Christlich 25.02.2024

Die Fastenzeit lädt dazu ein, Mut zum Weniger aufzubringen

Am Frühstückstisch bei meiner Freundin in Berlin lese ich auf einem kleinen Töpfchen mit Nuss-Nougat-Creme: «Weniger ist mehr.» Ein ziemlich gewagter Spruch. Er setzt sich ebenso wie der kleine Topf wohltuend von den grossen und schweren Gläsern des Marktführers ab.

Von Andrea Hofacker,
Pfarrerin
aktualisiert am 25.02.2024

Wie kann weniger mehr sein? Kann Verzicht auch Gewinn bedeuten?

Ich denke nach. In der Kunst und der Architektur kenne ich das. Das Bauhaus und die Klassische Moderne haben die Weite und Leere in Räumen ebenso wie auf der Leinwand für sich entdeckt.

Platz und Raum bedeutet auch: Da ist eine Leere, die der Mensch füllen kann, einen Fokus legen auf das Wesentliche. Da ist Raum für den Menschen und das, was ihm oder ihr speziell eigen ist.

Ich schätze das in diesem Zusammenhang sehr und es leuchtet mir ein.

In den Kirchen beschäftigen wir uns in der Fastenzeit auch mit dem Weniger. Viele Menschen verzichten auf etwas. Sei es Schokolade, Alkohol oder das Autofahren. Sie möchten damit ausprobieren, ob sie auch ohne unseren alltäglichen Überfluss gut auskommen.

Sie schauen danach, ob es ihnen guttut, auf irgendetwas zu verzichten. Ob es auch einen Mehrwert und eine gute Seite haben kann. Weniger ist mehr.

In einer Gesellschaft, in der der Besitz einen so grossen Stellenwert einnimmt, wie in unserer, ist das kein einfaches Vorhaben: Das ist ein Wagnis.

Es ist ein Wagnis, etwas zu reduzieren, statt alles immer noch grösser aufzuziehen.

Es kann gut und wertvoll sein, den Fokus auf eine Sache zu legen, die uns wichtig ist. Nur auf eine, statt auf die vielen alltäglichen Dinge, die uns immerzu beschäftigen. Sich konzentrieren auf eines. Dazu möchte uns die Fastenzeit anregen.

Es kann alles Mögliche sein, worauf wir uns konzentrieren können: Vielleicht auf einen anderen Menschen oder auf den eigenen ökologischen Fussabdruck, der verbesserungswürdig ist.

Vielleicht legen wir den Fokus auch auf uns selbst.

Den eigenen Bedürfnissen mehr Aufmerksamkeit schenken. Wichtig ist, dass wir uns dabei nicht beirren lassen, selbst wenn das bedeuten kann, etwas anderes unter Umständen aus dem Auge zu verlieren.

In der Fastenzeit dürfen 
wir erfahren, wie es ist, ganz Mensch zu sein, und dazu gehört auch der Mut zur Leere, zum Weniger, das manchmal dann zu einem Mehr wird.