06.03.2018

Eifrig, aber unwillkommen

Mergim Ahmeti möchte Schweizer werden. Der Montlinger Einbürgerungsrat ist dagegen. Der 22-jährige Kosovare sei im Dorf zu wenig integriert, lautet die Begründung.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererMergim Ahmeti, den die Kollegen Gimi nennen, kam in Altstätten zur Welt und ist in Montlingen aufgewachsen. Seine Eltern sind seit drei Jahrzehnten in der Schweiz, haben hier immer bescheiden gelebt und gearbeitet, der Vater als Maurer, die Mutter als Reinigungskraft. Auf Unterstützung war die fünfköpfige Familie nie angewiesen.Alle Kinder – beide Töchter und der Sohn – haben die kaufmännische Lehre gemacht. Mergim Ahmetis jüngere Schwester hat nun die Berufsmaturität im Sinn. Er selbst ist nach einer ersten Beförderung als Spezialist Einkauf (zuvor Sachbearbeiter Einkauf) zuständig für die Vertrags- und Stammdatenkontrolle und betreut kleinere Projekte. Nebenbei besucht er die Höhere Fachschule in Weinfelden, um sich im dreijährigen Lehrgang zum diplomierten Betriebswirtschafter ausbilden zu lassen.«Wenn nur alle so wären»Der Entscheid des Montlinger Einbürgerungsrates lese sich wie der Bericht über einen Musterschüler, schreibt der «Beobachter». Über Mergim Ahmeti ist nirgendwo etwas Negatives vermerkt – weder im Zentralstrafregister noch bei der Polizei, weder beim Migrationsamt noch beim Betreibungs- oder Steueramt. Nicht einmal eine Verkehrsbusse könnte dem jungen Mann zur Last gelegt werden. Und seine Zahlungsmoral ist mustergültig.Von zwei unmittelbaren Nachbarn sagt der eine, Tobias Haltiner, er wüsste über Mergim Ahmeti nichts Negatives zu sagen. Bei ihm im Laden habe er mal einen Töff gekauft, alles sei einwandfrei abgelaufen, das Verhalten des Gesuchstellers in keiner Weise auffällig.Die Nachbarin auf der anderen Seite, Brigitte Herrsche, beantwortet die Frage, ob Mergim Ahmeti jemals unschön aufgefallen sei, spontan und erstaunt mit einem langgezogenen «Nei». Die ganze Familie sei sehr freundlich und angenehm, der junge Mann ein «toller Kerli». Die Nachbarin sagt sogar: «Wenn nur alle so wären.»«Integration schwach vorhanden»Der vom Oberrieter Gemeindepräsidenten Rolf Huber präsidierte Einbürgerungsrat, der den 22-jährigen Kosovaren aufgrund eines Gesprächs kennengelernt hat, hält im abschlägigen Einbürgerungsentscheid fest: «Die Integration im Dorf ist schwach vorhanden.» Mergim Ahmeti bemühe sich zu wenig, sich voll und ganz im Dorf zu integrieren.«Beispielsweise», heisst es weiter, «kennt er die Restaurants in Montlingen nicht, obwohl er dort aufgewachsen ist. Diverse Restaurants liegen im Zentrum und befinden sich auf dem Schulweg.» Tatsächlich sei ihm beim Gespräch mit dem Einbürgerungsrat nur der «Hirschen» eingefallen, sagt der 22-Jährige, der sich gepflegt auszudrücken versteht. Er sei zwar in allen Restaurants schon gewesen, sogar schon im «Schwamm», sei aber jemand, der grundsätzlich kaum einkehre.Das hat mehrere Gründe. Mergim Ahmeti schätzt den privaten Rahmen bei Treffen mit seinen Kollegen und trinkt keinen Alkohol. Mit der Religion, dem Islam, habe das nichts zu tun. Vielmehr sei er gesundheitsbewusst. Er joggt, schwimmt, hält sich fit. Sieben Jahre lang