13.03.2019

Eltern stören sich an neuen Klassen

Alles wird neu für die Viertklässler. Schulleitung und Schulrat wollen die Kinder beim Übertritt in die Mittelstufe in neue Klassen einteilen. Dieser Entscheid verunsichert mehrere Eltern. Sie äussern ihre Bedenken.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelNeue Lehrperson und ein neues Schulzimmer sind üblich mit Beginn der vierten Klasse. Aber neue Schulkameraden? In einem Brief Anfang März an die Eltern kündete der Schulrat mit der geplanten Klassendurchmischung eine einschneidende Änderung an. Bei vielen Eltern löste das Schreiben Unsicherheit und Vorbehalte aus. Sie sei erschrocken, als sie den Brief mit der Information gelesen habe, sagt eine Mutter. Wieso müssen Klassen auseinandergerissen werden? Man nehme ihnen den Halt, wo doch die vierte Klasse bereits mit viel Neuem verbunden sei. Rasch bildete sich ein Gruppen-Chat, wo sich Eltern austauschten. Einige wandten sich schriftlich und telefonisch direkt an die Verantwortlichen der Schule.Emotionen ernst nehmenSchulpräsident Richard Dünser rechnete damit, dass der Entscheid zu Diskussionen führen wird. Deshalb hat er im Schreiben angeboten, bei Fragen zur Verfügung zu stehen. Rund ein Dutzend Eltern meldete sich, drei Elternpaare erschienen zum persönlichen Gespräch. Das Hauptanliegen der Eltern war klar: Sie befürchten, dass ihr Kind seine Gspänli verliert. Im Brief zur Klassendurchmischung vermissten sie zudem weiterführende Informationen. Nun möchte Richard Dünser mit dem Schulrat und den Schulleitungen klärend den pädagogischen Hintergrund der Schule darlegen und lud zu einem Elternabend ein, der heute Abend stattfindet. Von 300 Eltern haben sich 120 angemeldet. Diese Zahlen zeigen dem Schulpräsidenten, dass mehr als die Hälfte der Eltern neu zusammengesetzte Klassen ohne Einwände annehmen und der Schule vertrauen. Erstaunlich sei auch das Echo in einem Gruppen-Chat. Eine klare Mehrheit äusserte sich darin positiv gegenüber dem Vorhaben. Das mache deutlich, dass der überwiegende Teil der Eltern an die Arbeit der Schule glaubt. Soziale Medien wiederum bringen Meinungen schnell in Umlauf, neigen jedoch dazu, ein verzerrtes Stimmungsbild zu vermitteln. Gegenüber kritischen Elternstimmen meinen jene ohne Einwände, dass Klassen erneut getrennt werden, wenn die Kinder in die Oberstufe eintreten. Meist hätten die Kinder weniger Mühe mit solch einem Entscheid als die Eltern, sagt eine Mutter selbstkritisch.Sozialkompetenz trainieren Betreffend den Bedenken, dass Freundschaften auf dem Spiel stehen, konnte Richard Dünser manche Eltern bereits beruhigen. Mit der geografischen Konzentration der Schulen in der Dorfmitte arbeite man seit Jahren daran, den Kindern den Austausch mit ihren Gspänli zu erleichtern. Ab der vierten Klasse besuchen erstmals alle Gleichaltrigen der Gemeinde im selben Schulhaus (Wyden) den Unterricht. Dabei komme es zu mehreren Berührungspunkten unter den Schülern, auf dem Schulweg, auf dem Pausenplatz und nach Schulschluss. Die Kinder seien durchaus in der Lage, bestehende Freundschaften weiter zu pflegen, können aber auch neue dazugewinnen. Der Entscheid ist kein SchnellschussDas Thema, die Klassen zu durchmischen, ist in Widnau nicht neu. Bereits vor zwei Jahren wurde dieser Modus beim Übertritt vom Kindergarten in die erste Klasse eingeführt. «Mit Erfolg», sagt Richard Dünser. Erfahrungen von Schulleitern und Klassenlehrpersonen zeigten, dass Klassen ausgewogener sind, was sich positiv auf die Entwicklung und die Sozialkompetenz der Kinder auswirken würde. Zur Ausgewogenheit gehört, dass in einer Klasse etwa gleich viele Mädchen wie Jungen sein sollen, es wird Rücksicht auf die soziale Herkunft und Sprachvielfalt der Kinder genommen sowie auf die Leistungsfähigkeit, sagt Richard Dünser. Kürzlich beantragten die Schulleitungen beim Schulrat, die Klassen künftig beim Übertritt in die vierte Klasse neu zu bilden. Nach umfassenden Informationen stimmte der Schulrat diesem Antrag einstimmig zu. Obwohl während internen Gesprächen auch skeptische Stimmen aus der Lehrerschaft zu hören waren. Sie wiesen auf die emotionalen Diskussionen hin, die unter den Eltern entstehen könnten, was nun passiert ist. Doch gemäss Richard Dünser überwogen die Vorteile und die Schule möchte sich in einer Vorreiterrolle an eine weitsichtige Massnahme wagen. «Dabei verlassen wir uns auf die Empfehlung von erfahrenen Pädagogen.» Gespannt auf die KlasseneinteilungAuch wenn gewisse Vorbehalte entschärft worden seien, sagt eine Mutter, sie erwarte gespannt den Elternabend. Sie hofft, dass Lehrpersonen in die neuen Klasseneinteilungen einbezogen sind, da sie die Kinder und Klassendynamik bestens kennen und Rücksicht auf Freundschaften nehmen könnten. «Hauptsache, es wird nicht ausgelost.»Es sind gar Gerüchte im Umlauf, ein Computersystem würde die Namen der Kinder zufällig in neue Klassen einteilen. Dem sei definitiv nicht so, sagt Richard Dünser. «Die Lehrpersonen und die Schulsozialarbeit sind selbstverständlich stark in diesen Prozess mit eingebunden.» Doch wer mit wem in die neue Klasse kommt, entscheidet schliesslich der Schulleiter, der die Gesamtübersicht über alle Klassen hat.Der Einfluss der Eltern ist massgebendNun sei die Haltung der Eltern entscheidend, wie sie ihren Kindern die Information der Klassendurchmischung vermitteln, sagt der Schulpräsident. «Denn die Haltung der Eltern überträgt sich unmittelbar auf das Kind.»Richard Dünser appelliert folglich an eine positive Grundeinstellung, was eine Kernbotschaft am Elternabend sein wird. Er schaut dem Austausch zuversichtlich entgegen. Er begrüsst es, wenn sich Eltern auch kritisch melden. «Dann können wir gemeinsam Klarheit schaffen.»