Fussball 16.05.2023

Die Dierauer-Brüder beim FC Au-Berneck: Teilzeitfussballer?

In einem spannenden Spiel gegen ein starkes Team aus Vaduz holt der kampfbereite FC Au-Berneck 05 mit dem 3:3 verdient einen Punkt – und keiner ist glücklich. Auch die Brüder Tobias und Fabian Dierauer nicht so wirklich.

Von Beni Bruggmann
aktualisiert am 17.05.2023

Mit einem Mann weniger kann das Heimteam die 3:1-Führung nicht verteidigen. «Schade», sagt der eine. «Es wäre mehr möglich gewesen», meint der andere. Das sind Aussagen von Tobias und Fabian Dierauer, die Brüder von Julia, die bei den Frauen von Au-Berneck spielt und vor einer Woche an dieser Stelle vorgestellt wurde.

Auch Tobias, 22-jährig, und Fabian, 20, haben als Kinder bei Au-Berneck mit Fussballspielen begonnen und sind jetzt eigentlich Stammspieler in der ersten Mannschaft. Eigentlich.

Ein- oder ausgewechselt – vorn stürmen, hinten helfen

Wenn man die Statistik der Auer Spiele in dieser Saison anschaut, stellt man verwundert fest, dass die Brüder Dierauer in beinahe jedem Spiel dabei waren, dass sie aber kaum einen Match über 90 Minuten bestritten haben. In der Rubrik «Auswechslungen» kommt der Name Dierauer mit Sicherheit vor, sei es als Ein- oder Auswechslung. Einmal, am 22. Oktober des letzten Jahres, heisst es sogar:

70. Minute: Fabian Dierauer ersetzt durch Tobias Dierauer.

Bruder für Bruder. Jobsharing im Fussball? Ein Modell, bei dem sich zwei Spieler eine Position teilen? Also Teilzeitfussballer?

Das Spiel gegen Vaduz gibt die Antwort. Fabian fehlt. Tobias stürmt am rechten Flügel. Aber das ist ungenau. Er kämpft auch im rechten Mittelfeld. Ist die Abwehr unter Druck, hilft er im Strafraum aus. Sein «Arbeitsgebiet» ist die ganze rechtsseitige Platzlänge. Das kostet Kraft. Kein Wunder, geht bei diesem Pensum die Luft aus. In der 81. Minute wird er ausgewechselt. Im Gespräch nach dem Spiel erwähnt so nebenbei, dass er sich konditionell noch verbessern möchte. Er hat das Ziel, seine Topleistung über 90 Minuten zu bringen. Vollzeitfussballer!

Wie ein Fussballer, der gut trainiert hat

Wer meint, da sei ein rustikaler «Arbeiter» am Werk, irrt. Der Linksfüsser ist ein eleganter Techniker. Er nimmt einen weiten Auskick des Torhüters perfekt an, er spielt gut zu. Aber am liebsten läuft er mit dem Ball am Fuss Richtung Tor. Da holt ihn kaum einer ein. Schnelligkeit, das ist seine Stärke – und Ruhe. Man hört ihn nicht. Er spricht nicht. Er spielt.

Tobias Dierauer setzt sich gegen seinen Gegner durch.
Tobias Dierauer setzt sich gegen seinen Gegner durch.
Bild: Hansueli Steiger

Bruder Fabian ist als Zuschauer dabei, weil er leicht erkrankt ist. Zu Fussarbeit reicht es nicht, aber zu Kopfarbeit: Der Lehrling bei der Alpha Rheintal Bank hat am Vormittag den ersten Teil der Abschlussprüfung an der Berufsschule Altstätten abgelegt, Französisch, hören, lesen, schreiben.

«Ich habe gute Vornoten und kann ruhig in die Prüfungszeit einsteigen», sagt er, so, wie ein Fussballer sagt, er habe gut trainiert und gehe zuversichtlich ins Spiel. Ende Juni schliesst er seine Lehrzeit ab. Nachher beginnt er die zweijährige Ausbildung an der BMS in St.Gallen, die Aufnahmeprüfung hat er bestanden.

Fabian Dierauer im Gespräch mit Textautor Beni Bruggmann.
Fabian Dierauer im Gespräch mit Textautor Beni Bruggmann.
Bild: Hansueli Steiger

Der Fussballweg führt den jüngeren der Dierauer-Buben von Au-Berneck in die Sportschule Heerbrugg und ins Team Rheintal. Genau an seinem 16. Geburtstag, am 10. August 2019, kommt er zum ersten Einsatz in der ersten Mannschaft. In Diepoldsau gewinnen die Auer ein Cupspiel mit 3:2.

«Gute Typen», heisst es gern über die beiden

Weil wir Fabian nicht im Einsatz sehen, charakterisieren ihn die Fachleute aus dem Verein. Guido Böhrer, Sportchef: «Fabian ist nicht so schnell wie sein Bruder, aber er kann das Spiel gut lesen. Er ist vielseitig einsetzbar.» Trainer Roman Hafner ergänzt: «Er ist ein intelligenter Spieler, ausgezeichnet im Spielaufbau.» Beide sagen über beide:

Sie sind gute Typen, im Verein daheim, engagiert, und können positiv kritisch sein.

Zurück zu Tobias, der an der Kanti Heerbrugg die Matura gemacht hat und nun an der ETH in Zürich studiert. Biochemie. Er klärt den Journalisten auf: «Da geht es um die chemischen Prozesse, die in unserem Körper ablaufen.» Er pendelt, ist täglich lange im Zug unterwegs nach Zürich, trifft dort Kollegen. «Ich studiere gern, fühle mich in Zürich wohl, liebe das Stadtgefühl», sagt er. Aber er nutzt auch die Technik. «Am Freitag verfolge ich die Vorlesungen daheim am Laptop im Livestream. Das ist angenehm. Ich muss dann nicht so früh aufstehen.»

Etwas Praxis hat er bereits in seinem Fachgebiet Biochemie: Im Zwischenjahr arbeitete er in Balgach bei Microsynth im Labor. Es ging um Nukleinsäuresynthese. Was das ist? Auskunft bei Tobias Dierauer.