Vorarlberg/Ostschweiz 23.01.2024

Razzia am frühen Morgen: Bedeutender Schlag gegen internationalen Drogenhandel

Bei einem grenzüberschreitenden Grosseinsatz durchsuchte die Polizei zeitgleich 13 Häuser in Vorarlberg, der benachbarten Schweiz und in der Steiermark. Zwölf Tatverdächtige wurden festgenommen.

Von Enrico Kapmann
aktualisiert am 23.01.2024

Es sei der bisher grösste Schlag gegen den Drogenhandel in Vorarlberg, lässt sich der Pressesprecher der Landespolizeidirektion Vorarlberg (LPD), Fabian Marchetti, zitieren. «Etwas Vergleichbares gab es hier noch nie.» Wie aus einer Medienmitteilung der LPD hervorgeht, wurden am frühen Dienstagmorgen bei einem grenzüberschreitenden Polizeieinsatz zeitgleich insgesamt 13 Hausdurchsuchungen in Vorarlberg, in der Steiermark und im Kanton St. Gallen durchgeführt. Dabei wurden zwölf Tatverdächtige festgenommen, drei davon im Kanton St. Gallen. Insgesamt waren gemäss der Mitteilung mehr als 180 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz.

Enge Zusammenarbeit mit St. Galler Kantonspolizei

Der gross angelegten Polizeiaktion seien jahrelange Ermittlungen des Landeskriminalamtes Vorarlberg und des Bundeskriminalamtes in Wien vorausgegangen, so die LPD. Der Einsatz sei in enger Abstimmung zwischen den österreichischen Justiz- und Polizeibehörden und der Kantonspolizei St. Gallen erfolgt. In diesem Zusammenhang zitiert die Mitteilung den österreichischen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Dieser betont die «herausragende, enge polizeiliche Zusammenarbeit mit der Schweiz», dank welcher «neuerlich ein bedeutender Schlag gegen die organisierte Kriminalität gelungen» sei.
Wie Polizeisprecher Marchetti mitteilt, reichten die österreichischen Kollegen ein Rechtshilfegesuch bei der Kantonspolizei St. Gallen ein. Diese habe daraufhin entsprechend den Vorgaben der österreichischen Ermittler am Dienstagmorgen die drei Tatverdächtigen verhaftet, die sich auf St. Galler Boden befanden. Wie diese im Detail abgelaufen seien, wisse Marchetti nicht. «Wir haben auf jeden Fall bekommen, was wir wollten und sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit.» Die Kapo St. Gallen möchte sich indessen nicht zum Fall äussern. Die Kommunikationshoheit liege bei den österreichischen Kollegen.

Cannabis auf Plantagen selbst angebaut

Bei den Festgenommenen handelt es sich um elf österreichische und einen kroatischen Staatsangehörigen im Alter zwischen 26 und 66 Jahren. Sie stehen gemäss der LPD im dringenden Verdacht, in den vergangenen Jahren etwa 100 Kilogramm Kokain und circa eine halbe Tonne Cannabis erworben und gewinnbringend weiterverkauft zu haben. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand sei das Kokain vorwiegend in den Niederlanden und Belgien bezogen und an Abnehmer in Österreich, Deutschland und der Schweiz verkauft worden. Das Cannabis sei grösstenteils aus Spanien importiert, aber zum Teil auch in eigens angelegten Plantagen im Kanton St. Gallen und in Österreich von den Tatverdächtigen selbst angebaut worden. Wo sich die St. Galler Plantagen genau befinden, gibt Pressesprecher Marchetti nicht preis.
Zwei der festgenommenen Männer sind laut der LPD führende Mitglieder einer in Vorarlberg ansässigen Rockergang. Bei den durchgeführten Hausdurchsuchungen seien Suchtmittel, Schusswaffen und Munition, grössere Bargeldbeträge, mehrere «hochwertige Fahrzeuge» sowie Datenträger und Unterlagen sichergestellt worden.

Rockerbanden auch in der Schweiz aktiv

Zwar ist der Einsatz in seinem Ausmass einzigartig, jedoch bei weitem kein Einzelfall. Am 26. Juni vergangenen Jahres waren bei Razzien in Oberösterreich und Niederösterreich bei Mitgliedern der Rockergang Bandidos eine grosse Menge an Waffen, NS-Devotionalien, Kriegsmaterial und illegale Suchtmittel sichergestellt worden. Sechs Männer wurden verhaftet. Das Arsenal umfasste gemäss dem Communiqué des Österreichischen Bundesministeriums für Inneres «35 Langwaffen, 25 Maschinenpistolen, circa 100 Pistolen, über tausend Waffenteile, circa 400 Signalwaffen und mehr als 10  000 Schuss Munition sowie Granatwerfer und Rauch- und Nebelwurfkörper». Auch in der Schweiz sind mehrere Rockerbanden aktiv. Darunter die bereits erwähnten Bandidos sowie deren Pendant, die weltweit bekannte Motorradgang Hells Angels. Die Rocker-Gruppen sind in der Regel streng hierarchisch aufgebaut und über verschiedene Ortsgruppen, «Chapter» genannt, international vernetzt. Sporadische Verhaftungen zeugen von ihren Verwicklungen in Drogenhandel, Gewalt- und Vermögensdelikte. Oft bestehen enge Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppierungen.
Unter rivalisierenden Gangs kommt es ausserdem immer wieder zu Gewaltexzessen. So lieferten sich Mitglieder der Hells Angels, der Broncos und der Bandidos im Mai 2019 in Belp BE eine Schiesserei. Über 30 Männer waren in die Auseinandersetzung verwickelt, fünf Personen wurden verletzt, zwei davon schwer. 22 Männer mussten sich deswegen im Juni 2022 vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten. Im Mai 2022 schossen verfeindete Rocker im Genfer Ausgehquartier Plainpalais um sich – mitten in einer gut besuchten Bar. Dabei traf ein Bandido einen Hells Angel im Schritt. Ob es sich bei den am Dienstag in Vorarlberg verhafteten Rockern ebenfalls um Mitglieder der Bandidos oder der Hells Angels handelt, ist unklar. Die LPD möchte dazu nichts sagen.

Polizei überwachte Messengerdienste

Gemäss der Medienmitteilung waren die Ermittler den Tatverdächtigen durch die gezielte internationale Auswertung sogenannter Krypto-Messengerdienste auf die Spur gekommen. Die acht in Vorarlberg festgenommenen Personen sollen nun in die Justizanstalt Feldkirch eingeliefert werden. Für die drei von der Kantonspolizei St. Gallen festgenommenen Österreicher seien bereits Auslieferungsersuchen an die Schweiz gerichtet worden. Ein Tatverdächtiger wurde in der Steiermark festgenommen. Die weiterführenden Ermittlungen würden noch mehrere Monate in Anspruch nehmen, teilt die LPD mit. Federführend sei dabei das Landeskriminalamt in Bregenz.