17.08.2018

Fische bleiben gestresst

Die aufgeheizten Gewässer im Rheintal sind eine Belastungsprobe für die Fische. Um sie vor dem sicheren Tod zu schützen, haben Fischer besonders gefährdete Bachabschnitte abgefischt.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelEtwas Silbriges schimmert im Wasser des Littenbachs am Dorfrand von Berneck. Fridolin Scherrer, Gewässerwart beim Fischereiverein Mittelrheintal, macht ein paar Schritte auf die Stelle zu, befürchtet, dass dort ein to­-ter Fisch mit Bauch nach oben liegen könnte. «Nein, es ist nur ein Stück Plastik.» Das ist auch nicht schön, doch wenigstens scheinen die jungen Fische, die im Wasser herumflitzen, munter zu sein.Der Eindruck trügt. «Der Wasserstand ist immer noch viel zu niedrig, obwohl es in den letzten Tagen etwas Regen gab», sagt Fridolin Scherrer. «Wir sehen hier nur noch die Fischart Alet. Sie vertragen hohe Wassertemperaturen.» Am 1. August erreichte der Littenbach den Höchstwert von 30 Grad. Steigt das Ther­mometer, sinkt gleichzeitig der Sauerstoffanteil im Wasser. «Für Edelfische wie die Bachforelle ist dies der Tod», sagt Fridolin Scherrer.Glücklicherweise bemerkte er persönlich kein Fischsterben in den regionalen Gewässern. So prekär wie am Rhein bei Schaffhausen, wo wegen der Hitze massenhaft Fische sterben, ist die Lage im Rheintal nicht. Viele Fische wandern ab durch den Hitzestress oder finden unter Steinen erträgliche Verstecke.Überrascht beim Widnauer SickerDennoch kommen aus der Bevölkerung besorgte Stimmen, ob für die Fische genug unternommen wird. Natürlich hat auch Fridolin Scherrer einen Wunschkatalog: Mehr Bäume am Bachbord, die Schatten spenden, oder Vertiefungen im Bachbett, die den Fischen Rückzugsmöglichkeiten bieten. Gefragt sind jedoch Sofortmassnahmen.Die Fischer kontrollierten in den heissen Sommerwochen zwei- bis dreimal pro Woche mit dem Thermometer die Gewässer. Dabei staunten sie nicht schlecht, als sie die Temperatur beim Sicker in Widnau ablesen konnten: 16 Grad. «Topzustand», sagt Fridolin Scherrer. Von Vorteil sei der renaturierte Bachlauf. Ausserdem bekommt der Sicker Druckwasser vom Rhein und fliesst oft entlang von Schatten und unter der Autobahn hindurch. Bei anderen Bächen, die fast ausgetrocknet sind, kamen die Mitglieder des Fischereivereins nicht darum herum, abzufischen.Fische mussten mit Strom gerettet werdenAlarmierend war der Zustand des Mühlbachs in Berneck. Wegen des tiefen Wasserstands führten Fridolin Scherrer und ein Helfer Ende Juli einen Einsatz mit Strom durch. Auf einer Strecke von 500 Metern galt es, die jungen Tiere umzusiedeln. Mit Gummistiefeln und schwerem Gepäck stiegen sie ins Wasser. Auf dem Rücken trugen sie 20 Kilo schwere Rucksäcke mit Generatoren und liessen durch Ionenstäbe Strom ins Wasser fliessen.Die Fische, die dadurch einen kurzen Moment betäubt sind, konnten sie mit dem Fischernetz herausnehmen. 35 junge Bach- und Seeforellen legten die beiden Fischer in Behälter mit sauerstoffangereichertem Wasser. Im Binnenkanal, wo die Durchschnittstemperatur 22 Grad beträgt, setzten sie die Fische wieder aus.«Wir hätten noch mehr ab­fischen können», sagt Fridolin Scherrer. Man müsse jedoch sorgfältig abwägen, ob es sich lohnt, die Fische zusätzlichem Stress auszusetzen.Noch ist die aussergewöhnliche Lage nicht überstanden. Der erfahrene Fischer hofft auf Regen, aber auch bewölktes Wetter und die kühleren Nächte kommen den Fischen zugute.Viele Faktoren hängen zusammenWenn es darum geht, die Lebensräume für die Fische nachhaltig zu verbessern, kommt die Sprache sofort auf den Hochwasserschutz. Dieser hat gegenüber dem Wunsch nach schattenspendenden Bäumen und Vertiefungen in den Bachläufen Vorrang. Doch Philipp Hartmann, Gemeinderatsschreiber von Berneck, sagt: «Im Hochwasserschutzprojekt Littenbach-Äächeli Au-Berneck nehmen wir Rücksicht auf die Ökologie.»Mit Landschaftsplanern werden Lösungen ausgearbeitet. Im Herbst sollen weitere Informationsveranstaltungen stattfinden. Die Fischer bleiben interessiert am Thema. Ihr Ziel ist, die Artenvielfalt zu schützen und ein intaktes Ökosystem zu erhalten, das auch für extreme Wetterkapriolen gewappnet ist.