Es ist ein kühler Mittwochabend in Rebstein, die dichten Wolken kündigen baldigen Regenfall an. Fast ebenso kühl wirkt die Stimmung in der Billard & Sportsbar n9ne: Sie ist noch nicht geöffnet, doch vier Männer sind darin anzutreffen. Patrick Rohner, Roger Bruderer, Marco Eugster sowie Marco Steiner trainieren. Die Stimmung ist locker, die vier sind ein Team. Marco Eugster sagt:
Es geht um die Freude am Sport und darum, die Favoriten zu necken.
Er stammt aus Gossau und nimmt den Weg ins Rheintal ebenso regelmässig auf sich wie Marco Steiner aus Rapperswil. Sie entkräften Klischees, indem sie vor den Öffnungszeiten da sind. Billard gilt als «Beizensport», doch wer ambitioniert spielt, braucht im Training Ruhe. «Wenn im Center ein Tohuwabohu herrscht, der Alkohol fliesst und im Hintergrund ein Fussballspiel mit lautem Kommentar läuft, klappt es nicht», sagt Patrick Rohner. Denn Billard, egal ob Pool oder Snooker, sei ein Gentleman-Sport.
In Österreich ist alles anders als in der Schweiz
Die vier bilden mit dem Berner Profi Michael Schneider, der sie in der Meisterschaft unterstützt, ein Team in der zweithöchsten österreichischen Liga des Pool-Billards, in der Austrian Billard League. Sie spielen ennet der Grenze, weil alles grösser sei: die Billardcenter, die Liga, die Anzahl Spieler. Die Mitgliederbeiträge seien tiefer, die Trainingsmöglichkeiten besser.
Patrick Rohner aus Rebstein und der Marbacher Roger Bruderer sind alte Hasen im Billard, treiben den Sport schon seit weit über 30 Jahren. Und haben einige Sternstunden erlebt. So gehörte Bruderer vor gut 15 Jahren zu einem Vorarlberger Team, das die höchste österreichische Liga als Vizemeister abgeschlossen hat. Rohner hat 2023 die Liechtenstein Open gewonnen, als Einzelspieler, «da hatte ich meinen Moment», sagt er. Doch er mochte es nicht besonders, alleine unterwegs zu sein.
Hier liegt ein weiterer grosser Unterschied zwischen Österreich und der Schweiz: Im Nachbarland gibt es mehr Möglichkeiten für Teams.
«Wir könnten mit den Besten mithalten»
Rohner, Bruderer, Eugster und Steiner sind keine Jungspunde. Sie haben im Billard viel erlebt und schätzen es nun, ohne Druck als Team anzutreten. Er sagt:
Das Soziale kommt in der Schweiz viel zu kurz, es gibt fast nur Einzelturniere.
Sein Team geniesse aber besonders die Momente als Gruppe; die gemeinsamen Reisen an die Auswärtsspiele, die Begegnungen mit Gleichgesinnten, die Abendessen, und, ja, auch den Ausgang. In der letzten Runde spielten sie beim BC Saustall Fieberbrunn, wo der gemütliche Teil danach ebenso zelebriert wird wie das Spiel selbst.

Nach Fieberbrunn ging es weiter nach Taxenbach, das im Salzburgerland liegt. Die Reisen haben es in sich, sind nicht kurz. «Sie sind jedoch kein Problem, weil wir so unsere Leidenschaft leben», sagt Marco Eugster. Wer auf hohem Niveau spielen will, muss reisen – und die vier wollen die Besten herausfordern. In der Profiliga spielen sie nicht, aber direkt darunter. Und sie holen gegen Spieler, die in der Einzelrangliste viel besser platziert sind, regelmässig gute Resultate. «Das zeigt uns: Wir können mit den Besten mithalten. Wir haben nur die Möglichkeit dazu nicht, weil wir alle arbeiten und keine Profis sind», sagt Patrick Rohner, der beruflich oft auf Kilbis in der ganzen Schweiz unterwegs ist.
Billardtraining ist nicht viel anders als Fussballtraining
Eine Spielrunde in der ABL besteht aus zwei Doppel- und vier Einzelspielen in vier Disziplinen. Sie heissen etwa 8-Ball oder 14/1 und sind teils stark unterschiedlich. Das könne, ja, müsse man trainieren, so Rohner.
Ich muss acht bis zehn Stunden pro Woche am Tisch stehen, damit ich mithalten kann.
Meist trainiert er alleine – an den gemeinsamen Trainings geht es jeweils vor allem darum, sich Strategien für die nächste Runde zurechtzulegen.

Ein Billardtraining sieht ähnlich aus wie ein Fussballtraining: «Zuerst wärmen wir auf, danach machen wir verschiedene Spielformen und zum Schluss spielen wir einfach», sagt Marco Eugster. Im Aufwärmen gehe es darum, einfache Bälle zu schlagen, das Gefühl für Kugel, Tisch und Queue zu bekommen. Per Spielform werden verschiedene Situationen geübt, die in Spielen vorkommen können. Und zum Schluss folgt der Spassteil.
Ein Grossteil des Sports spielt sich im Kopf ab
Billard ist durchaus anspruchsvoll: Die Körperhaltung ist wichtig, die Stosstechnik, die Position am Tisch. Und es gibt weitere Herausforderungen: Patrick Rohners 16-jähriger Sohn Nico stellte fest, er müsse wegen seines Wachstums neu anders am Tisch stehen und brauche einen neuen Queue. Um solche Fragen dreht sich Billard, einen Athletenkörper braucht es dafür aber nicht.
«Billard kann man ein Leben lang spielen», sagt Roger Bruderer. Und weist dann auf einen zentralen Aspekt hin:
Etwa 80 Prozent des Spiels entscheidet sich im Kopf.
Die Spieler müssen alle Varianten kennen, müssen einen Schritt vorausdenken können und dabei stets «die ruhige Hand eines Konzertpianisten» haben, wie es einst Albert Einstein formulierte. Genau diese Kombination bereitet Rohner, Bruderer und Co. so viel Freude, dass sie regelmässig kreuz und quer durch Österreich reisen.
Die Kugeln stets fest im Visier, auch wenn es gegen Profis geht