Christlich 16.07.2023

Die Selfie-Kultur führt dazu, selbst der Mittelpunkt des Universums sein zu wollen

Kürzlich waren wir in einem ­Hotel mit wunderschöner Gartenanlage inklusive Schwimmteich inmitten einer beeindruckenden Bergwelt.

Von Marcel Wildi
aktualisiert am 16.07.2023

Dabei fiel uns eine Familie auf. Mutter und Tochter waren von früh bis spät unterwegs, um alle paar Meter Selfies in Pose zu machen. Mal am Esstisch, mal im Liegestuhl, mal mit einem Strauch oder einer Blume im Hintergrund. Aber immer war die eigene Person im Vordergrund.

Ich bin der Mittelpunkt des Universums. Und das muss ich im Internet allen zeigen. Selbstinszenierung in den Medien ist für viele Promis und oft auch Politikerinnen wie Politiker wichtiger als Inhalte. Meine Bedürfnisse stehen im Zentrum der Welt.

Mein Wille muss geschehen

Dabei hat die Fokussierung auf das eigene Ich in unserer Gesellschaft viele ne­gative Folgen: Diskriminierung, Ausbeutung, Neid, Stress, Umweltzerstörung, Rücksichtslosigkeit, Einsamkeit oder Krieg. Die Konzentration auf das eigene Ego entfremdet uns von allem: von Gott, unserer Lebensquelle, von unseren Mitmenschen, von der Natur, unserer Lebensgrundlage.

Denn wir Menschen existieren seit jeher nicht als Individuen, sondern in grösseren Zusammenhängen. «Sünde», also «Zielverfehlung», nennt die Bibel diesen Zustand der Entfremdung. Und sie empfiehlt uns zwei Gegenmittel gegen diese zutiefst menschliche Seuche; das erste ist die Rückbesinnung auf Gott, der ausserhalb von Raum und Zeit steht.

Eine umfassendere Perspektive einnehmen

Nur er kann mich von meiner Fixierung auf mich selbst befreien. In der Bindung an ihn stehen nicht mehr mein Ego und meine Wünsche im Zentrum, sondern er, seine Werte und auch meine Umgebung. Damit wird meine Perspektive eine umfassendere.

Und das wird konkret sichtbar im zweiten Gegenmittel, einem bedeutungsvollen Wort. Über 70-mal kommt es im Neuen Testament vor: «einander». Zwar stellt der Duden fest, dass dieses Wort nicht mehr häufig gebraucht wird; das ändert aber nichts daran, dass es für unsere Gesellschaft extrem wichtig wäre.

«Einander» bedeutet, dass wir nicht wie bei einem Kreis nur unsere eigenen Wünsche ins Zentrum stellen und sich alles andere darum drehen muss. «Einander» bedeutet vielmehr, dass die Bedürfnisse und Aufgaben von mir und den anderen die beiden Brennpunkte einer gemeinsamen Ellipse bilden.

Selfie? Nein Danke!

Wenn wir alle auf das Miteinander und Füreinander achten, dann geht es allen gut. Das wäre doch ein wirklich hilfreiches Leitmotiv für unser Leben und Zusammenleben in der Familie, im Dorf, im Land, in der Politik oder in der Firma. Darum meine ich: Selfie? Nein danke!