Der Ausverkauf hat begonnen. «30 Prozent auf alles» steht auf einer Tafel vor dem Eingang des Fachgeschäfts für Inneneinrichtung. Seit Ivo Eggenberger die Schliessung des Geschäfts per Ende Juni bekannt gegeben hat, strömt die Kundschaft zahlreich zur Tür herein. Die Reaktionen bewegen ihn: «Viele bedauern den Entscheid», sagt der 47-Jährige. Das Geschäft wurde 1972 von seinem Vater Matthias Eggenberger in Rheineck aufgebaut. Später folgte der Umzug nach Widnau und seit 2001 ist der Standort in Balgach. «eWohnen» versteht sich als Gesamtanbieter: Im Schaufenster sind Betten und Möbel ausgestellt, es gehören Dienstleistungen einer Näherei und Bodenlegerarbeiten zum Angebot, ebenso eine Auswahl an Accessoires und eine Teppichausstellung.
Als Bub begleitete Ivo Eggenberger seinen Vater oft ins Geschäft. Später beschritt er denselben beruflichen Weg und absolvierte die Ausbildung zum Innendekorateur. Nun führt er das Familienunternehmen in zweiter Generation zu Ende. Persönliche und wirtschaftliche Gründe haben ihn zum Rückzug bewogen.
Onlinehandel macht es Fachgeschäften schwer
Es ist schwierig, ein Geschäft in dieser Form in die Zukunft zu führen. Ivo Eggenberger erwähnt die Personalfrage. Fachwissen sei gesucht, Flexibilität und Vielseitigkeit gefragt. Der Markt verändert sich, Geschäfte spezialisieren sich. Weiter lösen Online-Angebote Preisdruck und Rabattschlachten aus.
Viele glauben, bei uns sei alles teurer. Dabei sind wir oft günstiger und bieten erst noch Beratung und Service.
Die treue Stammkundschaft sei für den Betrieb stets zentral gewesen.
Der Geschäftsraum bleibt auch nach der Schliessung im Familienbesitz. Ein Teil davon wird zur Miete ausgeschrieben, eine Fläche bleibt erhalten für die Orientteppich-Ausstellung. «Ich habe meinem Vater, der vor zehn Jahren gestorben ist, versprochen, die Auswahl an Orientteppichen zu behalten.» Ein grosser Teil stammt aus Matthias Eggenbergers Sammlung. Dieses Stück persische Kultur bewahrt und präsentiert der Sohn weiterhin. «Das ist eine Herzensangelegenheit. Und eine Verbindung zum Vater», sagt Ivo Eggenberger.
Die Bodenbelagsarbeiten werden weitergeführt von einem Familienunternehmen aus dem Toggenburg. Die Fachleute übernehmen die Kundenkartei und führen Aufträge aus. Für die Näherei wurde bisher keine Nachfolge gefunden.
Privat hat für Familie Eggenberger bereits im Sommer 2023 ein neues Kapitel begonnen. Ivo Eggenberger und seine Frau Patricia sind mit den drei Kindern Max, Fay und Tom nach Silvaplana gezogen. Alle drei fahren mit Talent und Erfolg Ski. Die vergangene Saison verlief hervorragend. Sie haben in ihrer jeweiligen Kategorie die Gesamtwertung des Engadin Ski Cups, einer Serie von Skirennen, gewonnen.
Vom Engadin ins Rheintal und zurück
Ivo Eggenberger wurde zum Pendler über den Julierpass. An vier Wochentagen arbeitet er im Geschäft im Rheintal. Mittwochs ist er im Büro zu Hause in Silvaplana und verbringt den Nachmittag sportlich mit den Kindern. An den Wochenenden stehen während der Saison Skirennen und Trainings auf dem Programm. Das ist mit grossem organisatorischen Aufwand verbunden.
Die langen Autofahrten fallen Ivo Eggenberger zunehmend schwer. Abende im Rheintal verbringt er in Vereinen – er ist im Turnverein Balgach und im Rotary Club aktiv – und trifft sich zwischendurch mit Kollegen. Zugleich fehlt ihm Zeit, die er zu Hause in Silvaplana verbringen möchte.
Anfang Jahr kündeten sich Veränderungen im Team an. Die Verantwortliche des Vorhangateliers blickt Mutterfreuden entgegen, die zwei Lernenden ziehen nach dem Lehrabschluss weiter, ein Mitarbeiter ergreift eine Herausforderung im Militär. Ivo Eggenberger sagt:
Als hätte es so kommen müssen, dass sich neue Chancen und Wege im Engadin eröffnen.
Er windet seinen Mitarbeitenden ein Kränzchen. Er dürfe sich auf sie verlassen, sie setzen sich ein und erledigen vieles in Eigenregie. Gemeinsam mit ihnen sieht er einer geordneten Schliessung entgegen. Die Kinder sind traurig über das Ende des Geschäfts. Sie verbrachten viele Nachmittage im Laden. «Aber jetzt ist der Zeitpunkt richtig», sagt Eggenberger. Mit seiner Frau hat er bereits eine neue Firma gegründet. Perspektiven sieht er im Immobilienbereich oder im Sport- und Skischulwesen.
Engagement bleibt, aber mit anderen Schwerpunkten
Ganz vom Rheintal verabschiedet sich Ivo Eggenberger nicht. Montags pendelt er weiterhin für Geschäftliches und Ehrenamtliches ins Rheintal. Er übernimmt nächstes Jahr das Programmpräsidium des Rotary Clubs Rheintal. Auch die Kontakte zu seiner Mutter, zu Freunden, Paten der Kinder und Weggefährten will er pflegen.
Der Unternehmer war in verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gremien aktiv. Im Schulrat der Oberstufe Mittelrheintal oder in der Geschäftsprüfungskommission von Au-Heerbrugg. Auch im Engadin interessiert er sich für gesellschaftliche Themen, aber mit reduzierter Intensität.
Die Familie hat nun Priorität – auf und neben den Pisten. Ivo Eggenberger ist Material- und Serviceverantwortlicher der Kinder, seine Frau Patricia, erfahren im Reitsport, kümmert sich um organisatorische Belange. Ob eine Profikarriere im Skisport für Max (11), Fay (10) und Tom (9) realistisch ist, zeigt sich im Alter von 16, 17 Jahren. «Sie sind auf gutem Weg, aber der Weg ist noch lang», sagt Ivo Eggenberger. In Silvaplana wohnen sie nah bei der Corvatsch-Seilbahn, die Wege ins Training sind kurz. Die Eltern sind sich einig: Solange die Kinder Freude am Skisport haben, wollen sie ihnen die nötigen Chancen bieten.
Räumungsverkauf bis 30. Juni bei eWohnen am Schwalbenweg 2 in Balgach.
www.ewohnen.ch
Familienbetrieb eWohnen schliesst nach 50 Jahren: Laden räumen für ein neues Kapitel