Mountainbike 16.05.2025

Jolanda Neff im NZZ-Interview über mentale Krisen, Zweifel – und ihren Weg zurück zur Weltspitze

2021 wurde Jolanda Neff aus Thal Olympiasiegerin, danach gewann sie aber keine Rennen mehr. In einem neuen Team fühlt sie sich wieder wohl, sagt aber: «Bis ich wieder ein Weltcuprennen gewinne, ist der Zweifel irgendwo da.»

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 16.05.2025

Im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung sagt die 32-jährige Mountainbikerin, dass mentale Komponenten die Ursache dafür waren, dass sie nach dem Olympiasieg in Tokio in eine sportliche Krise geriet. «Die Situation im Team hat mich extrem gestresst», sagt sie. Bei anderen führe das zu Kopf- oder Rückenschmerzen, «bei mir äusserte sich das so, dass ich nicht mehr atmen konnte. Es hat nichts genützt, die Symptome bekämpfen zu wollen, das Problem war die Ursache, also die Wurzel des Ganzen. Zum Glück pflanzten wir nun sozusagen einen neuen Baum.» Damit ist ihr Teamwechsel zu Cannondale gemeint.

Jolanda Neff über den Bruch mit dem Team Trek.
Im Winter nach dem Olympiasieg 2021 trainierte ich extrem viel und war so motiviert, weil ja eigentlich die Jahre vor Olympia schwierig gewesen waren mit meiner Milzverletzung nach einem Sturz. Nach der Goldmedaille in Tokio dachte ich: Jetzt geht es vorwärts! Ich unterschrieb im Dezember 2021 den neuen Vertrag, und zwei Wochen später wurde alles umstrukturiert, das gesamte Management wechselte. Danach verliessen alle Betreuer, mit denen die Zusammenarbeit grossartig funktioniert hatte, das Team, so auch mein Mechaniker und meine Physiotherapeutin. Für mich war es danach nicht mehr das Gleiche.
Vielleicht war der Olympiasieg auch ein Teil der Schwierigkeit. Vielleicht dachten diese Leute: Dir muss man bei nichts mehr helfen. Aber es ist genau umgekehrt bei mir. Ich brauche die Nähe zu den Menschen, ich will Leute um mich herum, die mit mir eng zusammenarbeiten wollen, ich kann es nicht allein.

Jolanda Neff über ihren Teamwechsel.
Ich bin sehr froh, dass ich bei Cannondale die Chance bekommen habe. Das ist nicht selbstverständlich, sie hatten ein so erfolgreiches letztes Jahr mit WM- und Olympiamedaillen, dass viele dorthin wollten.
Es ist eine harmonische und inspirierende Zusammenarbeit und motivierend. Ich habe ein sehr grosses Vertrauen in das Teammanagement und spüre den Willen zur Zusammenarbeit. Das Team hat mich wegen meiner Erfahrung geholt, damit ich diese an die vier jüngeren Fahrer weitergebe. Gleichzeitig lerne ich auch viel von ihnen. Der Trainer Phil Dixon ist auch unser Teammanager, er ist schon seit 2015 beim Team, hat das Programm immer weiterentwickelt. Er ist aber vor allem auf menschlicher Ebene sehr stark, ist nie fixiert auf Zahlen, sondern versteht auch, was in meinem Leben sonst passiert. Das Training ist nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets, das es für den Erfolg braucht.

Jolanda Neff über ihren Weg zurück an die Spitze.
Ein Teil von mir glaubt immer noch nicht daran. Das ist sehr emotional für mich. Es gibt schon viele gute Signale, die mir bestätigen, dass der Weg stimmt. Aber dieser Weg ist länger, als ich gehofft hatte. Das Ziel ist nicht heute oder morgen erreicht. Und das ist okay. Ich muss das meinem Hirn wieder antrainieren: Wir sind auf gutem Weg. Also zurück zur Frage, ob ich daran zweifle. Bis ich wieder ein Weltcup-Rennen gewinne, ist der Zweifel irgendwo da.
Ich gewann in diesem Jahr schon ein paar kleinere Rennen. Drei davon bei schlammigen Bedingungen, die mir entgegenkommen. Das ändert nichts daran, dass ich die Leistung bringen musste, aber der Gedanke war dennoch da, dass ich nur gewonnen habe, weil es schlammig war. Es braucht also noch recht viel Arbeit, bis die Zweifel beseitigt sind. Und ich freue mich sehr, dass wir die WM im September in Crans-Montana haben, aber für mich ist das nächste Ziel, im Weltcup wieder in die Top 10 zu kommen.

Hier geht's zum Interview der Neuen Zürcher Zeitung (Paywall)

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