01.04.2020

«Ich bin MaurerIN»: Als Frau auf der Baustelle

Valerie hat sich mit 14 Jahren für eine Maurerlehre entschieden. Als junge Frau in einem Männerberuf musste sie nicht den Männern ihre Stärke beweisen, sondern dem Umfeld ihre Weiblichkeit.

Von rk
aktualisiert am 03.11.2022
Name: Valerie Alter: 21 Wohnort: Salzburg, aufgewachsen in St. Margrethen Beruf: Maurerin EFZ, StudentinWarum hast du dich für eine Maurerlehre entschieden? Ich interessierte mich eigentlich für den Beruf Hochbauzeichnerin, habe dann aber keine Lehrstelle gefunden. Der Interessenstest bei der Berufsberatung hat dann ergeben, dass für mich hauptsächlich handwerkliche Berufe in Frage kommen. Bei einigen davon bin ich «schnuppern» gegangen. Bei den Maurern hat es mir am besten gefallen, obwohl ich während einer Woche alle Jahreszeiten durchlebt habe. Ich habe die Lehre jedoch nicht gemacht, weil ich hauptberuflich Maurerin sein will bis zum Lebensende, sondern weil der Beruf eine gute Basis bildet für meine weitere Laufbahn.  Maurer ist der Inbegriff eines typischen Männerjobs… Das war mir definitiv bewusst, vor allem, weil sie auf der Baustelle gesagt haben: «Was willst du hier als Frau?» Nicht auf eine gemeine Weise, eher im Sinne von: «Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst?» oder «Es gibt sicher bessere Jobs für eine Frau». Unter Männern zu sein hat mich aber weniger abgeschreckt, als immer draussen arbeiten zu müssen.Was hat dich an diesem Job gereizt? Das Handwerkliche, einen Hammer zur Hand nehmen oder mit der Kelle arbeiten. Einfach die körperliche Aktivität, da ich eher ein Couchpotato bin und mir die Bewegung gut tut.Wie hat dein Umfeld auf deine Berufswahl reagiert? Unterschiedlich. Manche Leute waren skeptisch bis komplett entsetzt, fast schon angewidert. Andere haben es super gefunden und mich unterstützt.Welche Reaktion erlebst du, wenn du Fremden erzählst, du arbeitest als Maurerin? Jedes einzelne Mal genau diese: «Wow, du bist die erste Maurerin, die ich kennenlerne!» Ich denke mir jedes Mal: «Wow, du bist schon der 3492. Mensch, der mir das sagt.» Und dann: «Ja, aber ist das denn nicht anstrengend als Frau?» Klar, aber andere Berufe sind doch auch anstrengend. Dann folgt immer: «Und wieso machst du genau das?»Wie gut hast du dich während der Ausbildung in der Gruppe eingefunden? Für mich war das einfacher als für meine Mitarbeiter. Die hatten extra eine Sitzung und diskutierten, wie man mit einem 15-jährigen Mädchen auf der Baustelle umgehen soll. Es war für uns alle eine neue Situation, doch ich habe Anschluss gefunden und mich mit fast allen gut verstanden.Hattest du das Gefühl, dich auf der Baustelle beweisen zu müssen? Ganz am Anfang bin ich hingegangen mit genau diesem Gedanken, besonders weil mir das mein Umfeld eingeredet hat. Aber das war schliesslich nicht der Fall. Ich musste mich nie beweisen. Ich habe einfach meine Arbeit so gut erledigt, wie ich konnte. Es hat mir keiner auf der Baustelle das Gefühl gegeben, ich müsse zeigen, was ich kann. Alle merkten wo meine Stärken und Schwächen liegen und haben das akzeptiert. Ich musste eher beweisen, dass ich weiblich genug bin, obwohl ich einen Männerberuf ausübe. Und das meist ausserhalb vom Beruf.Wem gegenüber musstest du «deine Weiblichkeit beweisen»? Besonders zu Hause meiner Mutter gegenüber und bei Fremden. Ich hatte immer Angst, dass man mich als Mannsweib hinstellt. In der Schule habe ich mich extra gestylt, damit ich weiblicher erscheine. In der Berufsschule hatte ich das Gefühl, ich müsse rausstechen, weil ich immer unter Maurern war, um zu zeigen «Ich bin nicht so männlich wie die». Die ersten zwei Jahre habe ich mich deswegen geschminkt, mir die Haare geglättet und hohe Schuhe getragen. Das war meine normale Freizeitaufmachung. Im dritten Lehrjahr habe ich den Sinn dahinter nicht mehr gesehen und mein Aussehen war mir dann ziemlich egal. Ich bin auch so gut genug und kein Mannsweib.Hast du auf dem Bau andere Aufträge erhalten als ein körperlich stärkerer Mitarbeiter? Ich habe die gleichen Arbeiten verrichtet wie die andern, auch wenn ich vielleicht langsamer war. Wenn ich einen halben Tag lang Kübel die Treppen hochtragen musste, habe ich diese nur halb gefüllt, während andere volle getragen haben. Manche Mitarbeiter haben auch gesehen, dass gewisse Arbeiten körperlich zu anstrengend für mich sind und haben mir andere Aufgaben gegeben. Nicht zwingend, weil ich eine Frau bin, sondern weil meine Stärken eher in Logik und Planung liegen.Planst du auf dem Bau zu bleiben? Momentan mache ich gerade die BMS – hier in Salzburg heisst das Berufsreifeprüfung – im Fachbereich Bautechnik. Dieses Fach habe ich genommen, weil es mich mehr interessiert als Rechnungswesen und ähnliches. Ob ich auf dem Bau bleibe, da bin ich mir nicht sicher. Ich bilde mich weiter Richtung Architektur, spezifisch Richtung umweltbewusstes Bauen.Bist du stolz darauf, ausgebildete Maurerin zu sein? Ja. Es ist vielleicht nicht die beste Entscheidung gewesen, aber ich bereue es nicht. Es hat mich persönlich weitergebracht. Ich habe auch nicht wegen dem Handwerk aufgehört – das vermisse ich manchmal – sondern wegen dem Umfeld. Irgendwann hat es mich einfach genervt, immer nur unter Männern zu sein. Wie es der Zufall will, bin ich aber an der BMS schon wieder in einer reinen Männerklasse gelandet.

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