09.09.2019

Spielangebot beliebter als Rede

Die Bundesfeier in St. Margrethen dürfte im Rheintal die grösste sein. Nun hat das Publikum sie bewertet.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererWerden die ausnahmslos namhaften Redner ihrem Ruf gerecht? Genügt die Festwirtschaft den Ansprüchen? Was hält das Publikum von der Musik? Hat es Lust, auch in Zukunft die Nationalhymne zu singen? Wünscht es überhaupt ein Feuerwerk?Gefragt wird im Zusammenhang mit einem Standortwechsel. Die Schulanlage Wiesenau, auf der die Bundesfeier seit Jahren stattfand, immer am Abend des 31. Juli, steht nun nicht mehr zur Verfügung. Ab dem nächsten Frühjahr wird gebaut. Nach der Erweiterung wäre das Festareal für die zwei Zelte, die immer gebraucht werden, zu klein. Die Sicht aufs Feuerwerk wäre ausserdem eingeschränkt.Wegen Schulausbauneuer Standort nötigEs geht also in erster Linie darum, einen neuen Standort zu finden. Bei dieser Gelegenheit sollte geklärt werden, womit die Bevölkerung zufrieden ist und was sie allenfalls gern anders hätte. Mirjam Troxler von der Gemeindekanzlei nutzte die Chance zur Projektarbeit; sie absolviert eine Weiterbildung zur Fachfrau öffentliche Verwaltung an der Akademie St. Gallen.120 Personen haben sich an der Umfrage beteiligt. Das ist angesichts von jeweils 700 und mehr Festbesuchern keine beachtliche Zahl, aber ein Rücklauf von 15 und mehr Prozent ist bei Umfragen ein schöner Erfolg. Eine solche Quote gilt als sehr zufriedenstellend.Das Ergebnis zeigt, dass jeder Vierte, der St. Margrethens Bundesfeier besucht, von auswärts stammt. Der Anteil der Schweizerinnen und Schweizer liegt bei 90 Prozent, und rund 40 Prozent der Festbesucher sind 51 bis 70 Jahre alt, weitere 20 Prozent haben den Siebzigsten hinter sich. Mehrheitlich sind die Festbesucher also über fünfzig.Friedauers Hundverkriecht sich immerGerade der letzte Referent, der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder, ging auch auf die Umwelt und den Klimawandel ein. In diesem Zusammenhang ist generell das Feuerwerk ein Thema. Gemeindepräsident Reto Friedauer, der Freude hat an einer feierlichen Farbenpracht am Himmel, ist sich allerdings auch der Nachteile bewusst. Er spricht von einem Spannungsfeld zwischen schöner Tradition einerseits und einem wachsenden Umweltbewusstsein andererseits. Unter den Knallkörpern leiden die Tiere; Friedauers Hund verkriecht sich jeweils in die hinterste Ecke.Tatsächlich sind die Meinungen beim Feuerwerk am deutlichsten geteilt. Zwar spricht sich eine klare Mehrheit von 68 Festbesuchern für die Beibehaltung aus, doch 49 Gegner bilden eine starke Minderheit von 42 Prozent. Von den Leuten, die aufs Feuerwerk verzichten wollten, stellen sich drei Viertel ein alternatives Programm vor. Genannt wurde am häufigsten eine Lasershow, eventuell mit Musik (14×), auch eine Drohnenshow kam als Vorschlag (6×). Lichtinszenierung, Funken/Höhenfeuer und Feuershow/Feuerkünstler wurden je 3× genannt. Denkbar ist auch, dass aufs Feuerwerk auch künftig nicht verzichtet wird, dass dieses aber erdgebunden wäre.Fokus wird aufden Park gerichtetWie es weitergeht, hängt auch vom Standort ab. Im Vordergrund steht mit 26 Nennungen das Zentrum bzw. der Park. Friedauer sagt, man richte nun hierauf den Fokus, denn den Park vermehrt zu nutzen, sei ja generell ein Ziel. Mit 13 Nennungen steht das