13.01.2019

Der Erste wird der Letzte sein

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Beim festlichen Après-Fassdauben im Restaurant Hub erzählt Erwin Bünter, er habe bei seinem ersten Fassdaubenrennen über vier Minuten gebraucht, um den Lauf hinter sich zu bringen. Ich freue mich innerlich: Es gibt jemanden, der am Fassdaubenrennen des Fussballclubs Rebstein schon einmal länger gebraucht hat als ich! Dass die Bedingungen damals viel schwieriger waren als am letzten Samstag, blende ich aus, weil ich mein Ziel (nicht Letzter zu werden) nicht erreicht habe. Bei Weitem nicht. Ich brauchte fast vier Minuten für die Strecke.«Gell, Remo, schreiben ist einfacher als Fassdauben fahren», sagt Fasi Langenegger. Wie Recht er hat!Das Unheil kündigt sich schon bei der Auslosung anDas Unheil beginnt, als ich bei der Startnummern-Auslosung die Zwei ziehe. Ich muss als Erster runter, denn die Eins wird nicht vergeben.Sofort werde ich von FC-Rebstein-Kollegen hochgenommen: Als Erster herunter sei kein Zuckerschlecken, sagen sie. Besonders, weil ich zum ersten Mal auf diesen Holzlatten stehe, in denen früher mal Wein gereift hat. Bevor sie jemand auseinandergenommen hat und auf die Idee gekommen ist, sie als Ski zu missbrauchen. Wem fällt denn so etwas ein?Zwischen Beiz und Tobel bin ich guter Dinge. Das wird schon schiefgehen, das kann nicht so schwierig sein. Ich kündige vollmundig an, an meinem Debüt das Rennen zu gewinnen. «Dann zahle ich eine Kiste Bier», sagt Matthias Stierli lachend. Er wird das Portemonnaie nicht zücken müssen. Für die Ängstlichen gibt’s am Start einen SchnapsBeim Anblick der von FC-Mitgliedern fein präparierten Piste wird mir dann bange: Sie ist ziemlich steil. Roger Gmünder verteilt am Start Schnaps für die, die Angst haben. Her damit.Los geht’s. Es dauert keine zehn Sekunden, bis mein Hintern im Schnee landet. Und nicht länger, bis es wieder passiert. Nach den ersten Metern ist mir klar: Das wird eine Tortur. Ständig falle ich um, vorwärts, rückwärts, seitwärts. «Ist es noch weit?», frage ich das Publikum bei der Passage, die Speaker Markus Schmid als Minschkante bezeichnet. Ja, es ist noch weit. Nicht einmal die Hälfte ist geschafft. Doch die vielen Zuschauer glauben an mich, feuern mich an. Denken sie wirklich, Dabeisein sei alles und jeder hat Applaus verdient? Oder hoffen sie, dass ich so schnellstmöglich unten bin, um den nächs- ten, besseren Fahrer zu sehen?Vor 24 Jahren bin ich zum letzten Mal auf Skis gestanden. Vor zehn Jahren zum letzten Mal auf dem Snowboard. Einige sagen, das Fassdaubenrennen habe nichts mit Skifahren zu tun, andere sagen das Gegenteil. Sicher ist: Bei meinem Fahrstil spielt das keine Rolle. Mehr schlecht als recht quäle ich mich den Hang runter.«Noch 20 Meter», ruft der Speaker. Nur noch fünfmal Umfallen bis zum Ziel. Geschafft. Endlich! Und das erst noch mit der Bestzeit! Später wird sich dann aber herausstellen: Der Erste wird der Letzte sein.Im zweiten Lauf bewundere ich die Könner auf BretternNach der Zieldurchfahrt stelle ich erschreckt fest, dass noch ein zweiter Lauf ansteht. Dieser findet ohne mich statt, ich habe genug. Ich bewundere lieber die, die es in unter einer Minute he­runterschaffen. Reto Lüchinger, Bruno Ender und Valentin Bünter fahren wie Beat Feuz. Die können das wirklich, es macht Spass, ihnen zuzuschauen. Genauso wie der Anlass des FC Rebstein insgesamt Spass macht. Viele Leute sind gekommen, es herrscht eine regelrechte Volksfeststimmung. «Wir haben einen Trostpreis vergeben, aber das bleibt anonym – gell, Zollinger», verkündet Daniel Strickler, einer der Rennorganisatoren, bei der Siegerehrung in der «Hub». Man reiche mir einen Kafi Luz.25Remo Zollinger