Thomas WidmerDie Komponistin Christine Michel-Ostertun hat vier Lieder von Martin Luther in ein Orgelkonzert integriert und diese mit teils theatralisch-rockigen, teils impressionistisch-klangmalerischen Brücken verbunden. Ulrike Turwitt interpretierte das Werk am letzten Samstag in der evangelischen Kirche in Heerbrugg kraftvoll und strukturierte es zudem mit lang gezogenen «Maaartin!!!»-Rufen. Diese markieren die Lebensabschnitte des Reformators – mal als besorgte Suche nach dem störrischen Lausbuben, mal als Ärger über den pubertierenden Lümmel, später als Ermunterung zum Weitermachen im Kampf für Wahrheit und Klarheit und schliesslich als sehnsüchtiger Nachhall am Ende seines Wirkens. Luthers Leben in 40 Minuten erzählt, «fadegrad» und ohne Längen: Das Werk eignet sich darum auch für Kinder und Ungeduldige.Sparsame Gestik, eindringliche MonologeAngereichert war es in dieser Aufführung mit einem Text von Gerd Westphal, der von Regisseur Gerhard Zuggal und Luther-Darsteller Rolf Hanselmann szenisch umgeschrieben wurde. Hanselmann spielte die wichtigen Stationen des Reformators mit einfachen Stilmitteln, sparsamer Gestik und eindringlichen Monologen, geprägt von Luthers Selbstzweifeln an seiner Berufung zum Mönch, seiner Wut auf Scheinheiligkeit und Machtmissbrauch und seiner lebensbejahenden Botschaft: «Gott will keine Kriecher. Gott will kein schlechtes Gewissen. Gott will keine zehnfach heruntergeleierten Gebete. Gott will dich frei.» Für diese Freiheit ersetzte er unverständliche lateinische Floskeln durch klares Deutsch. Angesichts der einschüchternden sprachlichen Nebelpetarden der heutigen Legal Industry würde Luther wohl eine weitere Reformation initiieren. Wie auch immer: Der herzhafte Applaus der Konfirmanden, Pfefferstern-Kinder und erwachsenen Besucher galt nicht nur dem Darsteller, sondern auch dem Original.
«Gott will dich frei»