01.12.2018

Auch ein Beinbruch ist ein Beinbruch

Nach einem Sturz im Training befürchtete Gabriel Zweifel, wegen einer Kreuzbandverletzung lange auszufallen. Die Verletzung – ein unkomplizierter Beinbruch – war weniger schlimm, bremste ihn aber doch.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Wer mit Gabriel Zweifel spricht, merkt schnell: Da sitzt ein junger Mann, der hohe Ziele hat. Einer, der sich auf dem Weg, diese zu erreichen, nicht gern stoppen lässt. Schon gar nicht von einer Verletzung. Doch genau eine solche bremst den 18-jährigen Boardercrosser aus Au zurzeit. Im Training auf dem Theodulgletscher in Zermatt hat er sich einen Schien- und Wadenbeinbruch zugezogen. Eine Böe erwischte ihn während eines Sprungs, er landete zu früh, auf dem Table statt auf dem steilen Auslauf unterhalb.Der Therapeut ging erst von einer Kreuzbandverletzung aus. Es drohte ein sehr langer Trainingsausfall. Als ganz so schlimm erwies sich die Verletzung nicht. Aber auch ein Beinbruch ist ein Beinbruch. Zweifel hat einen Monat Schneetraining verpasst. Das ist weniger als zuerst erwartet, in dieser Phase der Saison und der Karriere aber doch genug.Denn in seinem Alter kann es schnell gehen. Die Konkurrenz schläft nicht, und selbstverständlich auch er nicht. Gegen Ende der letzten Saison zeigte Zweifel einen regelrechten Steigerungslauf, wurde im Europacup immer besser. Er fuhr erst in den Halb­final, dann in den Final und erstmals aufs Podest. Er träumte berechtigterweise von ersten Einsätzen im Weltcup. Der Verband belohnte ihn mit der Aufnahme ins B-Kader. «Das liegt bestimmt an den letzten Rennen, gerechnet habe ich damit aber sicher nicht so schnell», sagt Zweifel.Häufig sagen Sportler, Verletzungen bieten auch Chancen. Meistens sind das Umstandsphrasen, um die Enttäuschung darüber zu kaschieren, nicht an Wettkämpfen starten zu können. Zweifel gibt sich diese Mühe gar nicht. Ihm ist anzumerken, wie enttäuscht er ist. Immerhin: Weil der Bruch direkt unter dem Knie und «sauber» verlief, konnte er sich drei Wochen danach schon wieder aktiv und ohne Stöcke bewegen. Der Arzt habe gesagt, das sei eine Wunderheilung.Zwei Teamkollegen dürfen im Weltcup startenSchon nächste Woche darf und wird Zweifel wieder auf Schnee trainieren, und dann geht der Winter endlich los. «Ich freue mich jetzt umso mehr auf den Saisonstart», sagt er.Dabei muss Zweifel sich erst wieder intern durchsetzen – während zwei Teamkollegen an Weltcuprennen starten dürfen.Er sagt: «Ich muss wieder zeigen, dass ich zu guten Leistungen fähig bin und den Willen habe. Ich gebe Vollgas und hoffe, den Trainingsrückstand schnell aufzuholen. Meine Weltcupeinsätze werden schon noch kommen.» Das ist keine Selbstüberschätzung oder Arroganz, aus Zweifel spricht die Vorfreude auf die Saison. Er verfolgt ehrgeizige Ziele, zumal er nicht viele Rennen verpasst hat und es noch genug gibt. «Es hat sich nicht so viel geändert: Ich will im Europacup vorne mitfahren und zu Weltcupeinsätzen kommen. Das nächste grosse Ziel wird dann die Aufnahme ins A-Kader.»Schwimmen, STV, Schule: Das Programm ist vollUm die Ziele zu erreichen, schuftet Zweifel zurzeit am Comeback. Das Schwimmen hat es ihm zuletzt angetan. Es hilft bei der Rehabilitation, ist aber auch sonst ein gutes Ausdauertraining. Er schwimmt mit einem Freund, die beiden pushen sich gegenseitig: «Das hilft uns beiden.» Daneben trainiert Zweifel auch beim STV Au, dem er schon angehört hatte, bevor er die Laufbahn als Snowboarder eingeschlagen hatte. Er mag dieses Training, nicht nur, weil es ihm bei Schnelligkeit und Kraft hilft: «Im Turnverein haben wir den Teamgeist, den wir im Snowboard nicht immer gleich leben können», sagt Zweifel. Es ist nicht so, dass die Snowboarder untereinander nicht befreundet wären und alle im kompletten Tunnelblick durch die Welt gehen. Der Leistungsdruck dort ist aber ein anderer. Und es kämpft halt doch jeder für sich.Viel Training erlaubt ihm die Ausbildung an der United School of Sports in St. Gallen. Zweifel ist im zweiten Jahr und nimmt im nächsten Sommer das erste Praktikumsjahr in Angriff. Er hofft, einen Arbeitsplatz in Au zu finden. In der Schule ist Zweifel «auf Kurs», musste aber auch kämpfen: Er verzichtete auf ein Trainingscamp, um zu lernen. Mit Erfolg, kurz später lief alles besser und das – verhängnisvolle – Trainingslager in Zermatt stand an.Nun geht’s also bald zurück auf den Schnee. Zweifel will möglichst viele Rennen in allen ihm möglichen Kategorien fahren, um den Status im Kader mit guten Resultaten zu verbessern. Er sei sich mit den Trainern nicht immer einig, ob nun Rennen oder Trainings besser seien. Seine Meinung: «Ich fahre gern so viele Rennen wie ich kann.» Er will es wissen. Jetzt erst recht.