30.10.2020

Erste Pedaltritte und grosse Erfolge

Die Bikemarke Felt, mit der die Rheintaler Profis Litscher, Neff und Vitzthum gross geworden sind, wird nicht mehr hergestellt.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Die kalifornische Firma Felt, seit drei Jahren im Besitz von Rossi­gnol, zieht sich aus dem Mountainbike-Segment zurück. Auf seiner Website teilt das Unternehmen mit, dass es ab 2021 keine Mountainbikes mehr baut. Felt konzentriert sich auf die Entwicklung und Herstellung von Renn- und Triathlonvelos. Dem 25-jährigen Rheinecker Simon Vitzthum wird das Velo weggenommen: Der Schweizer Meister in der Bahndisziplin Scratch fährt seit dieser Saison nämlich fürs Team jb-Brunex Felt. Der 31-jährige Thaler Thomas Litscher feierte seine grössten Erfolge mit einem Felt-Bike: den U23-WM-Titel 2011 und WM-Bronze in der Elite 2017. Felt ist auch die Marke, mit der das frühere Nachwuchsteam Signer gefahren war. Der Thaler Talentschmiede entstammen al­le drei Mountainbike-Profis der Region, nebst Vitzthum und Litscher ist dies Jolanda Neff. Die 27-jährige Thalerin, inzwischen Weltmeisterin (2017) und dreifache Gesamtweltcupsiegerin, hat ihre ersten Erfolge im damaligen Swisspower-Cup ebenfalls mit der Marke Felt gefeiert.Erste Pedaltritte von Neff, Litscher und VitzthumDie drei Rheintaler Bikeprofis hätten ihren Weg wohl auch mit einem anderen Bike gemacht, aber alle machten ihre ersten Pedaltritte auf einem Zweirad der Marke Felt.Als Thomas Litscher vor neun Jahren in Champéry VS mit grossem Vorsprung U23-­Weltmeister wurde, trug er sein Felt-Bike über die Ziellinie und präsentierte es damit prominent den Fotografen im Ziel. Auch auf dem Siegerbild mit seinen Fans hat er einen Felt-Rahmen dabei. Sechs Jahre später wurde er in Cairns (Australien) überraschend WM-Dritter. Mit diesem Erfolg rettete der damalige Fahrer des Teams jb-Brunex Felt nach mageren Jahren seine Karriere, die immer noch anhält.Seit zwei Jahren fährt Litscher fürs französische Team KMC-Orbea. Der Rückzug von Felt beschäftigt ihn daher höchstens am Rande. Mit der Firma hatte er nie persönlichen Kontakt gehabt. «Ich hatte eine gute Zeit mit Felt», sagt er: «Ruhe in Frieden, Felt!»Felt-Fahrer Simon Vitzthum (rechts) sprintet vor einer Woche am Swiss Bike Cup gegen Vital Albin zum Sieg. Eine Träne verdrückt dagegen Simon Vitzthum, denn er fährt seit dieser Saison beim Team jb-Brunex-Felt und damit ein Produkt der kalifornischen Marke. Er bedauert den Rückzug von Felt, denn sein Vertrag ist auch 2021 noch gültig. Vitzthum sagt: «Ich bin optimistisch, dass ich nächstes Jahr wieder ein gutes Bike erhalte.» Im Team jb-Brunex-Felt, einem Nachwuchsteam aus dem Aargau, das seit drei Jahren (im Zuge von Litschers WM-Medaille) Weltcup-Status besitzt, ist das Bedauern gross. Lisa und Joe Broder haben dieses Team im Jahr 2011 aufgebaut, von Anfang an mit Bikes der Marke Felt. «Wir waren immer sehr zufrieden mit den Felt-Bikes», sagt Lisa Broder. Die Bikes seien sehr robust gewesen: «Einen Defekt am Rahmen gab es höchstens nach Stürzen.» Den in der Bike­szene verbreiteten Spott, wonach Felt der «Traktor unter den Mountainbikes» gewesen sei, teilt sie nicht: «Felt baute auch leichte Bikes, das letzte Fully (vollgefedertes Bike) wog nicht mal zehn Kilo.»Zu jb-Brunex gehören zehn Mountainbikerinnen und -biker. Nebst Vitzthum feierten 2020 die Juniorinnen Elisa Alvarez und Annika Liehner sowie Jaqueline Schneebeli (U23) und die Deutsche Nina Benz (U23) nationale Meistertitel. Den grössten Erfolg feierte am letzten Sonntag Ramona Forchini, die im Marathon Elite-Weltmeisterin wurde. Für die Toggenburgerin war es ein grossartiger ­Abschluss einer quälenden Saison – sie litt an einem hartnäckigen Infekt, zeigte aber bereits eine Woche vor dem WM-Titel mit dem zwölften Platz an der Cross-Country-EM, dass sie sich davon erholt hat.Simon Vitzthum & Co. erhalten ein anderes BikeDie gute Nachricht für diese Sportlerinnen und Sportler: Das Team jb-Brunex geht auch nächste Saison mit grossen Ambitionen an den Start. Denn alle anderen namhaften Sponsoren bleiben dem Team erhalten. Ein neuer Sponsor für die Velos ist auch gefunden – die um diese Jahreszeit branchenübliche Geheimniskrämerei verhindert es aber, mehr zu sagen, als dass es sich dabei um einen europäischen Hersteller handelt.Die Geschichte der scheidenden Marke Felt, die ausser im Mountainbike weiter existent ist, begann in den 1980er-Jahren: Jim Felt, selbst ein Triathlet, baute für den Motocrosser Johnny O’Mara zu Trainingszwecken ein Triathlon-Velo. Bald wurden Triathleten auf die aerodynamisch optimierten Zweiräder aufmerksam. Der Durchbruch zur etablierten Marke gelang Felt, als Paula Newby-Fraser 1991 den Kona Ironman gewonnen hatte. Die damals 16-jährige Jolanda Neff fährt 2009 am Swisspower-Cup in Chur mit Felt.