17.01.2019

Sophi macht Schluss mit Fluchen

Das Start-up-Unternehmen This braucht einen langen Atem. Seit bald fünf Jahren wird gearbeitet, ohne dass Geld in die Kasse fliesst. Doch jetzt kommt Sophi auf den Markt – ein Gerät für die Operation des Grauen Stars.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererIn Operationssälen macht Sophi Schluss mit Fluchen. Thomas Köppel, der Widnauer Geschäftsführer und Gründer der Firma, hat selbst erlebt, wie herkömmliche Geräte die Nerven beanspruchen können. Nach Köppels Erfahrung «goht’s zä Minute – und dänn fluechet dä erscht über d’Kabel».Sophi ist kabellos. Vollständig batteriebetrieben. Das Gerät verfügt über diverse Kommunikationssysteme, ist mit High-Tech vollgestopft und trotzdem leicht bedienbar. Das Pedal ist ebenfalls mobil, als separates Teil. Es ist mit Rädern ausgestattet, die blockierbar sind.Dass viel Innovation dahintersteckt, bemerkte selbst ein Laie auf den ersten Blick, wenn er die OP-Wirklichkeit erfahren könnte. Thomas Köppel hat zum Beispiel schon gesehen, wie die Ärzte sich behalfen, um beim Operieren das Pedal mit dem Fuss bewegen zu können: mit einem Frotteetuch darunter. Als er das gesehen habe, habe er gedacht: «Das kann es doch nicht sein.»Zwanzig wichtige Zulieferer beteiligtThis ist Sophi. Der Satz sitzt, und natürlich ist er doppeldeutig. Liest man ihn als Übersetzung aus dem Englischen, bedeutet er ganz einfach: Das ist Sophi. Doch hinter dem kurzen Satz stecken längere Begriffe. This ist der Firmenname und die Abkürzung für «Think in System», Sophi ist der Brand und steht für Swiss Ophtalmology Innovation. Ophtalmology heisst Augenheilkunde.Bei This, im ersten grossen Geschäftshaus auf Widnauer Seite gleich nach der Unterführung links, in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof, sind von Anfang an Ingenieure beschäftigt, die stets an den Erfolg glaubten. Genauso gross ist die Überzeugung der Investoren, dass dieses Start-up eine grosse Zukunft hat. Allerdings liegt nach fast fünf Jahren Entwicklungsarbeit und dem Aufbau der Marketing/Verkauf- sowie der Produktionsabteilung ein Gewinn noch immer fern. Falls alles wunschgemäss verläuft, dürfte sich die This AG in drei Jahren von roten Zahlen verabschieden – auch bis dahin sind noch Investitionen nötig.Ein grosser Moment war Anfang Dezember, als das Heerbrugger Start-up-Unternehmen das Zertifikat zur Entwicklung, Produktion und zum Vertrieb von Medizinprodukten erhielt. Das Zertifikat ist sozusagen die Vorstufe von Sophis Reifeprüfung. Sobald auch die CE-Zulassung und somit der «Reisepass» für den europäischen Binnenmarkt vorliegt (was höchstens noch eine Frage von Wochen sein dürfte), kann das Start-up-Unternehmen richtig loslegen. Inzwischen sind 13 Mitarbeiter für This tätig, inklusive Thomas Köppel, elf von ihnen haben Vollzeitstellen.Damit Sophi entwickelt und gebaut werden konnte, war das Heerbrugger Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit anderen Betrieben angewiesen; die Zahl der wichtigen Zulieferfirmen beziffert Köppel mit zwanzig. Trotz des somit grossen Kreises von Personen, die über This schon länger Bescheid wissen, ist es dem Start-up gelungen, seine innovative Tätigkeit nach aussen geheim zu halten, was aus Konkurrenzgründen als überaus wichtig erachtet wird. Vielversprechendes erlebte ein fünfköpfiges This-Team letzten September in Wien. An der Fachmesse bekamen Ärzte, Fachspezialisten und Distributoren Sophi vorgestellt. Am Stand habe während der ganzen fünf Tage permanent so viel Betrieb geherrscht, dass ein Zmittag nicht in Frage kam. Ein Wiener Journalist soll Sophi als «saugeili Maschine» bezeichnet und bedauernd beigefügt haben, nur dürfe er das so nicht schreiben.An Schweineaugen alles ausprobiertDer Blick zurück ist mit Befriedigung verbunden, denn der Unternehmensalltag war sehr abenteuerlich. Der Chef erinnert sich: Nachdem an einem Freitag die Tische geliefert worden seien, hätten bereits am Montag die ersten Bewerbungsgespräche stattgefunden.Nicht nur Sophi erfüllt den Geschäftsführer mit Stolz, sondern auch das Verbrauchsmaterial. Die nicht nur selbst entwickelte, sondern ebenfalls selbst designte Kassette enthält eine Aktivfusion, die den Druck im Auge konstant hält und dem Arzt das Operieren erleichtert. Ein Sensor überwacht die Flüssigkeitszufuhr, und eine Membran verhindert, dass Flüssigkeit aus dem Auge des Patienten in die Luft gelangen kann.An Schweineaugen wurden mit Sophi viele Operationen durchgeführt. Die Ärzte, die zusahen, sagt Köppel, seien begeistert gewesen. Obwohl in den Spritzgussteilen sehr viel Funktionalität enthalten ist, liegt der Preis pro Kassette deutlich unter hundert Franken. Mehr als andere Firmen zum ungefähr gleichen Preis zu liefern, sei ein grosses Ziel gewesen, sagt der Start-up-Gründer.«Wir waren sehr effizient und fingen mit verhältnismässig wenig Mitarbeitern an. Das ermöglichte es ihnen, Verantwortung zu übernehmen und viel zu bewirken», sagt Thomas Köppel. Nun sind die ersten Demogeräte von Distributoren bestellt. Anfang Februar wird mit der Serienproduktion begonnen, jeden Tag kann ein Gerät entstehen. Gemeint sind die Endmontage und Prüfung. Sophis Preis entspricht ungefähr dem eines Auto der Mittelklasse. Kasten: Tausend Steine aus dem Weg geräumtThomas Köppel Nach seinem Alter gefragt, nennt Thomas Köppel die Zahl 23. Ergänzend sagt er: «Und 26 Jahre Erfahrung». Der somit 49-Jährige hat zwei Töchter und einen Sohn im Alter von 13 bis 18 Jahren, lebt in Widnau, wo er aufgewachsen ist, und präsidiert die Altwacht.Thomas Köppel, dessen 2002 verstorbener Vater Christian lange Zeit Werkmeister bei Plaston gewesen war, hat am NTB Buchs Elektronik, Mess- und Regeltechnik studiert. Bei der Bernecker Firma Oertli Instrumente war Thomas Köppel bis 2006 während zwölf Jahren als Hard- und Software-Entwickler sowie als Projektleiter tätig, bei Noventa in Diepoldsau lernte er die Kunststofftechnik kennen und bei Escatec in Heerbrugg, wo er ebenfalls international als Projektleiter tätig war, lag der Fokus auf der Elektronik. Als Mann mit vielen Ideen gründete Thomas Köppel im Mai 2014 die This AG, als deren Geschäftsführer er heute sagt, das Vertrauen der Investoren schätze er sehr. Tausend Steine hätten im Weg gelegen – und einen um den anderen habe man aus dem Weg geräumt, um dahin zu kommen, wo das Unternehmen heute ist. (gb)