proLitteris
St. Margrethen vor 4 Stunden

Chaos, Hitze und Demonstrationen: Studentin erzählt von ihrem Einsatz am Eurovision Song Contest

Politische Proteste, Hitzeschlag und Sicherheitsvorkehrungen wie am Flughafen: Jana De Toffol 
war Teil der offiziellen Produktion der ESC-Eröffnungsshow in Basel.

Von Cassandra Wüst
aktualisiert vor 3 Stunden

Am Dienstagabend startet in Basel der Eurovision Song Contest 2025 mit der ersten Halbfinalshow. Millionen Menschen in ganz Europa werden live dabei sein. Eine, 
die nicht nur zuschaut, sondern aktiv mitgewirkt hat, ist Jana 
De Toffol. Die 23-Jährige aus St. Margrethen war Teil des offiziellen Produktionsteams der Eröffnungsshow am vergangenen Wochenende – einem der grössten TV-Events der Welt.

Als Studentin des Bachelorstudiengangs Multimedia Production an der Fachhochschule Graubünden mit Vertiefung in Live Communication arbeitete sie gemeinsam mit 13 weiteren Studierenden an der Planung und Durchführung der sogenannten Opening Ceremony inklusive des Turquoise Carpet – einer glamourösen Parade durch die Basler Innenstadt. Übertragen wurde das Ereignis vom SRF sowie auf dem ESC-Youtube-Kanal und acht weiteren Sendern in Europa – mit mehreren Hunderttausend Zuschauerinnen und Zuschauern.

Hitzeschlag und ungeplante Demos

«Es war heiss, hektisch, laut – und einfach unvergesslich», sagt Jana De Toffol. Während auf dem türkisfarbenen Tep­pich Künstlerinnen, Delegationen und Medienvertreter posierten, stand sie mit ihrem Team hinter der Kamera. Als Assistentin im sogenannten ENG-Team unterstützte sie Kameraaufnahmen, betreute Moderationen und war dafür zuständig, dass Inhalte rechtzeitig für den Livestream produziert und ausgeliefert wurden.

Improvisation war oft gefragt: Zum Beispiel, als sie um 14 Uhr ein Interview mit Hazel Brugger aufzeichneten, das ­bereits um 14.30 Uhr ausgestrahlt werden sollte – inklusive Schnitt:

Ich musste mich mit meinem E-Scooter durch die Menge kämpfen, um das Material rechtzeitig ins Schnittbüro zu bringen.
Jana De Toffol hat an der Opening Ceremony im ENG Team als Assistenz gearbeitet.
Jana De Toffol hat an der Opening Ceremony im ENG Team als Assistenz gearbeitet.
Bild: pd

Auch spontane Zwischenfälle forderten schnelle Entscheidungen: Eine Mitstudentin erlitt einen Hitzschlag, es kam zu unangekündigten Demonstrationen und Palästina-Flaggen wurden in Kameras gehalten – das Team musste umdisponieren und auf andere Kamerapositionen ausweichen.Hinzu kam, dass die Bedingungen vor Ort alles andere als einfach waren: Hitze, Menschenmassen, permanenter Zeitdruck.

Sicherheitsvorschriften auf höchstem Niveau

Chaos, Hitze und Demonstrationen: Studentin erzählt von ihrem Einsatz am Eurovision Song Contest

Was das Publikum nicht sah: Hinter den Kulissen galten höchste Sicherheitsvorschriften. Der genaue Ort des Schnittplatzes von Jana und ihrem Team durfte aus Gründen der Cyber-­Sicherheit nicht öffentlich bekannt gegeben werden. «Es bestand immer die Gefahr von gezielten Angriffen oder Störungen – deshalb wurde der Stand­-
ort geheim gehalten», erklärt sie.

Auch der Zugang zu den ­Veranstaltungsbereichen wurde streng kontrolliert. «Wer ins Eurovision Village oder hinter die Bühne wollte, musste Sicherheitskontrollen wie am Flughafen über sich ergehen lassen – mit Scannern, Taschenkontrollen und Ausweiskontrollen. Das war schon beeindruckend.»

Ein studentisches Projekt mit internationalem Echo

Dass überhaupt Studierende am ESC mitarbeiten durften, war alles andere als selbstverständlich. Im Herbst 2024 reichte ein kleines Kernteam des Majors Live Communication einen umfassenden Konzeptvorschlag beim SRF ein – für gleich vier zentrale ESC-Veranstaltungen: die City Handover Ceremony, den Semi-Final-Draw, den Turquoise Carpet und die Opening Ceremony.

Das Studierenden-Team, das am ESC mitwirkte.
Das Studierenden-Team, das am ESC mitwirkte.
Bild: pd

Die Fachhochschule Graubünden erhielt schliesslich den Zuschlag. Das Team wurde auf 38 Studierende und neun Dozierende erweitert. In enger Zusammenarbeit mit SRF und dem ESC-Profiteam übernahmen die Studierenden die komplette ­Regieplanung, Technik, Skriptarbeit und Videoproduktion. Jana De Toffol sagt:

Wir haben über 1000 Stunden Arbeit investiert – viele davon in langen Nachtschichten.

Vor allem wurden unzählige Dokumente herumgeschickt. «Regiepläne wurdenfast täglich angepasst – und am Ende lief trotzdem nicht alles nach Plan. Aber das ist bei Live-Produktionen völlig normal.»

«Viele sind in Tränen ausgebrochen»

Jana De Toffol stammt ursprünglich aus dem Toggenburg, lebt aber heute in St. Margrethen. Ihr Studium absolviert sie im Teilzeitmodell – vier Jahre statt drei – mit Studienorten in Zürich und Chur. Parallel arbeitet sie im Eventbereich, etwa für Firmenveranstaltungen, Hochzeiten oder Festivals. Noch immer sei es surreal, was sie erlebt habe. Sie sagt:

Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung. Ich liebe dieses Adrenalin bei Live-Produktionen – du musst abliefern, es gibt kein Zurück. Das macht süchtig.

Gleichzeitig sei sie froh, dass nun wieder etwas mehr Ruhe einkehre. «Die Event-Saison geht gerade erst los, jedes Wochenende ist bei mir verplant – Kunden­projekte, Bachelorarbeiten, und jetzt eben auch noch der ESC. Es war heftig – aber es hat sich gelohnt.»

Emotional war es für das ganze Team ein Ausnahme­zustand. Viele seien nach der 
Livesendung in Tränen ausgebrochen: «Die Anspannung war riesig und die Erleichterung danach umso grösser.» Dass ihr Team für die Pre-Show am kommenden Samstag eingeladen gewesen wäre, ehrt sie – doch sie muss arbeiten. «Ich verfolge den ESC aber weiterhin im Fernsehen – jetzt halt als Zuschauerin und aus einem neuen Blickwinkel.»

Die Halbfinals des Eurovision Song Contest werden am Dienstag, 13. und Donnerstag, 15. Mai 2025 ausgetragen. Das grosse Finale ist dann am Samstag, 17. Mai 2025. Für die Schweiz tritt die Freiburgerin Zoë Më an. 

 

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.