20.07.2022

Mensch trifft auf Bürokratie

Bei der Weingut Stegeler AG gestaltet sich die geplante Geschäftsübergabe wesentlich hürdenreicher als erwartet.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 02.11.2022
Vergangenen Herbst schien das Ziel erreicht: Lachend prosteten sich die Verwaltungsratsmitglieder der Weinbau Stegeler AG aus Berneck zu. Konnten sie doch an diesem Abend nicht nur einen von der Generalversammlung gewählten neuen Verwaltungsrat in ihrem Kreis willkommen heissen, sondern in gleicher Person auch den neuen Hauptaktionär des Weinbaubetriebs begrüssen. Roland Lenz, landesweit bekannter Biowinzer aus dem thurgauischen Uesslingen, hatte 52 Prozent der Aktien der Weinbau Stegeler AG erworben. Der freudige Moment ist auf einem Foto festgehalten. Lange währte die Unbeschwertheit  indes nicht. Denn das Gesuch um Bewilligung des Verkaufs der Aktienmehrheit an Roland Lenz, das Verwaltungsratspräsident Jakob Federer-Aepli am 22. Dezember beim Landwirtschaftsamt einreichte, geriet zu  einem «zermürbenden Prozess», so der 62- Jährige, der im Hauptberuf als selbstständiger Organisationsentwickler in der ganzen Ostschweiz tätig ist.Ein langwieriger Marathon nimmt seinen LaufAm 21. Januar teilte der zuständige Sachbearbeiter des kantonalen Landwirtschaftsamtes (LWA) mit, dass für die Veräusserung der Aktien an  Roland Lenz eine Erwerbsbewilligung nötig sei. Dies, weil Rebland  landwirtschaftlichen Grundstücken zugerechnet wird. Eine Erwerbsbewilligung sei jedoch zu verweigern, so ist der Stellungnahme zu entnehmen, wenn «der Erwerber nicht Selbstbewirtschafter ist», oder das zu erwerbende Grundstück zu weit vom Betrieb des Erwerbers entfernt ist. Beides, so das LWA, treffe auf Roland Lenz zu. Sein Weinbaubetrieb im Thurgau sprenge mit einer 90-km-Distanz zu den Bernecker Rebbergen den ortsüblichen Bewirtschaftungsbereich, weshalb der Winzer nicht als Selbstbewirtschafter gelten könne. Die bürokratische Odyssee nahm ihren Lauf. Streifte in der Folge diverse Artikel des Bäuerlichen Bodenrechts (BGBB), führte über zur Frage, wie sich der ortsübliche Bewirtschaftungsbereich definiert (überall ein wenig anders) und nahm nochmals Fahrt auf bei der Frage, was bei vorliegendem Sachverhalt für involvierte juristische oder natürliche Personen (auch künftig) im Falle von Handänderungen zu gelten habe.  Das LWA stellte eine Ausnahmebewilligung in Aussicht, wofür jedoch die geplante Aktienveräusserung ausgeschrieben werden müsse. Dies geschah Ende Januar; zwei Personen, die sich gemeldet hatten, sprangen in der Folge ab, sodass schliesslich, per Entscheid vom 16. Juni, Winzer Roland Lenz die Erwerbsbewilligung unter Auflagen erteilt wurde. Hätte sich auf die Ausschreibung hin ein Selbstbewirtschafter aus der Region gemeldet, wäre der Aktienverkauf an Roland Lenz hinfällig gewesen. Bereits seit 2019 hatte sich der Verwaltungsrat der Stegeler AG mit der Nachfolgelösung für den Weinbaubetrieb beschäftigt, da die Hauptaktionäre, Verwaltungsratspräsident Jakob Federer und seine auch im VR vertretene Schwester, Elisabeth Federer Heule, altershalber die Hauptverantwortung abtreten wollten. Gefunden hat man niemanden, trotz diverser Inserate. Weinbauern aus der Region, die alle gefragt worden waren, zeigten kein Interesse. Nachdem die Schmid-Wetli AG aus Berneck im August 2021 ankündigte, die Lohnbewirtschaftung der Stegeler Reben, die sie 15 Jahre wahrgenommen hat, auf Anfang Jahr einzustellen, sei die Klärung der Bewirtschaftung mehr als dringlich gewesen und mit Roland Lenz ein idealer Erwerber gefunden worden. Er habe während der letzten Monate ein «Ohnmachtsgefühl» empfunden und sich dem LWA letztlich ausgeliefert gefühlt, welches sich immer nur auf einen Bundesgerichtsentscheid aus 2014 zum Bäuerlichen Bodenrecht bezogen habe, sagt Federer. Erwerber Roland Lenz (ihm gehören mittlerweile 61 Prozent der Aktien) beklagt eine mangelnde Dienstleistungsbereitschaft des LWA im Kanton St. Gallen. Er habe häufiger auch mit den Landwirtschaftsämtern im Thurgau oder im Kanton Zürich zu tun, «da wäre die Fragestellung dieselbe gewesen, aber man hätte beraten, wie am besten vorzugehen sei». Das Landwirtschaftsamt vollzieht nur Bundesrecht», teilt der St. Galler Amtsleiter, Bruno Inauen mit, und ergänzt: «Wir haben viel Aufwand betrieben in diesem Fall, auch, weil Herr Federer viele Fragen stellte.» Tatsächlich wirft selbst der Bewilligungsentscheid Fragen auf. Demnach dürfen Aktien der Weingut Stegeler AG nur von natürlichen Personen gehalten. Die Schmid Wetli AG jedoch, habe ihre Aktien ohne weiteren administrativen Aufwand behalten dürfen, gibt Jakob Federer an. Auch sei ihm nicht bekannt, dass bei anderen Weinbaugenossenschaften oder einer AG ähnlich verfahren würde und bei einer Aktienveräusserung jeweils eine kostenpflichtige Erwerbsbewilligung vonnöten gewesen sei. Gegen die Mutmassung einer Ungleichbehandlung verwehrt sich Amtsleiter Bruno Inauen entschieden. Jakob Federer-Aepli wünscht sich eine kantonale Ombudsstelle. Seine Erfahrungen mit dem LWA hat der Bernecker dem Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, Beat Tinner, mitgeteilt. Der unterbreitete bereits Terminvorschläge für ein Gespräch.