13.03.2018

Grenze stoppt Spottpreis

Ein gutes Bus- und Bahnangebot über den Rhein hinweg setzt eine einheitliche Tarifstruktur voraus. Die Hürde ist aber so hoch wie der Unterschied zwischen den Preisen dies- und jenseits der Grenze.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, die Zug und Bus benützen, sind preislich verwöhnt. Weil der Staat den öffentlichen Verkehr stark unterstützt, ist dieser für den Fahrgast ausgesprochen günstig. Vergleicht man die Preise für Einzelfahrten dies- und jenseits des Rheins, sind die Differenzen zwar nicht eklatant. Das Billett für eine Fahrt von Feldkirch nach Bregenz kostet 6.80 Euro, umgerechnet knapp 8 Franken. Dieser Preis ist von Schweizer Preisen nicht weit entfernt – vorausgesetzt, der Fahrgast verfügt über ein Halbtaxabo. Dann bezahlt er für sechs Zonen (zum Beispiel für die Fahrt von Buchs nach Heerbrugg) 7.20 Franken.Geradezu krass stechen die Preisunterschiede jedoch bei der Gegenüberstellung von Monats- und Jahresabonnementen ins Auge. Um solche Abos geht es in erster Linie, denn der geplante Ausbau des öffentlichen Verkehrs über die Landesgrenze hinweg hat ja das vorrangige Ziel, die Pendlerströme auf Bus und Bahn umzulenken. Doch wer die bequeme Fahrt im Auto zugunsten der Fortbewegung mit Zug und Bus aufgeben soll, will das belohnt sehen. Er will es im Portemonnaie angenehm spüren, auch wenn er auf dem Weg zur Arbeit die Landesgrenze quert.Generalabo für einen Euro pro TagDer Vorarlberger, der in seinem Heimatland die öffentlichen Verkehrsmittel benützt, fährt finanziell deutlich besser, wenn er das Auto stehen lässt und stattdessen mit Bus und Bahn zur Arbeit fährt. So kostet beispielsweise eine Monatskarte für die Strecke Feldkirch–Bregenz (2. Klasse) 66 Euro. In Richtung null bewegt sich der zu bezahlende Kilometerpreis für alle Vorarlberger, die in ihrem Bundesland mit einem Jahresabo unterwegs sind. Für einen Euro pro Tag (bzw. 370 Euro im Jahr) lassen sich Bus und Bahn beliebig benützen. Noch günstiger fahren Jugendliche bis zur Vollendung des 26. Altersjahres; sie bezahlen – für das ganze Jahr – nicht mal 200 Euro und können in ganz Vorarlberg beliebig mit Bus und Bahn reisen. Sogar noch sehr viel weniger bezahlen Schüler, wenn Bus oder Bahn sie zum Unterricht bringen.Auf Schweizer Seite kostet das Monatsabo für sechs Zonen (zum Beispiel für die Strecke Buchs–Heerbrugg) einen Erwachsenen 217 Franken, für ein Jahresabo sind 1953 Franken aufzuwenden. Junioren fahren zwar günstiger, aber 164 Franken für ein Monatsabo und 1476 Franken für das Jahresabo liegen immer noch weit über den Vorarlberger Preisen.Wer mit einem Abo unterwegs ist, bezahlt in Vorarlberg mindestens fünfmal weniger als auf Schweizer Seite. Je nach Art des Abos (Schüler, Jugendliche usw.) sind Vorarlberger sogar sieben- oder achtmal günstiger unterwegs als regelmässige öV-Benützer auf Schweizer Seite.Angesichts dieser Voraussetzungen eine grenzüberschreitende Tarifstruktur auszutüfteln, ist freilich sehr anspruchsvoll und verlangt wohl nach kreativen Ideen. Die Preise für Vorarlberger, die bereit sind, mit Bus oder Bahn grenzüberschreitend zu pendeln, können ja nicht plötzlich deutlich steigen, sonst wäre die heute in Vorarlberg ausgeprägte preisliche Attraktivität dahin. Ausserdem hat das System für alle einheitlich zu sein; von Schweizern einen höheren Preis zu verlangen, ist auch schwer möglich.Kanton soll Lösung vorschlagenDer Wunsch nach einer Lösung des Problems sei dem Kanton vorgetragen worden, sagt Thomas Ammann, der Präsident des Vereins St. Galler Rheintal. Der Nationalrat aus Rüthi versichert, sich auch in Bern zugunsten eines grenzüberschreitenden Tarifsystems einzusetzen.Innerhalb eines Jahres «muss eine Lösung gefunden sein», sagt St. Margrethens Gemeindepräsident Reto Friedauer, der dem Verein Agglomeration Rheintal vorsteht. Zur Eile sieht man sich gedrängt, weil derzeit das zweite Rheintaler Aggloprogramm entwickelt wird und dieses beim Bund jenen Erfolg haben soll, der unserer Region sehnlichst erhoffte Fördergelder bringen kann.Was die heutigen Preisdifferenzen im öffentlichen Verkehr bedeuten, schildert der Gaissauer Bürgermeister Reinhold Eberle. Der Bahnhof Rheineck sei für die Bevölkerung seiner Gemeinde an sich zwar sehr interessant, denn via Rheineck und St. Margrethen gelange man zum Beispiel rasch nach Bregenz. Doch das Jahresabo für die Vier-Kilometer-Strecke zwischen Rhein­eck und St. Margrethen kostet den Vorarlberger fast doppelt so viel wie in seinem Bundesland ein Jahresabo für ganz Vorarlberg.Anderswo geht’s auchWas im Rheintal noch fehlt, ist anderswo längst selbstverständlich. So kann jemand, der in Kreuzlingen ein Billett für die Stadtzone kauft, dieses ohne Aufpreis auch im benachbarten Konstanz benützen – und umgekehrt. In der Grenzregion Basel – Mulhouse können Fahrgäste in einem grösseren gemeinsam definierten Gebiet für monatlich 100 Franken oder 1000 Franken pro Jahr beliebig unterwegs sein.Dass auch fürs Rheintal ein einheitliches und für beide Sei­-ten akzeptables Tarifsystem, eine grenzüberschreitende Tarifgemeinschaft möglich sein sollte, davon sind die mit der Materie vertrauten Politiker im Rhein­- tal überzeugt. Reinhold Eberle spricht auch für seine Kollegen, wenn er sagt: «Wenn für das Aggloprogramm schon so grossräumig gedacht wird, dann muss doch auch eine einheitliche Tarifstruktur im Grenzbereich möglich sein.»Ein Kuriosum wie es in St Margrethen besteht, wäre dann überflüssig. Dort stehen auf dem Perron, bei dem der Zug nach Bregenz abfährt, doch tatsächlich zwei Billettautomaten – je einer von den Schweizerischen und den Österreichischen Bundesbahnen.

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