Strandbad Bruggerhorn an zweiter Stelle, 12 entfallen auf den Sportplatz Rheinau. Weitere Vorschläge sind das Areal des Einkaufszentrums Rheinpark (5), das Schulhaus Rosenberg oder das Oberstufenzentrum (je 3).Musikanten top,Band etwas wenigerWas die Festqualität angeht, herrscht grosse Zufriedenheit. Der Festwirtschaft stellen 61 Prozent ein sehr gutes Zeugnis aus, 29 ein gutes und weitere 8 Prozent finden sie «okay». Ähnlich positiv ist das Ergebnis für den Spielbus, und die jedes Mal auftretende Musikgesellschaft St. Margrethen kann sich über geradezu phänomenalen Zuspruch freuen. 65 Prozent sind mit ihr sehr zufrieden, weitere 26 Prozent finden die Auftritte gut. Ähnliches gilt für den Barbetrieb der Dorfvereine und für den besonders geschätzten Lampion-Umzug für Kinder.Bei der Unterhaltungs- und Tanzmusik sind die Besucher kritischer: Jeder Fünfte findet die Darbietungen nur «okay», sechs Umfrageteilnehmer haben «weniger gut» angekreuzt, weitere zwei finden die Tanzmusik schlecht. Das Singen der Hymne ist hingegen sehr beliebt. Die Hälfte der Festbesucher singen den Schweizerpsalm sehr gern, weitere 35 Prozent machen das gern, je ein Besucher findet das Singen im Chor weniger gut oder schlecht.37 Prozent geben derRede ein «sehr gut»Und die Festrede, der gros-se Stolz St. Margrethens? Wie fällt das Urteil aus, nachdem Christoph Blocher, Roger Köppel, Gerhard Pfister, Thomas Minder und andere Prominente in St. Margrethen gesprochen haben?Klar, wer pointiert Stellung bezieht oder polemisch Kritik äussert, polarisiert. Das ist dem Umfrageergebnis anzusehen. «Nur» 37 Prozent geben der Festrede ein «sehr gut», 29 Prozent geben ein «gut», 18 Prozent finden die Rede «okay». Weitere 11 Prozent haben «weniger gut» angekreuzt, und immerhin 2,5 Prozent finden sie schlecht. Der Gemeindepräsident meint hierzu: Die Äusserungen dürften zwar umstritten sein, hingegen werde wohl geschätzt, dass immer jemand eine Rede halte.KommentarWarum immer in die Ferne schweifen...Keine Frage, die Bundesfeier in St.Margrethen ist etwas Besonderes. Als Festredner wirken Persönlichkeiten mit ausnahmslos klingendem Namen. Der Anlass erfüllt überdies alle Kriterien, die eine Bundesfeier zu einer schönen Bundesfeier machen: Sie ist sehr familienfreundlich, das Programm abwechslungsreich, der Einsatz von Vereinen mustergültig. Entsprechend gut fällt die Bewertung durchs Publikum aus, obschon man sich natürlich fragen muss, ob nicht die ganze Bevölkerung statt nur das Publikum zur Meinungsäusserung einzuladen gewesen wäre. Es kann ja sein, dass manche Menschen keine Lust verspüren, Jahr für Jahr einem politisch rechts stehenden Referenten das Ohr zu leihen, sondern lieber zu Hause bleiben. Das Umfrage-Ergebnis zur Festrede stützt diese Vermutung.Sicher ist es ein Verdienst, konsequent die Begegnung mit einer landesweit bekannten Persönlichkeit zu ermöglichen. Und Namen wie Christoph Blocher, Roger Köppel oder Thomas Minder haben Anziehungskraft. Gerade diesen Sommer hat man aber wieder einmal sehen können, dass Bekanntheit keine fulminante Rede garantiert.In Diepoldsau hat am 1. August der Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer die Festrede gehalten. Statt verbissener Kritik woran auch immer hörte man in Diepoldsau von sehr viel Witz geprägte Äusserungen über Nachbarschaft.Das Gute liegt ja oft ganz nah.Gert Bruderer