22.03.2021

«Wir müssen mit der Natur arbeiten»

Der Hygienefachmann Patrick Weder hofft, dass man sobald wie möglich wieder weniger mit scharfen Mitteln desinfiziert.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 03.11.2022
Die Heros Hygiene gibt es seit über 20 Jahren, seit 2010 ist sie eine GmbH. Der Hauptsitz ist in Diepoldsau, in Wohlen unterhält die Firma ein Lager und seit 2020 gibt es eine Partnerfirma in Österreich. Die Firma mit elf Mitarbeitern bietet ihre Produkte unter dem Überbegriff Hygiene in den Bereichen Reinigung, Industrie und Gastro an. Nebst Reinigungs- und Desinfektionsmittel aller Art bietet sie Verbrauchswaren wie etwa WC-Papier, Handschuhe, Masken oder im Gastrobereich auch Take-away-Geschirr an. Ebenfalls im Angebot stehen ganze Waschraumausrüstungen, vom Seifenspender bis zum Wickeltisch. Ge-schäftsführer und Verkaufsleiter ist der 41-jährige Patrick Weder. Der Diepoldsauer ist verheiratet und Vater zweier schulpflichtiger Kinder.Erste Welle«Mit den steigenden Fallzahlen nahm die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln zu», sagt Patrick Weder. Unternehmen und auch Privatpersonen, die dies vorher nicht brauchten, wollten nun Hand- und Oberflächendesinfektionsmittel, dazu Spender und Säulen. «Für ein Spitalprojekt, das noch nicht soweit war, hatten wir bereits eingekauft und konnten deshalb immer liefern», sagt Weder. Auch sonst habe der Nachschub geklappt, vor allem deshalb, weil die Heros Hygiene auf Schweizer Hersteller setze.Probleme gab es bei kleineren Gebinden, etwa Fläschchen für Handdesinfektionsmittel, weil diese teilweise nicht in der Schweiz produziert werden und die Hersteller zuerst für ihren heimischen Markt schauten. «Der Verkauf funktionierte, aber im Einkauf gab es sehr viel zu organisieren», blickt Patrick Weder zurück. Auch die WC-Papier-Hysterie spürte die Diepoldsauer Firma. Etwa Kunden aus dem Gesundheitswesen bestellten statt eines Lastwagens auf einmal fünf LKW mit WC-Papier. «Liefern konnten wir immer, vielleicht nicht stets im gewünschten Umfang», sagt Weder und ergänzt: «Wir haben dabei um Verständnis für andere Kunden gebeten, die diese Produkte auch brauchen und lieferten die gewünschten Stückzahlen zeitversetzt in mehreren Chargen.» Ein Problem war, dass die Hersteller nicht so schnell die Produktion hochfahren konnten.«Nur schon gesundheitsrelevante Diskussionen spürten wir unmittelbar», sagt Weder. Die Nachfrage sei jeweils explosionsartig gestiegen. Als etwa die Sicherheit der Masken zum Thema wurde und die Frage, ob nicht FFP3- oder sogar Filtermasken nötig wären, um sich wirklich zu schützen. Die üblichen Wegwerfmasken entsprechen dem Typ2, stärker filtern Typ 2R, dann FFP2 und am stärksten FFP3. Bei der Beschaffung von Material suchte Heros unkomplizierte Lösungen vor Ort. Etwa der Bedarf an Säulen für die Halterung der Desinfektionsmittel-Dispenser war gross und der deutsche Produzent konnte die Nachfrage nicht mehr abdecken. Also lässt die Firma die Säulen nun im Dorf herstellen, pulverbeschichtet werden sie in Widnau.ZwischenzeitGerade die Nachfrage nach diesen Ständern hielt und hält an. «In der ersten Phase wurde viel improvisiert. Da die Pandemie keine Pause macht, suchen wir nun eine nachhaltige und qualitativ gute Lösung. Und die bieten wir, da man bei uns verschiedene Desinfektionsmittel-Dispenser und diverse dazuge-hörige Mittel an der Säule anbringen kann», wirbt Weder, ganz der Geschäftsmann, mit einem Augenzwinkern und fährt ernst fort: «Wir sind Mitglied beim Verband Schweizer PSA-Anbieter – swiss safety. Der Kodex verpflichtet uns, geprüfte Waren zu verkaufen. Das ist ein Grund, wieso wir, wenn immer möglich, auf Schweizer Hersteller zurückgreifen.» Diese konnten während der ersten Phase, trotz des höheren Preises, querbeet mit ihrer Qualität punkten – und bei öffentlichen Institutionen muss diese sowieso stets gewährleistet sein.Zweite WelleBei den Hygieneartikeln und den -mitteln stellte die Heros Hygiene GmbH fest, dass nun vor allem wieder der Preis zählt. Die Industrie hat sich auf die erhöhte Nachfrage eingestellt. «Mir tun die Schweizer Hersteller leid, die schnell viel investierten, aber nun aufgrund des höheren Lohnniveaus Mühe haben, mit der Konkurrenz aus dem Ausland mitzuhalten», analysiert Geschäftsleiter Weder die Lage.Als Beispiel verweist er auf die Typ-2R-Masken, die nun im Vergleich zum Beginn der Pandemie weniger als einen Viertel kosten. Oder auch Desinfektionsmittel, die jetzt sogar weniger kosten als vor der Pandemie. Es gebe aber auch Ausnahmen, etwa Nitril-Handschuhe: Mit 13 Franken für hundert Stück sind sie fast doppelt so teuer wie vorher. «Es gibt niemand mehr in Europa, der sie produziert. Das Know-how ist in der Hand einiger weniger Hersteller, die Nachfrage aber nach wie vor gross. Die Auswirkungen sieht man im Preis», stellt Weder fest. Ebenfalls viel gekauft werden die besser filternden FFP2-Masken. Sie sind in Österreich und Deutschland Pflicht, deswegen ordern Unternehmen sie oft für Mitarbeiter, die Auslandeinsätze haben, aber auch Spitäler und teilweise Verwaltungen setzen auf den höheren Schutz. Als Nebenaspekt wandelt sich die Maske vom reinen Mittel zum Zweck auch zunehmend zum Modeaccessoire. Die FFP2-Maske gibt es nicht mehr nur in Weiss, sondern auch in Schwarz und sogar in Rosa.Ausblick«Persönlich glaube ich, dass die Desinfektionsständer vor öffentlichen Anlagen und in Toiletten noch länger stehen bleiben», sagt Patrick Weder. Auf lange Sicht halte er es nicht für gut, alles steril zu halten. Die zunehmenden Resistenzen sind nur ein Grund. Denn nebst den bösartigen Erregern werden auch die guten Mikroorganismen gekillt. Desinfiziert man dann nicht regelmässig, haben gesundheitsschädigende Viren und Bakterien mehr Platz und Nahrungsangebot, sich zu vermehren.«Wir empfehlen deshalb, mit probiotischen Reinigungsmitteln, also mit der Natur, zu arbeiten», sagt der Fachmann. Diese würden teilweise schon im Altersheimbereich mit Erfolg eingesetzt. «Die Volksweisheit, nach der Bauernkinder die gesündesten Kinder sind, hat ihre Berechtigung. Für den menschlichen Körper ist es wichtig, dass er sich mit den unterschiedlichsten Mikroorganismen auseinandersetzen kann, und er sollte das nicht verlernen», meint der Diepoldsauer. Denn oft sei die Dosis entscheidend, ob jemand krank wird oder der Körper sich dagegen wehren kann.