15.02.2018

Fehr hat sich privat geäussert

Der scheidende Schulpräsident Hugo Fehr hat einen der beiden Kandidaten, die seine Nachfolge antreten möchten, zur Wahl empfohlen. Das hat zu Kritik geführt.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererHugo Fehr hat unter dem Titel «Ich wähle Richard Dünser» diesen Kandidaten zur Wahl empfohlen. Er hat seinen Meinungsbeitrag in der Ich-Form geschrieben und am Ende nicht nur den eigenen Namen gesetzt, sondern auch seine amtliche Funktion (Schulpräsident und Gemeinderat Widnau) genannt.Fehrs Leserbrief hat zu kritischen Stimmen geführt. Auch an ihn selbst, räumt er ein, sei Kritik «herangetragen worden». Er sagt, obschon er nur sein persönliches Anliegen vorgebracht und nicht etwa den Schulrat vertreten habe, hätte er auf seine Meinungsäusserung in der gewählten Form wohl besser verzichtet. Er sei sich keines Problems bewusst gewesen, sagt er, und fügt hinzu: «Wirklich nicht. Sonst hätte ich es nicht gemacht.» Die Frage ist nun aber: Ist die Sache wirklich ein Problem?Hans Frei war «schockiert»Hans Frei aus Diepoldsau, Rechtsanwalt und ehemaliger Präsident der Rechtspflegekommission des Kantonsrats, hat die Wahlempfehlung Hugo Fehrs «schockiert», weil dem Namen die amtliche Funktion des Autors beigefügt war. Nach herrschender Lehre und höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine solche Wahlempfehlung gesetzeswidrig, schreibt der Jurist. Hätte Fehr sein Amt hingegen nicht erwähnt, sondern unter den Leserbrief nur seinen Namen und die Privatadresse gesetzt, wäre die Wahlempfehlung aus Sicht von Hans Frei zulässig gewesen.Amt für Gemeinden: Privatmeinung zulässigDas Amt für Gemeinden äussert sich zum Thema so: Die Meinungsäusserung eines Behördenmitglieds im Zusammenhang mit einer Wahl oder Volksabstimmung sei in der Regel zulässig, sofern der Inhalt sich als private Meinung des Schreibenden erkennen lasse. Die Nennung der amtlichen Funktion des Autors sei dann nicht ausgeschlossen.Hugo Fehr hat seine Wahlempfehlung aus erkennbar persönlicher Sicht verfasst und lässt seinen Leserbrief so enden: «Schule und Gemeindepolitik sind mir ans Herz gewachsen und daher ist es mir nicht egal, wie es weitergeht.» Gegenüber der Redaktion führt er aus: Nach bald 40 Jahren, die er dabei sei – gegenwärtig im 18. Jahr als Präsident – «wäre es nicht normal, wenn mir die Zukunft der Schule gleichgültig wäre».Auch wenn Hugo Fehr sich nichts zuschulden kommen liess: Der Verzicht auf die Nennung seiner amtlichen Funktion am Ende des Leserbriefes hätte der Kritik wohl vorgebeugt. Wäre das Amt für Gemeinden im konkreten Fall um Rat gefragt worden, hätte es von der Veröffentlichung der Wahlempfehlung unter Angabe der amtlichen Funktion abgeraten.Nicht unzulässig beeinflussenIn der Bundesverfassung, Artikel 34, ist festgehalten, dass die politischen Rechte ebenso wie die freie Willensbildung und die ­unverfälschte Stimmabgabe gewährleistet zu sein hätten. Bundesgericht und herrschende Lehre leiten davon ab, die Stimmberechtigten dürften weder bei der Meinungsbildung noch bei der Äusserung ihres politischen Willens unter Druck gesetzt oder in unzulässiger Weise beeinflusst werden.Das Expertenduo Hangartner/Kley schreibt in seinem Buch «Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft» (Schulthess Verlag, Zürich, 2000), jedes Eingreifen von Behörden in einen Wahlkampf sei ausgeschlossen, sofern es sich nicht um die Richtigstellung offensichtlich falscher Informationen während eines Wahlkampfs handelt – und selbst dann setze die behördliche Wortmeldung einen «krassen Fall» von Fehlinformation voraus.Bei Einmischung Beschwerde möglichEin besonderer Vorfall, der dieses Thema betrifft, hat sich erst kürzlich in Gossau ereignet. Dort empfahl die Ortsbürgergemeinde jemanden fürs Stadtpräsidium zur Wahl. Zumindest «problematisch» fand dies das Amt für Gemeinden, wie das St. Galler Tagblatt schrieb. In Gossau ­allerdings hatte sich nicht ein ­Behördenvertreter mit seiner privaten Meinung geäussert, sondern vertrat sozusagen ein amtliches Gremium eine Behördenmeinung.Mischen sich Behörden in ­einen Wahlkampf ein, riskieren sie eine Beschwerde. Das kantonale Gemeindegesetz (Artikel 163) gibt Stimmberechtigten und anderen Personen mit einem schutzwürdigen Interesse die Möglichkeit, ein Abstimmungs- oder Wahlergebnis anzufechten. Adressat wäre nach einem Urnengang das kantonale Departement des Innern.Strafrechtlich haben Behördenvertreter, die sich in einen Wahl- oder Abstimmungskampf einmischen, kaum etwas zu befürchten. Das Strafgesetzbuch schützt zwar in den Artikeln 279 bis 283 schwergewichtig die Ausübung des Stimm- und Wahlrechts, nicht aber die Meinungsbildung im Vorfeld der Abstimmung.Nicht übertreibenDer Grat ist schmal, wenn Behördenvertreter ihre Meinung in einer umstrittenen Sache oder zu einer Kampfwahl äussern. Es ist deshalb Vorsicht geboten. Stolpersteine gibt es viele.Doch das Recht, frei eine Meinung kundzutun, hat jeder. Gemeinderäte, Ortsverwaltungsräte, Schulräte, auch Schulpräsidenten. Wollen sie auf der sicheren Seite sein, treten sie strikt als Privatperson auf, mit privater Adresse.Anderseits kann das mitunter etwas seltsam wirken. Angenommen, ein Gemeinde- oder Schulrat mit häufig vorkommendem Vor- und Nachnamen sticht mit einem Leserbrief hervor, erscheint es nicht als wirklich sinnvoll, wenn der Leser sich zu fragen hat: «Ist das jetzt der?» Womit gesagt sein soll: Gibt jemand seine Funktion bekannt, hat dies den Vorteil durchaus angenehmer Transparenz.Gert Bruderergert.bruderer@rheintalmedien.ch