04.12.2018

Ein Rennfahrer, der «Luft verkaufte»

Er inszenierte sich in Imagefilmen als Autorennfahrer und erfolgreicher Sportmanager – und nahm Anlegern Millionen ab. Jetzt steht A. G., der in Altstätten lebte und seit drei Jahren im Gefängnis sitzt, in Altstätten vor dem Kreisgericht Rheintal.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDer gelernte Automechaniker wollte hoch hinaus. Nach einer Vorstrafe wegen Urkunden- und anderer Delikte im Jahr 2009 sowie einer zweiten Vorstrafe wegen Veruntreuung drückte der Hobby-Rennfahrer als vermeintlicher Finanzexperte so richtig das Gaspedal durch. Sinnbildlich, aber auch als stolzer Fahrer eines Maserati. Er lockte Anleger mit sogenannten Darlehensbeteiligungsverträgen, mit Interbankenhandel und Renditen bis zu 36 Prozent, obendrein mit Rückzahlungsgarantie. Seine Firma Macom hatte Niederlassungen in England, Italien und der Schweiz.Schneeballsystem aufgezogenVor Gericht gab der 40-Jährige an, er habe das Geld anfangs in Immobiliengeschäfte investieren wollen und das auch versucht, es sei jedoch misslungen und die Sache «nahm nicht den richtigen Lauf». Zu betrügen, sei ihm fern gelegen. Vielmehr sei «ein Loch entstanden, wo Geld fehlte» – und statt aufzuhören, habe er geglaubt, eine Lösung zu finden. Die Differenz zwischen eingenommenen Geldern von Anlegern und getätigten Rückzahlungen lag bald bei 6,6 Mio. Euro.Das Geld der Anleger verwendete der Mann, der bis Anfang 2015 am Porsche GT3 Cup teilnahm und dafür pro Saison eine halbe Million Euro benötigt haben dürfte, einerseits für sich selbst, andererseits dazu, «die Struktur aufrechtzuerhalten».Sein Schneeballsystem, lässt sich auch sagen.Er selbst räumte ein: «Vielleicht muss ich anerkennen, dass es in diesen Bereich geht. Ich muss akzeptieren, dass man es Schneeballsystem nennen kann.» Als A. G. im Dezember 2015 im Raum Buchs verhaftet wurde, waren keine Vermögenswerte vorhanden.Aus 20000 Franken wurden 10 MillionenIm März 2016 berichtete Spiegel TV über den Fall. Eines der Opfer, das im Filmbeitrag zu Wort kommt, ist ein Liechtensteiner Ingenieur, der nun auch den Prozess mitverfolgt. A. G. soll das erfolgreiche Start-up-Unternehmen des Liechtensteiners mit buchhalterischem Geschick ergaunert haben. A. G. wandelte eine GmbH mit 20000 Franken Stammkapital in die (inzwischen liquidierte) Aktiengesellschaft go!nnovate Swiss Holding AG um, deren Stammkapital in wundersamer Weise auf 10 Millionen Franken hochschnellte.Doch der Angeklagte will sich keinerlei betrügerischen Ver­haltens bewusst sein, sondern schreibt den unheilvollen Verlauf der Dinge eigener Naivität zu. Obschon Geschäftsführer der Gesellschaft, will A. G. zwar Papiere, bei denen es um viel Geld ging, unterschrieben, aber nicht Bescheid gewusst haben. Sein Fehler habe darin bestanden, unvorsichtig gewesen zu sein und das ihm zur Unterschrift Vorgelegte nicht kontrolliert zu haben, sagte er vor Gericht. Nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig habe er gehandelt, lautet seine Darstellung sinngemäss.Bei den Aktien, die er verkaufte und die ihm eine weitere Million Euro einbrachten, habe er «ein gutes Gefühl» gehabt, weil das von ihm übernommene Start-up-Unternehmen Solarkollektoren entwickelte und somit etwas Handfestes hinter den Wertpapieren gestanden habe. Dass die Aktien dennoch kaum einen Wert hatten, will der Angeklagte nicht geglaubt haben. Seinen Hinweis, es habe auch keine Bank die Transaktionen verweigert oder die Aktien als wertlos bezeichnet, konterte der Staatsanwalt unter anderem mit dem Hinweis auf die Geldwäscherei-Meldung einer Rheintaler Regionalbank. Diese «hat gesehen, dass Sie Luft verkaufen», wandte sich der Staatsanwalt an den Angeklagten.Gemäss Anklageschrift soll A. G. auch insofern dreist vorgegangen sein, als er Verträge zum Teil in Bankgebäuden und unter Einbezug eines Bankmitarbeiters abgeschlossen haben soll, der keiner war. Spiegel TV sprach von einem «dreisten Schurkenstück, aufgeführt mitten in einem Bankgebäude». Der Angeklagte widersprach solcher Darstellung, doch er anerkannte, dass es seinetwegen viele Geschädigte, viele Opfer gebe, was ihm «enorm leid» tue. Das Geld zurückzuzahlen, sei zwar nicht möglich, er habe jedoch die Verantwortung zu tragen und sitze «zu Recht im Gefängnis». Seine Inhaftierung bekam auch die Gattin zu spüren, eine Ukrainerin. Sie verlor ihren C-Ausweis und kehrte in ihre Heimat zurück, besucht den inhaftierten Ehemann aber regelmässig. Das Risiko, dass dieser «ins alte Fahrwasser zurückgerät, besteht definitiv nicht», wie er sagte. Seine Jahre im Gefängnis hätten ihn verstehen lassen, dass er «den absolut falschen Weg» beschritten habe.Nach vierstündiger Befragung des Angeklagten wurde die Verhandlung am frühen Montagnachmittag abgebrochen und auf den nächsten Morgen vertagt. Heute Dienstag kommen nun Staatsanwalt und Verteidiger ausführlich zu Wort.