Balgach 28.08.2023

Alle andern sind ins Riet ausgesiedelt: Die letzten «Puure» im Dorf

Elisabeth und Beat Sturzenegger führen den letzten 
Bauernhof mitten im Balger Siedlungsgebiet.

Von Ramona Riedener
aktualisiert am 28.08.2023

Direkt an der Hauptstrasse, gegenüber dem «Bad Balgach», zieht ein schmuckes Haus mit senfgelb-braun gestreiften Fensterläden, Blumenkistchen auf den Fensterbänken und einem bunt blühenden Vorgärtchen die Blicke auf sich. Gleich hinter diesem Zeugen einer langen Ortsgeschichte befindet sich der letzte Bauernhof im Dorf, nachdem ab Mitte der 1960er-Jahre andere landwirtschaftliche Betriebe ins Riet ausgesiedelt wurden.

Der Hof der Familie Sturzenegger liegt direkt am Dorfeingang.
Der Hof der Familie Sturzenegger liegt direkt am Dorfeingang.
Bild: Ramona Riedener

Der Hof mit dem denkmalgeschützten Haus aus dem Jahr 1787 ist das Zuhause von Elisabeth und Beat Sturzenegger- Krüsi und ihren drei Kindern, dem neunjährigen Fabio, der siebenjährigen Lea und dem acht Monate alten Nick. Seit 2012 bewirtschaftet die 38-jährige Bauerntochter, die hier geboren und aufgewachsen ist, mit ihrem Mann den elterlichen Betrieb.

Ein Bauernhof mit vielen Tieren

Der Bauernhof mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 24 Hektaren zählt einen Viehbestand von 12 Jersey-Milchkühen und etwa 20 Aufzucht- und Mastrindern. 40 Hühner, vier Katzen, Geissen, einige Kaninchen, über ein Dutzend Bienenvölker, Wachteln sowie Goldfische im alten Brunnen mit eigenem Quellwasser gehören ebenfalls zu den tierischen Mitbewohnern der Familie Sturzenegger. Seit das Bauernpaar kürzlich in Mohren einen zweiten Betrieb dazu pachten konnte, geniessen Geissen, Kühe und das Jungvieh aus der Bergzone 1 die schöne Aussicht aufs Rheintal.

Wenn auch das landwirtschaftliche Gebäude in Balgach fast vom Wohnhaus verdeckt wird und von der Hauptstrasse her als solches fast nicht erkennbar ist, macht doch «Krüsis Hofladen» darauf aufmerksam, dass hier regionale und hofeigene Produkte, oft direkt vom Feld oder Baum, angeboten werden. Fast alles, was die Familie hier anbietet, ist frisch oder liebevoll «selber gmacht». Ein Frischmilch-Automat liefert rund um die Uhr Rohmilch in Selbstbedienung. Auf rund acht Hektaren Ackerfläche werden Mais, Kunstwiese, Getreide, Kartoffeln und Maschinenbohnen angebaut. An rund 200 Hochstammbäumen wachsen über 30 verschiedene, zum Teil alte Apfel- und Birnensorten.

Wie Elisabeth und Beat 
ihr Glück fanden

Der Hof der Seniorlandwirte Hans und Heidi Krüsi ist mit der Tochter Elisabeth in den Händen der dritten Generation. Die heutige Bäuerin ist zusammen mit ihrer Schwester hier aufgewachsen. Elisabeth liebte das Landleben, die Tiere und den Hof ihrer Eltern. Sie wäre schon früher gerne Bäuerin geworden, doch den Betrieb als Landwirtin übernehmen, wollte sie nie:

Auf einem Bauernhof braucht es einen Mann. Vieles ist schwere Handarbeit, dazu braucht es Kraft. Ich liebe Tiere, aber mit grossen Maschinen kann ich nichts anfangen.

So machte die Bauerntochter nach der Schulzeit eine Ausbildung als Köchin und später eine Zusatzlehre im Service. Ihr erster Lehrbetrieb war gleich nebenan im renommierten «Bad Balgach». Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die waschechte Rheintalerin doch noch Bäuerin wurde: An einem Fest im Appenzellerland lernte sie Beat kennen. Der Bauernsohn aus Speicher befand sich in der gegenteiligen Situation: Die Hofübernahme zwischen den drei Brüdern war dort bereits geregelt. Glücklich über die Liebe und die neuen Berufsaussichten machte der Landmaschinenmechaniker eine Zusatzlehre als Landwirt und anschliessend die Betriebsleiterschule. Die dreifache Mutter schwärmt:

Über diese Fügung bin ich sehr glücklich – mein Mann und ich ergänzen uns perfekt: Er kümmert sich um die typischen Männerarbeiten und ich kann ganz Bäuerin sein.

Rundum glücklich mit seinem Leben, seiner Familie und seinem Beruf ist auch der 37-jährige Landwirt. Beat Sturzeneggers grosse Leidenschaft sind Jersey-Kühe. Für ihn vereint die kleine Rinderrasse alle positiven Eigenschaften einer Milchkuh. Trotz seines Faibles für Kühe schlägt das Herz des gelernten Landmaschinenmechanikers auch für Deutz-Traktoren und alte Landmaschinen. Mit seinem Geschick ist er stets bereit, wenn es auf dem Hof Maschinen zu reparieren gibt.

Beruf und 
Freizeit vereint

Nachdem das junge Paar geheiratet und den Hof 2012 übernommen hatte, kam bald das erste Kind zur Welt. Obwohl Eltern und Schwiegereltern die beiden bis heute bei der täglichen Arbeit in Haus und Hof tatkräftig unterstützen, bleibt nur wenig Freizeit übrig. Beat liebt den Wintersport und war auch schon am Engadin-Skimarathon dabei. Elisabeth findet ihren Ausgleich im Turnverein und im Musizieren auf dem Schwyzerörgeli. Stets etwas Zeit bleibt auch für gemeinsame Ausflüge mit der ganzen Familie zum Wandern, Baden oder um auch einmal in die Ferien zu fahren.

Nach Aufgabe der externen Berufsarbeit fand Elisabeth eine neue Herausforderung im Angebot «Schule auf dem Bauernhof». Das Modul dazu hat sie am Plantahof in Landquart absolviert. Nun besuchen Spielgruppen und Schulklassen den Hof, um von ihr Spannendes rund um die Landwirtschaft zu erfahren.

Der Bauernhof ist ein Aushängeschild für die Landwirtschaft

Elisabeth Sturzenegger ist zufrieden mit dem Leben als Bäuerin, Hausfrau und Mutter. Ein anmutiges Lächeln ist auf ihrem Gesicht, während sie liebevoll ihr weinendes Töchterchen tröstet, das in der Schule von Klassengspänli ungerecht behandelt wurde. Der Bäuerin ist es auch ein Anliegen, dass die Tiere es während ihres Lebens gut haben. Wichtig ist der gelernten Köchin auch eine kreative, feine Küche. Und eine Herzensangelegenheit ist ihr, ihrer Familie ein schönes Heim zu bieten. Der gepflegte Bauernhof mit den schönen Details trägt so die Handschrift der ganzen Familie und präsentiert sich im Dorf als ein Aushängeschild der Landwirtschaft.