Christlich 19.11.2023

Brot füreinander sein – das Beispiel des Brötlis zeigt auf, wie das möglich sein kann

Wie können wir einander das Leben schmackhaft und nahrhaft machen? Dieser Frage geht der Autor, ein katholischer Pfarrer, nach.

Von Georg Changeth,
Pfarrer
aktualisiert am 19.11.2023

Dazu eine kleine Geschichte: Am Tag ihrer goldenen Hochzeit gibt es frische Brötli zum Frühstück. Wie immer schneidet die Frau die Brötli auf und will ihrem Mann die obere Hälfte geben. Da hält sie kurz inne und denkt: «50 Jahre lang habe ich ihm die bessere Hälfte gegeben. Heute will ich sie mal für mich behalten.»

Als ihr Mann die untere Brötlihälfte in Empfang nimmt, schaut er zuerst verdutzt und antwortet dann freudestrahlend: «Mein Liebling, du hast mir heute das schönste Geschenk gemacht. Ich liebe die untere Brötlihälfte und habe sie dir all die Jahre überlassen, weil ich davon ausgegangen bin, dass du sie lieber magst.»

Diese amüsante Geschichte stimmt nachdenklich. Es leben zwei Menschen zusammen und sprechen eine lange Zeit nicht aus, was sie wirklich wollen, was sie bewegt.

Die beiden Brötlihälften sind nur ein Symbol für alles Unausgesprochene.

Haben wir Mut und äussern unsere Bedürfnisse. Sehen wir es als einen Akt der Nächsten­liebe. Wir Menschen brauchen die Sprache, die Kommunikation, so nötig wie das tägliche Brot.

Nur wenn wir ausdrücken können, was uns freut, was uns belastet, was uns umtreibt, kann der andere Mensch mit uns fühlen. Die Psychologen sagen: Alles, was eine Seele erzählen kann, das befreit sie.

Wir sollen nicht allen Kummer in uns hineindrücken, dann wird das «Brot unseres Lebens» hart und ungeniessbar, wir sollen locker und geniessbar bleiben.

Ich denke da noch an die Geschichte des Bäckers in Paris: 
An der Jakobstrasse liegt ein Bäckerladen; da kaufen viele Hundert Menschen ihr Brot. Der Besitzer ist ein guter Bäcker. Aber nicht nur deshalb kaufen die Leute des Viertels dort gern ihr Brot.

Noch mehr zieht sie der alte Bäcker an, der Vater des jungen Bäckers. Er sieht die Kunden an und spricht mit ihnen: «Sie sehen heute sehr bedrückt aus!» Oder er beruhigt einen aufgeregten Mann:

Komm, iss ein Stück Brot, dann wirst du wieder ruhig werden.

Dieser Bäcker verkauft nicht nur das Brot – er selbst ist Brot für andere. Er liebt seinen Beruf und teilt mit den Menschen das Leben. Er ist wie ein Psychologe und geht auf die Not und die Sorgen der Menschen durch seine Anteilnahme ein.

So können und sollen auch wir Brot füreinander sein.

Auch Jesus will für uns Brot sein: «Ich bin das Brot des Lebens, wer mich isst, wird durch mich leben.» Wir alle haben Hunger nach Heimat, nach Verstehen und Verstanden werden. Wir alle haben Hunger nach Liebe, doch diese lässt sich nicht kaufen wie Brot, die bleibt allein geschenkte Gnade.