05.10.2020

Seitenblick: Jubel-Tubel und 2:7-Deppen

Vor einer Woche hat Radprofi Julien Alaphilippe WM-Gold gewonnen, als erster Franzose seit 23 Jahren.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Im ersten Rennen mit dem Regenbogentrikot, bei Lüttich – Bastogne – Lüttich, entreisst er mit einem Schwenker im Zielsprint dem Schweizer Marc Hirschi den Sieg. Alaphilippe jubelt zwar, rechts von ihm fährt aber der Slowene Primoz Roglic eine Reifenbreite vorher über die Ziellinie. Der siegesgewisse Profi, der seinen Konkurrenten übersieht, bleibt ein Symbolbild: Alaphilippe wird ans Ende der Spitzengruppe zurückversetzt. Eine Woche nach seinem grössten Triumph ist er der grösste Depp im Radsport.Als Deppen werden auch die Fussballer von Liverpool bezeichnet, seit sie gegen das vermeintlich bescheidene Aston Villa 2:7 verloren. So viele Tore hat Liverpool seit den 1950er-Jahren nicht mehr kassiert. Dass die Reds vor Kurzem den ersten englischen Meistertitel seit 30 Jahren und ein Jahr vorher die Champions League gewannen, rückt nach dieser Klatsche in den Hintergrund.Dabei hat Alaphilippe nur ein Velorennen läppisch verloren und Liverpool ist in einem Fussballspiel hoch besiegt worden. Sowohl der Radprofi als auch das Fussballteam gehören immer noch zu den Weltbesten ihres Fachs. Aber wenn die Erfolgreichsten stürzen, ist der Aufschrei immer gross, weil es ungewöhnlich ist. Zudem dürfte Schadenfreude mitschwingen.Die Kritisierten können es verkraften, sie geben ihre Antwort auf dem Rasen bzw. der Strasse. Wer immer verliert, wird für die einzelne Niederlage weniger heftig kritisiert, manchmal sogar für «gute Ansätze» gelobt. Das ist dann Mitleid – erst wenn ein Sportler davon bekommt, steht es schlimm um ihn.