Trotz ungewöhnlich warmer Temperatur in der Klosterkirche trug die Lektorin eine altbackene krähenschwarze Gewandung, bei der ich vermutete, sie wäre ziemlich sicher aus einer Altkleidersammlung entwendet worden. Muss man denn, und noch viel mehr frau, in der Kirche derart altmodisch gekleidet sein, um einen sichtbaren Dienst in der Liturgie ausüben zu können?
Diese Frage raubte mir fast ein Wenig die Andacht in der Klosterkirche. Kurze Zeit später dann genoss ich eine lauschige Schifffahrt am oberen Zürichsee zur Insel Ufenau, ausgehend von Richterswil. Wiederum aus Richterswil, nur drei Tage später, konnte man im katholischen Online Portal «kath.ch» die Schlagzeile aus der katholischen Pfarrei lesen: «Nackte Haut im Altarraum: Noch immer tabu?» Eine junge Lektorin hätte «sehr kurzes Röckchen, tiefen V-Ausschnitt, nackte Schultern» gezeigt. «Eine solche Kleidung kann die religiösen Gefühle anderer Menschen verletzen», kommentierte der amtierende Pfarrer das angebliche Zuviel an nackter Haut im Gottesdienst. Weiter fügte er an: «Es gibt Menschen, die haben ein Problem damit, weil sie nackte Haut mit sexueller Provokation verbinden». Und eine Expertin für gottesdienstliche Fragen doppelte nach: Eein zu kurzes Kleid oder Hotpants könnten ungewollt sexuelle Impulse ausstrahlen.» Einmal mehr also die armen Männer, die darunter leiden müssten, wenn sie schutzlos weiblichen Reizen ausgesetzt wären!
Spontan kamen mir da die arabischen Sommer Touristinnen von Unterterzen am Walensee mit ihrer Totalverschleierung in den Sinn, welche womöglich sogar am oberen Zürichsee für den Gottesdienst korrekt gekleidet gewesen wären. Aber bitteschön nicht spotten: Im Evangelium dieses Sonntages (Mt 22, 1-14) ist ja auch die Rede von einem Rauswurf eines Mannes, der bei der königlichen Hochzeit kein angemessenes Gewand getragen hatte! Bleibt doch die Frage nach der angemessenen Bekleidung in der Kirche für die Leute heutzutage, wenn sie denn überhaupt noch in die Kirche gehen. Deshalb mein Ratschlag: Ganzkörper Overalls anziehen, wie sie die Spurensicherung im Tatort Krimi ja auch tragen. Dann machen wir nichts falsch.
Gottseidank sind bei uns die Temperaturen nun wieder zurückgegangen, selbst in den Gotteshäusern, so dass die Gefahr von unschicklich gekleideten Gottesdienstbesucherinnen und Besuchern wieder etwas gebannt sein dürfte. Gottseidank auch dürfen wir im Rheintal wohl ohne Angst leben, dass uns eine Pfarrperson wegen eines falschen Tenüs aus der Kirche hinauswerfen sollte.
Sturm am oberen Zürichsee: Zuviel nackte Haut am Altar