25.09.2019

Eine Stadt auch fürs Auge

Zu knallfarbenen Werbeschirmen oder zugeklebten Fensterscheiben im Städtli sagt Altstätten Nein danke.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererOder weniger plakativ ausgedrückt: Seit dem Frühjahr hat Altstätten ein neues Beschriftungs- und Reklamereglement. Es hat den Zweck, einer Verschandelung des Ortsbildes entgegenzuwirken.Natürlich wird nicht nach der Holzhammermethode verfahren. Die Ortsbildkommission setzt vielmehr auf Einsicht. Es sei keinesfalls das Ziel, Betroffene zu vergraulen, sagt Stadtpräsident Ruedi Mattle.Stilvolle Sonnenschirme ohne knallige FarbenWas ist schön, was nicht? Auf diese Frage ist keine abschliessende Antwort möglich, denn selbstverständlich hängt sie von subjektiver Wahrnehmung ab.Dennoch besteht ein mutmasslich breiter Konsens darüber, was in einer Altstadt nichts zu suchen haben soll.Verständnis zeigen selbst Betroffene. Peter Schefer, Leiter Liegenschaften bei der Brauerei Schützengarten, sagt: So gern das Unternehmen seine knallig rot-gelben Sonnenschirme verwende, habe man doch auch Respekt vor der Umgebung. Die eigenen Werbeschirme würden somit nirgends aufgestellt, wo sie störend wirkten.Aus diesem Grund sind beim Restaurant Rathaus stilvolle beige Schirme anzutreffen, die mit der historischen Altstadtkulisse perfekt harmonieren. Vor der Eröffnung des Restaurants seien der Ortsbildkommission Tische, Stühle und überhaupt der ganze Aussenbereich gezeigt worden.Yusuf Ersan hatte schon andere TischeMocca-Inhaber Martin Romer hält von Einschränkungen, wie das neue Reglement sie gebracht hat, zwar nichts. Er selbst bleibt von den Vorschriften aber unbehelligt, weil sein eigener Geschmack mit dem der Ortsbildschützer im Wesentlichen übereinstimmt. Unabhängig von einem Reglement, sagt Romer, sei er interessiert daran, eine «schöne Beiz» zu haben.Das trifft genauso auf Sabrina Batt vom Frauenhof und vom Rathaus-Restaurant zu. Ihre Freude an stilvoller Eleganz geht so weit, dass selbst die Gläser weitestgehend frei von Werbung sind.Während Chromstahl in Altstättens Altstadtgassen unerwünscht ist, sind Holzeinrichtungen von Gartenrestaurants genauso willkommen wie schmiedeiserne Tische. Hochwertige, speziell gestaltete Kunststoffstühle kommen in Frage, billige Plastikstühle aber nicht.Yusuf Ersan, der neuerdings in Altstätten das Restaurant Isebähnli (ehemaliger «Gaiserbahnhof») betreibt, hatte für den Aussenbereich bereits Tische, als die Stadt ihm ihr Anliegen darlegte. Zunächst hatte er am Wunsch nach einer anderen Ausstattung zwar keine Freude, für das Begehren der Stadt aber auch ein gewisses Verständnis. Heute räumt Yusuf Ersan mit einem Lächeln ein, dass das letztlich verwendete Gartenbeiz-Mobiliar einen guten Gesamteindruck mache.Reklamen dürfen nicht blinken oder blendenDie Einsicht in die Notwendigkeit eines gepflegten Erscheinungsbildes erhofft sich die Stadt generell. Das neue Reglement schafft auch insofern klare Verhältnisse, als es verlangt, dass Beschriftungen und Reklamen an Gebäuden zusammen mit ihrer Umgebung eine harmonische und gute Gesamtwirkung erzeugen – in Bezug auf ihre Grösse, Form und Farbe.Nicht gestattet sind Werbeflächen und Reklamen, die retro-reflektieren, fluoreszieren, lumineszieren, blenden, blinken oder durch wechselnde Lichteffekte die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ebenso wenig sind Dachreklamen erlaubt oder werbende Aufschriften und Projektionen auf Strassen, Fahrbahnen, Trottoirs und Treppenaufgängen. Die vielen Verkehrsschilder im Städtli lassen sich zwar auch als Störfaktor erleben, doch den allergrössten Teil der Tafeln brauche es, und was es brauche, sei halt auch gut sichtbar anzubringen, heisst es.Dem Wildwuchs ein Ende setzenKünftig wird es darum gehen, einen Weg zu finden, der als das Ergebnis vieler einzelner Gespräche zu einer Aufwertung der Altstadt führt, wobei das Gewerbe selbstverständlich auch in Zukunft für sich werben können soll. Nur hat die Stadt eine Abkehr vom bislang grassierenden Wildwuchs und den Verzicht auf grelle Unverhältnismässigkeit im Sinn.Ein besonderes Ärgernis sind Stadtrat Daniel Schelling, der die Ortsbildkommission präsidiert, und seinem Amts- und Kommissionskollegen Toni Loher die vielen mit Werbeplakaten verklebten Fensterscheiben, durch die der Anblick einer schönen Fassade erheblich herabgesetzt werde.Das Bauamt prüft für die Kernzone, welche bewilligungspflichtigen Objekte tatsächlich bewilligt sind und welche nicht. In einem ersten Schritt werden die Liegenschaftsbesitzer der Kernzone angeschrieben und auf das Reglement und seine Bestimmungen aufmerksam gemacht.Kommission steht beratend zur SeiteDie Überzeugung Schellings, dass sich gute Kompromisse finden lassen, gründet auf seiner Erfahrung als Kommissionspräsident: In drei Jahren sei ein einziges Mal keine Lösung gefunden worden. Die Bereitschaft der Kommission, bei Gesamtprojekten die Unterstützung durch einen Architekten zu ermöglichen und bei Bedarf jederzeit beratend zur Seite zu stehen, begünstigte das erfolgreiche Wirken im Sinne zufriedenstellender Übereinkünfte.Schriftzüge, Reklamen, Aus-seneinrichtungen von Restaurants und alle anderen Objekte, die bereits bewilligt sind, bleiben zugelassen. Erst wenn irgendwann ihre Auswechslung bevorsteht, kommt das neue Reglement auch für sie zur Anwendung und sind allenfalls Anpassungen nötig.Ein grösseres Projekt als das bereits geltende Beschriftungs- und Reklamereglement ist die Schutzverordnung, die derzeit überarbeitet wird und in ungefähr einem Jahr öffentlich aufgelegt werden dürfte.