06.02.2020

Rheineck ging Risiken ein

In der Sporthalle Kugelwis fanden Grossanlässe statt, obwohl die brandschutztechnische Bewilligung fehlte.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. PlüssDie «gute Ambiance» lobte Medienchef Guido Bernegger während der Schweizer Meisterschaften im Kunstturnen, die im September 2002 in der Sporthalle Kugelwis in Rheineck stattfanden. Manchen Turnern sei die Halle bereits bekannt gewesen, da sie im Mai 2000 an den dort veranstalteten Kunstturntagen teilgenommen hatten.Über tausend Eintritte verkauftDer Schweizerische Turnverband durfte sich anlässlich der Kunstturn-Meisterschaften 2002 in Rheineck über mehrere Hundert Zuschauer an beiden Veranstaltungstagen freuen, 700 seien es am ersten Wettkampftag gewesen. Über 1000 Eintritte insgesamt habe man verkauft, gab der Medienchef nach dem Anlass gegenüber dem «Rheintaler» Auskunft.Besagte Kunstturn-Meisterschaft dürfte einer der ersten Grossanlässe gewesen sein, die in der 1999 im Auftrag der Schulgemeinde Rheineck errichteten Sporthalle durchgeführt wurden. Viele Anlässe folgten. Und das, obwohl die brandschutztechnische Bewilligung nur für eine Turnhalle erteilt worden war. Wird bei Veranstaltungen eine Bühne aufgestellt, sind Zuschauer dabei, handelt es sich bereits um eine Umnutzung, für die eine Brandschutzbewilligung einzuholen ist. Bald schon, im April, soll in der Kugelwis – einmal mehr – die Generalversammlung der Raiffeisenbank Unteres Rheintal stattfinden.«Markantes Sicherheitsproblem» entdecktUm deren Durchführung unter brandschutztechnischen Gesichtspunkten zu gewährleisten, will die Stadt bis Mitte April einen zusätzlichen Notausgang an der Längsseite der Halle, Richtung Parkplatz, erstellen. Im Stadtblatt «Mein Eck» und auf der eigenen Webseite publizierte die Stadt das Vorhaben Ende Januar. Demnach sei der Feuerschutzbeamte im November letzten Jahres während einer Routinekontrolle auf «ein markantes Sicherheitsproblem gestossen», das jetzt umgehend behoben werden soll. In der 1999 ausgestellten Brandschutzbewilligung des Amtes für Feuerschutz «ist eine Anzahl von maximal 50 Personen erlaubt», heisst es weiter. «Für eine allfällige Mehrfachnutzung mit grosser Personenbelegung im Untergeschoss und dem Mehrzweckraum sei damals «keine brand-schutztechnische Bewilligung erteilt» worden.Urs Müller, Stadtpräsident in Rheineck, ist seit letztem November im Amt. Er hat das Problem geerbt, das anscheinend bei der Stadt niemandem mehr bewusst war, und will es lösen.Über die Gründe, warum ein in den Bauplänen vorgesehener Notausgang letztlich nicht erstellt wurde, kann er nur spekulieren. Einsprecher hätten sich seinerzeit dagegen gewehrt, anscheinend mit dem Argument, die neue Halle solle nicht zur Konkurrenz für den «Hecht»-Saal werden. Verifizieren lässt sich das heute nicht mehr. Wo-bei auch der zuständige Feuerschutzbeamte und Leiter Werke, Markus Zünd, angibt, davon gehört zu haben. Zünd trat 2002 seinen Dienst bei der Stadt an.Zu schmale Türen in den GängenWährend eines Rundgangs durch die Halle, zu dem er sich am Donnerstag bereit erklärt hatte, erläutert Markus Zünd die Versäumnisse vergangener Jahre. Die Treppe im Gebäude sei zwar damals noch auf 1,38 m verbreitert worden, allerdings sind die von der Treppe wegführenden Türen nur 90 Zentimeter breit. Das ist zu schmal.Als Fluchtweg könne die Treppe deshalb nicht gelten. Mit dem Haupteingang und zwei unmittelbar nebeneinander liegenden Notausgängen im Untergeschoss errechnet Zünd bei der Besichtigung eine zulässige Belegung für bis zu 480 Personen. Den Unterschied zu den in der Brandschutzbewilligung genannten 50 Personen kann er nicht erklären. Auf den Missstand gestossen sei der Feuerschutzbeamte, «weil die Brandschutzrichtlinien in einem anderen zu beurteilenden Fall durchgelesen wurden».Warum überhaupt Grossanlässe in der Kugelwis-Halle in der Vergangenheit bewilligt wurden, könne er nicht sagen, da er weder in die Veranstaltungsbewilligung eingebunden noch an einer solchen Veranstaltung dabei gewesen sei. Wichtig sei es jetzt nicht, die Schuldigen zu suchen, sondern das Problem zu lösen, sagt Zünd. Die Aufsichtspflicht liegt bei der Stadt. Nicht erst seit 2005 die Einheitsgemeinde eingeführt und die Bewilligungsgesuche an die Gemeindekanzlei zu richten waren. Das Bauamt erteilte die Baubewilligung. Der weggelassene Notausgang auf der Längsseite war in den ursprünglichen Bauplänen verzeichnet. Anscheinend hat man dann über die Verbreiterung der Treppe eine gewisse Verbesserung der Flucht-wege erreichen wollen. In einem Zwischenbericht des AFS vom Juni 1999 finden sich Formulierungen, die darauf hindeuten. Die zu schmalen Türen jedoch wurden nicht angepasst. Durch das Weglassen des Notausgangs an der Längsseite dürften die Fluchtwege im Untergeschoss, dort wo die Gäste der Raiffeisen-GV jeweils sitzen, bis zu den Notausgängen an der hinteren Seite teils unverhältnismässig lang sein.Wie viele Türen es braucht, wo diese liegen sollten, was ein vertikaler oder horizontaler Fluchtweg ist, lässt sich für jedermann nachlesen auf der Webseite der Vereinigung der kantonalen Gebäudeversicherer (www.vkg.ch). «Was im Kapitel Flucht-und Rettungswege steht, ist unsere Bibel», sagt Marco Köppel, Brandschutzfachmann in der Gemeinde Widnau und verantwortlich für Schulsporthallen und die Aegeten-Sporthalle.