärt erst dann mit dem Kirchenrat ab, ob der Kandidat oder die Kandidatin wählbar ist. Stimmt der Kirchenrat zu, schlägt die Vorsteherschaft der Kirchgemeindeversammlung die Person zur Wahl vor. Jede Berufsgruppe in der Kantonalkirche hat ein eigenes Personalreglement. Es ist verbindlich für alle Kirchgemeinden. Der Anfangslohn einer Pfarrperson liegt bei 104856 bzw. 108099 Franken im ersten Dienstjahr und wird jährlich in gleich grossen Tranchen angepasst, bis zu einem Maximum von 154918 bzw. 159709 Franken ab dem 18. Dienstjahr. Die Höhe des Gehalts ist abhängig von der Grösse einer Kirchgemeinde (Mindest- und Maximallöhne). Die Löhne der Pfarrpersonen sind gemäss einem Beschluss der Synode an die Gehälter der Mittelschullehrpersonen gekoppelt.