Diepoldsau 28.06.2023

«Mehr Mut zur Unordnung haben und auch mal etwas stehen lassen»

Seit April arbeitet Simon Zünd als Biodiversitätsbeauftragter beim Unterhaltsdienst der Gemeinde Diepoldsau. Sein bisheriger beruflicher Werdegang zeichnet ihn für diesen Job aus.

Von pd
aktualisiert am 29.06.2023

Der 46-jährige Familienvater möchte Begeisterung für die Natur und Biodiversität vermitteln und entfachen. Simon Zünd steht seit bald drei Monaten in einem 80-Prozent-Pensum als Biodiversitätsbeauftragter im Einsatz der Gemeinde. «Ich wurde super aufgenommen vom Team», sagt Simon Zünd.

Zu seinen Hauptaufgaben gehört es, Biodiversitäts-Projekte zu betreuen, Neophyten zu bekämpfen, die Naturschutzgebiete im Auge zu behalten. Er ist zudem für die Grünflächen der Gemeinde verantwortlich. Er pflegt Flachdächer, Bäume oder die Rabatten der 30er-Zonen. Daneben steht er den Diepoldsauerinnen und Diepoldsauern beratend zur Seite.

Der Natur mehr Platz geben

Für Simon Zünd ist es ein Traumjob und eine einmalige Chance, seine Freude an der Biodiversität weiterzuvermitteln:«Wir müssen der Natur und damit der Artenvielfalt wieder mehr Platz geben», bekräftigt der 46-Jährige und fügt an, dass jede und jeder seinen Beitrag leisten könne.

Es macht Freude einen Baum zu pflanzen, um dann zu sehen, wie die Früchte wachsen. Die Wertschätzung für die Natur wird dadurch auch grösser.

Gerne berät er Gartenbesitzer und -besitzerinnen vor Ort, was sie zur Förderung der Biodiversität im eigenen Garten machen können. Er begutachtet Gärten und gibt Pflanztipps.

Landwirt und Biodiversitätsbeauftragter

Das nötige Wissen für die Arbeit als Biodiversitätsbeauftragter hat sich Simon Zünd über Jahre angeeignet. Eine landwirtschaftliche Ausbildung, das Interesse an der Natur, den Pflanzen und die Freude an den praktischen Arbeiten führten ihn nach Diepoldsau. Daneben bewirtschaftet er zusammen mit seiner Frau Mirjam Zünd in Balgach seit vier Jahren einen naturnahen Bauernhof, nach dem Vorbild der Permakultur. «Wir schauen auf eine hohe Biodiversität und setzen verschiedene Pflanzen», sagt Zünd.

Bei uns wachsen beispielsweise 30 verschiedene Apfelsorten.  

Im Jahr 2019 hat die Familie Zünd den Biodiversitäts-Projektwettbewerb des Vereins Balger Natur gewonnen.

Der Vater von zwei Söhnen kann dank flexiblen Arbeitszeiten und dem 80-Prozent-Pensum bei der Gemeinde, die Arbeit auf dem Hof und seine neue Aufgabe als Biodiversitätsbeauftragter gut unter einen Hut bringen. In seiner Freizeit fährt Zünd Pferdekutschen an Hochzeiten, betreut seine Obstsortensammlung von über 80 alten Sorten, verbringt Zeit mit seiner Familie und arbeitet in seiner Werkstatt. Viele seiner Möbel, wie Bett, Tisch und Stühle, hat der 46-Jährige selbst gezimmert.

Alle sind gefordert Biodiversität zu fördern

Simon Zünd sieht in der Förderung der Biodiversität eine Herkulesaufgabe. Alle seien gefordert und alle könnten einen Beitrag leisten – Gartenbesitzende, Landwirte und -wirtinnen, auch Unternehmen. Freie Flächen und Gärten sollten möglichst grün und biodivers bepflanzt sein. Zünd ist überzeugt: «Die Leute müssen mehr Mut zur Unordnung haben und auch mal etwas stehen lassen. Sie sollten den Rasen nur dort mähen, wo er auch genutzt wird und sonst der Natur überlassen.»

Er ist überzeugt, die Gartenbesitzende werden Freude haben, was dann entsteht. Schliesslich machten alle Gärten im Dorf zusammengefasst auch eine grosse Fläche aus. Der Siedlungsraum ist ein wichtiger Lebensraum für Vögel und Insekten. Wird diesem keinen Platz gegeben, schreitet das Artensterben ungebremst voran. Auch die Hitze in dicht besiedelten Gebieten setzt Mensch und Tier zu. Umso wichtiger sind Pflanzen und Bäume im Siedlungsraum.

Immer wieder betont Simon Zünd, wie wichtig es sei, die Leute abzuholen und für die Biodiversität zu begeistern. «Ich freue mich, mit Interessierten zusammenzuarbeiten. Gemeinsam haben wir die Riesenchance, nachhaltige Biodiversität zu entwickeln», sagt Simon Zünd.

Anmelden noch möglich: 200 Bäume in zwei Jahren

Diepoldsau pflanzt mit einer Baumpflanzaktion während zwei Jahren 200 Bäume. Die Aktion ist ein konstruktiver Beitrag für mehr Biodiversität und gegen den Klimawandel. Derzeit läuft die nächste Obstbaumaktion der Gemeinde Diepoldsau. Alle können mitmachen. Bis am 9. Juli können noch Bäume bestellt werden. Information und das Bestellblatt gibt es unter:

www.tinyurl.com/200baeume (pd)

Jemanden haben, der «für die Natur denkt»

«Vorbildlich», nennt Urs Gimmi, Abteilungsleiter Natur &  Landschaft beim kantonalen Amt für Natur und Landschaft, die Gemeinde Diepoldsau, die eine Stelle für einen Biodiversitätsbeauftragten geschaffen hat. Damit gebe es eine klar definierte Ansprechperson in Sachen Natur und Biodiversität.

«Oft unterstehen diese Themen dem oder der Bauverwaltenden einer Gemeinde und geniessen unter Umständen nicht die Priorität, die sie sollten.» Gimmi sagt sogar, dass es sich für kleinere Gemeinden, die wenig Schutzgebiete und nicht die Ressourcen für einen eigenen Biodiversitätsbeauftragten oder einer -beauftragten hätten, lohnen würde sich mit anderen Gemeinden zusammenzuschliessen, um so übergreifend eine Ansprechperson zu installieren. «Damit könnten sie ihre Strukturen für Belange der Natur professionalisieren», sagt Urs Gimmi.

Das Amt selber unterstütze Gemeinden finanziell, wenn sie Konzepte erstellen, die der Natur förderlich sind, beispielsweise Flächen in Siedlungsräumen schaffen. Ebenfalls werden Kurse angeboten, damit sich Verantwortliche das nötige Know How erarbeiten können. Solche gibt es auch für die Bevölkerung, Biodiversitätsbeauftragte können hier als Sprachrohr dienen.

Seit 2018 werden im Rahmen der kantonalen Biodiversitätsstrategie verschiedene Massnahmen gepuscht. Unter anderem wurden fachliche Grundlagen geschaffen, damit die Gemeinden ihre Schutzverordnungen und Verträge mit den Bewirtschaftenden einfacher anpassen können. Zudem wurde der Zustand aller Biotope von nationaler und regionaler Bedeutung erfasst. Auf dieser Basis können die Gemeinden nun Aufwertungsprojekte entwickeln. Hier braucht es jemanden, der sich dafür verantwortlich fühlt. Anders gesagt, es braucht in der Gemeinde jemand, der in erster Linie «für die Natur denkt.» (rew)