Seitenblick 18.04.2023

Casting-Wahnsinn: Wohin Wokeness führen kann

Darf ein Spränzel keinen Fülligen spielen? Manche empören sich genau über solches. Nur: Wo führt das hin?

Von Hansueli Steiger
aktualisiert am 18.04.2023

Ich bin ein Filmliebhaber. Es sind aber nicht die Blockbuster, die mich faszinieren. Peter Jacksons «Herr der Ringe»-Trilogie mal ausgenommen. Die kleinen, stillen Meisterwerke, mit schauspielerischer und kameratechnischer Genialität erschaffen, ziehen mich in ihren Bann.

Gerade erst habe ich im Kino Madlen «The Whale» («Der Wal») des amerikanischen Regisseurs Darren Aronofsky gesehen. Ein 270 Kilogramm schwerer Lehrer will sich wieder seiner Tochter annähern, nachdem er vor einigen Jahren die Fami­lie verlassen hatte, um mit seinem Partner zusammenzuleben. Nach dessen Tod sucht der Lehrer Trost in zwanghaftem Essen. Brendan Fraser und Sadie Sink spielen grossartig. Fraser konnte für seine Darstellung den Oscar als bester Hauptdarsteller entgegennehmen.

Die Kunst des Schauspiels

Doch es gab eine Diskussion über den Film, die mir genauso gesucht wie absurd erscheint. Darf ein Schauspieler in einen «Fatsuit», einen Fettanzug, gesteckt werden, um einen fettleibigen Mann zu spielen? Nur adipöse Männer dürfen adipöse Männer spielen, hiess es. Aber wo bliebe denn die Schauspielkunst, wenn die Darstellenden das spielen würden, was sie ohnehin sind?

Die Kunst des Schauspiels ist es doch, mit Gestik, Mimik, und Ausdruck einer Figur einen bestimmten Charakter zu geben. Ich frage mich auch, wie denn gecastet würde, wenn die Rolle eines irren Psychopathen besetzt werden müsste. Obwohl – wenn man das aktuelle Weltgeschehen verfolgt, gäbe es dafür genügend geeignete Kandidaten.