18.02.2018

Den Norden auf die Bühne geholt

Mit der Eigenproduktion «55° Nord – Fröhliche Brise aus dem Norden» bewies der Diogenes-Chor mit dem Musikensemble, dass sich nordische Lieder auf einer kleinen Bühne gekonnt in Szene setzen lassen.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. PlüssDer Weg zu den Sitzplätzen führte im Diogenes-Theater am Freitagabend über die Bühne. Im ­vorderen Bereich des Ganges, direkt unterhalb der Bühne, hatten die sechs Mitglieder des Musikensembles Platz genommen. Die räumliche Nähe zu den Akteuren auf der Bühne sollte sich im Verlauf der Aufführung als Vorteil ­erweisen, erlaubte sie doch lebendige Interaktionen zwischen Chor und Musikern. Kühl-mitreissende FröhlichkeitVermeintlich «kühl» töne der ­Titel der ersten von vier Eigenproduktionen, mit denen das Diogenes-Theater im Jubiläumsjahr aufwartet, meinte Co-Präsident Michel Bawidamann in seiner Begrüssung an das Publikum gewandt. Im Theater habe man jedoch auch lediglich 17 Grad, was als eine kühle Parallele verstanden werden dürfe. Bawidamann kündigte eine Liederreise an, die «mit Schwung um den 55. Breitengrad (Nord)» führe. Der neunköpfige Chor begann mit «Giddat», einem traditionellen Lied der Saamen. In weiss-graue Capes gehüllt, mit blau-grünen Chiffontüchern, die drei Sänger mit weissen Masken, die sechs Sängerinnen mit weissen Haarbändern, entführte das Ensemble sogleich in nordisch-mystische Sphären. Der 55. Breitengrad Nord zieht sich in einem Band über Dänemark, Schweden, Estland und Litauen hinweg, umfasst jedoch auch zahlreiche Orte in Schottland und Irland. Urs Stieger, der zum sechsten Mal für Musik, Konzept und Regie einer «Diogenes»-Produktion verantwortlich zeichnete, hatte denn auch zahlreiche irische und schottische Gesänge und Shantys ins Repertoire aufgenommen: Bei «The Irish Rover», «Dirty Old Town» oder auch «Leave Her, Johnny, Leave Her», bot der Chor nebst mitreissendem Gesang auch schauspielerische Qualitäten: Standen sie, einem Bekenntnis gleich, bei «Some­where Along The Road» noch zu neunt in einer Reihe, übernahmen sie in den irischen Liedern, die sich um die klassischen Themen des Lebens wie Liebe, Freude, Hoffnung oder Verlust drehten, jeder eine Rolle auf der ­Bühne. Episodenhaft erinnerten Nebelschwaden und Seile an vergangene Industrieromantik oder wehmütige Erinnerungen an eine verlorene Liebe lebten auf.Sehr anspruchsvolles Repertoire bewältigtZu zwölft hatte der Chor vor gut eineinhalb Jahren mit den äusserst anspruchsvollen Proben begonnen. Neun Sängerinnen und Sänger blieben bis zur Premiere dabei. Das irisch-finnisch-schwedische Repertoire forderte den Chor nicht nur stimmlich, sondern auch sprachlich; die finnischen Lieder «Vot I Kaalina» oder «Kuulin Äänen» kommen Zungenbrecher-Übungen gleich. Dass diese Lieder kraftvoll und fehlerlos synchron und fast mit Leichtigkeit vorgetragen wurden, lässt die intensiven Proben nurmehr erahnen. Neben den Solovorträgen der Chormitglieder kamen auch die Musiker mit ­Instrumental-Soli auf die Bühne. Herausheben möchte man keinen der Mitwirkenden; es ist das Zusammenwirken von Chor, Musik, Kostümen und dem farblich wechselnden Bühnenbild blühender Mistelzweige, das 55° Nord zu einem dichten, un­terhaltsamen, melancholisch-fröhlichen Erlebnis macht. Das Publikum liess sich nicht zum Mitklatschen auffordern – es klatschte und sang einfach mit.Mehr Bilder auf rheintaler.ch unter Bilderstrecken.Vielfalt an EmotionenDas ist eine super Eigenproduktion. Ich bin wirklich positiv überrascht von den Sängerinnen und Sängern. Da steht nicht einfach ein Chor auf der Bühne, das ist ja ein richtiges Theaterensemble. Das war bestimmt schwer, die Texte einzustudieren. Die Musik ist richtig gut. Bei den irischen Liedern bekommt man gleich Lust, in den Ferien dorthin zu fahren. Die Eigenproduktionen des Diogenes-Theaters sind immer spannend. Schön, dass es in diesem Jahr vier davon gibt. Von den Liedern her ist es ein Wechsel von melancholischen zu fröhlichen Themen, das finde ich sehr gelungen. Es ist im Leben doch auch so, dass es mal fröhlich ist, mal lustig oder eben melancholisch oder auch traurig. (acp)Werner Indermaur, WidnauWerner Indermaur, WidnauJanine Köppel, Altstätten