war er im Fussballclub. An gesellschaftlichen Anlässen nehme er öfter und gern teil, beispielsweise sei er jeweils an der Kilbi oder am Montlinger Sommernachtsfest «Rock am Fels».Oberstufenlehrer Peter Vetsch, der drei Jahre Mergims Klassenlehrer war, hat seinen Schüler «positiv erlebt», er sei «voll in die Klasse integriert» gewesen. Mergim Ahmeti sei ein «gmögiger, hilfsbereiter Schüler gewesen». Sei es ums Aufräumen gegangen, habe er stets mitgeholfen. Auch am allerletzten Schultag, als manche sich schonten, habe Mergim Ahmeti tüchtig angepackt.Einer, der weiss, was er willAnders als die Einbürgerungskommission, die Ahmetis Bildungslücke bei den einheimischen Beizen bemängelt, hebt Lehrer Vetsch als beeindruckenden Umstand hervor, dass sein ehemaliger Schüler keinen Alkohol trank. Mergim Ahmeti selbst sagt hierzu heute: «Es fällt nicht auf, wer Alkohol trinkt, sondern wer darauf verzichtet.»Mergim Ahmeti ist zielstrebig. Er weiss, was er will. Gute Ausbildung, guten Job, Kaderposition.Neben Arbeit, Sport und Lernen bleibt kaum Zeit für anderes, auch weil der Arbeitsort im Kanton Thurgau liegt. Irgendwo müsse er Abstriche machen, sagt der 22-Jährige, was Gemeindepräsident Rolf Huber mit einer Aussage quittiert haben soll, die Mergim Ahmeti befremdet. Nur zu arbeiten und nie in den Ausgang zu können – was denn das für eine Lebensqualität sei, soll Huber gefragt haben.Huber, damit konfrontiert, sieht gleich im Protokoll nach und verneint schliesslich, dass bei der (laut Protokoll 35-minütigen Befragung) des Gesuchstellers eine solche Bemerkung gefallen sei. Während Lehrer Peter Vetsch sich schwer vorstellen kann, was der Einbürgerungsrat Bedeutsames zu beanstanden haben könnte, erwähnt Mergim Ahmeti, er habe bei der Befragung das Gefühl gehabt, der Einbürgerungsrat habe regelrecht nach Argumenten gegen ihn gesucht.«Es gab viele Fragen zu Region und Dorf»Zum Vorwurf, dem jungen Mann seien nicht mal die Beizen des Wohndorfs bekannt, schreibt der «Beobachter»: «Gemeindepräsident Rolf Huber dürfte die Restaurants besser kennen. Er, der auch schon mal an der Oberrieter Chilbi aus dem Festzelt des Ringerklubs geworfen wurde.»Huber scheint es gelassen zu nehmen, dass der «Beobachter» etwas gar scharf gegen ihn «geschossen hat» und sagt, jetzt werde alles an der Frage zu den Beizen festgemacht. Es habe sich dabei aber um lediglich eine von vielen Fragen gehandelt. Der Einbürgerungsrat habe in dem Gespräch geprüft, ob Mergim Ahmeti die Region und das Dorf vertraut seien, ob er sich hier auskenne.So viel könne er sagen, sagt Huber, mehr nicht, weil Mergim Ahmeti Rekurs eingereicht habe und es sich nun um ein laufendes Verfahrend handle.Was in Gesprächen mit Montlingern zweimal geäussert wird, ist die Möglichkeit der Doppelbürgerschaft. Würde Mergim Ahmeti eingebürgert, könnte er jene des Kosovos trotzdem behalten. Das stört manche, aber eine rechtliche Gegebenheit sei nicht dem Gesuchsteller anzulasten, bemerkt jemand.Mergim Ahmeti äussert sich im gleichen Sinn und sagt: «Müsste ich mich für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden, wäre es die Schweizer Bürgerschaft.» Für ihn ist dieses Land, in dem er aufgewachsen ist, die Heimat.