20.02.2019

Zuletzt kommt alles an den Tag

Das Altstätter Seniorentheater AST arbeitet an seinem zweiten Stück. Es beginnt mit einer Beerdigung. Danach kommt es zum Striptease. Ausgezogen werden keine Kleider, sondern die schützenden Mäntel um die Seelen.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Max TinnerDer arme Mann. Kürzlich verstorben, und nun dreht sich das neue Stück des Altstätter Seniorentheaters nur um ihn. Liebschaften, Pösseleien, Mauscheleien und Gaunerstückchen: Alle Heimlichkeiten kommen an der Beerdigung – und erst recht während des Leichenschmaus’ danach – an den Tag.Damit kommt aber auch alles aus, was die Trauergäste mit dem Verstorbenen verband. Und dies nicht nur zur Freude der ehemaligen Geliebten, Geprellten, Kompagnons und Verschmähten. Gerüchte müssen dementiert oder letztlich halt doch als wahr zugegeben werden. Der Tag des Abschieds wird zum grossen Seelenstriptease.Ein Stück zum Lachen, aber auch zum NachdenkenDen Mitwirkenden liegt viel daran, dass das Stück trotz der Handlung kein Trauerspiel wird, sondern mit viel Humor daherkommt. Das zeigt sich schon während der Proben: Der Sarg des Verstorbenen ist eine in schwarzes Papier eingeschlagene Festbank, als Blumenkranz muss ein aufblasbarer Kinder­badering herhalten. Das Seniorentheater will sein Publikum zum Schmunzeln und zum Lachen bringen. Aber auch zum Nachdenken. Das Stück will eines mit einer Botschaft sein. Die Mehrheit der Akteure auf der Bühne und der Zum-Gelingen-Beitragenden hinter den Kulissen ist ja schon etwas älter. «Wir sind in einem Alter, in dem man aufs Leben zurückschaut», sagen sie. Gleichwohl erachten sie sich nicht als alt. Allenfalls als lebenserfahren.Nebst allem Guten: Jeder hat etwas Dreck am SteckenDarüber lassen sie auch die Figuren in ihrem Stück sinnieren: Was ist aus unserem Leben geworden, oder noch viel eher: Was haben wir aus unseren gelebten Jahren gemacht? Nebst all dem Guten klebt wohl bei jedem auch etwas Dreck am Stecken. «Zuletzt ist es halt so: Das war mein Leben. Ich kann es nicht mehr ändern. Warum also mit Verbitterung darauf zurückblicken? Man ist, wer man ist!»Auf der Bühne erfüllt sich für so manchen ein TraumDennoch: Selbst wenn man nicht mehr ändern kann, was war, so kann man sich im Alter doch noch den einen oder anderen Traum erfüllen, den man sein Leben lang geträumt und bislang doch nie verwirklicht hat. Etwa Theaterspielen. Nur wenige im Altstätter Seniorentheater waren bis zu dessen Gründung als Eigenproduktionsgruppe des Altstätter Diogenes-Theaters und bis zur ersten Inszenierung letztes Jahr jemals auf der Bühne gestanden. Das hat ihnen dann aber dermassen Spass gemacht, dass sie es dieses Jahr gleich wieder wagen möchten.Premiere im NovemberUnd genauso wie letztes Jahr ist auch heuer das Stück eine Eigenentwicklung. Und zwar eine, die sich noch x-mal ändern wird. Die Idee steht zwar. Doch Handlung und Charaktere werden laufend ausgebaut und überarbeitet. Dafür ist auch noch reichlich Gelegenheit: Geplant sind vier Aufführungen im November. Bis dahin kann das Stück noch so manche Wendung nehmen, von der selbst die Mitwirkenden heute noch gar nichts wissen.