05.06.2019

Tausendsassa Sacha Sapra

Erzählt Sacha Sapra-Jenny von sich, folgt eine Geschichte der nächsten. Der Initiant des Festivals «Sommer im Park» hält in nur zwanzig Sekunden ein flammendes Plädoyer für mehr Mut.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Einmal allerdings, hat dieser Mut ihn selbst verlassen. Als er sich für das Altstätter Balmerhaus interessierte, ein wunderschönes Gebäude am Rande der Altstadt, keimten plötzlich Zweifel auf. Den Kauf am Ende nicht gewagt zu haben, sagt er, das bereue er.Zusammen mit seiner Frau Martina Jenny hat der 34-Jährige im Laufe der letzten fünf Jahre drei Mehrfamilienhäuser erworben. Er fügt hinzu, er wolle aber nicht als Immobilienmogul erscheinen, vielmehr gehe es in diesen Fällen um die ausgeprägte Freude am Gestalten. Zwei der Gebäude sind ehemalige Stickereien; bei der eben erst gekauften dritten Liegenschaft handelt es sich um das stattliche Balgacher Areal Bierhalle/Linde.Der ursprüngliche Name des Lokals lässt Sapras dauerhaftes Lächeln sogar leicht erstarken, denn sein Sohn heisst gleich. Vor 13 Monaten kam Linde (zweiter Name: Alexander) zur Welt.Linde ist finnisch und Sacha Sapra ein Fan Skandinaviens. Mausbeinallein zog er vor einigen Jahren mit dem Rucksack durch den hohen Norden, aber nach sechs Wochen, deutlich früher als erwartet, war das Budget aufgebraucht. Das kommentiert er strahlend: Er sei überrascht gewesen, dass es Länder gebe, die noch teurer seien als die Schweiz.Hierher kam der Grafiker, der in London zwei Halbschwestern hat, mit zwölfeinhalb, zusammen mit der Mutter, nachdem er sieben Jahre in London und weitere fünf in Indien verbracht hatte, wo sein verstorbener Vater herstammte.Als Sechstklässler kein Wort Deutsch gesprochenIn Au, dem Herkunftsort der Mutter, geborene Rüegg, tauchte Sacha Sapra in die sechste Klasse ein, als hätte jemand ihn als Nichtschwimmer in einen See geworfen. «Das war sehr gut», erklärt er nachträglich begeistert, denn das habe ihn gezwungen, Schweizerdeutsch zu lernen. Ohne Nachhilfe in Deutsch wäre es nicht gegangen, doch mit seinem Englisch machte er das Notenmanko mehr als wett, auch in Physik und Mathe war er weiter als die neuen Gspänli. Mit Französisch, einer auch ganz neuen Sprache, kam er irgendwie zurecht. Am schlechtesten, erzählt er, sei er in Musik gewesen, wo er sich nach einer Vier zu strecken hatte.Dabei spielt gerade die Musik in seinem Leben eine grosse Rolle, denn als Vorstandsmitglied des Vereins Pro Heerbrugg hatte Sapra das Festival «Sommer im Park» angeregt, was der damalige Präsident Rico Kellenberger sogleich unterstützt habe. Ihm sowie der Kantonalbank sei es zu verdanken, dass das Festival sich gleich von Anfang an gross aufziehen liess, mit einem Budget von rund 150000 Franken. Gleich im ersten Jahr stand Baschi auf der Bühne, 2016 kam Stefanie Heinzmann, 2017 der Crimer, letztes Jahr waren Luca Hänni und James Gruntz zu Gast, und diesen Sommer - am fünften «Sommer im Park» - treten in Marc Sway und Nemo auf.Der Kopf des Festivals ist Sacha Sapra, aber hinter diesem Anlass stehe Pro Heerbrugg, bemerkt er und ergänzt, das sei hervorzustreichen. Auch die anderen Events, an denen Sapra massgeblich beteiligt ist, sind Ausdruck gemeinschaftlichen Wirkens namhafter Vereine. Hinter dem Widnauer Stangenfest steht der Verein Einkaufsmeile Widnau-Heerbrugg, in dessen Vorstand Sapra mitwirkt, und das im Mai durchgeführte Heerbrugger Genuss-Wochenende war eine Kooperation von Pro Heerbrugg und Culinarium.Pech und Glück mit Militär und SchuleAufgefordert, von sich zu erzählen, erweist Sacha Sapra sich als ein sprudelnder Quell. Als Fussballangefressener habe er beim Fussballclub gespielt, ohne Talent, aber als einer, der fleissig rannte. In einer privaten Kunstgewerbeschule in Zürich nach der Sek endete die einjährige Ausbildung bereits nach der halben Zeit, weil die Schule Konkurs ging. Zum Glück, sagt er, habe er schon eine Lehrstelle als Grafiker gehabt, also nutzte er die unverhofft gewonnene Zeit, um fürs Rote Kreuz Mitglieder zu werben, unterwegs von Tür zu Tür.Mit dem Militär hatte er Pech, aber bald darauf Glück. Die Unerfüllbarkeit seines Zuteilungswunsches bedeutete, dass er als Führungsstaffelsoldat die Rekrutenschule in Angriff nahm, in der er so viel hinterfragte, dass alle um ihn herum unruhig wurden und ebenfalls anfingen, Fragen zu stellen, solange, bis jemand - ein Höherer - ihn, Sacha Sapra fragte: «Sag mal, wird das hier noch etwas?» Die anschliessende Frage, von der andere träumten, lautete: Ob er nicht aufhören wolle. Er wollte.Das war’s.Ein halbes Jahr nach der Ausbildung und dem Besuch der Berufsmittelschule lernte der junge Grafiker seinen späteren Schwiegervater Andreas Jenny kennen, lange vor seiner heutigen Frau Martina, einer Tochter Jennys.Sie führt die vom Vater übernommene Messebaufirma, die Atelier Jenny AG, während Sacha Sapra-Jenny als Inhaber der Werbeagentur Kreatif mit Marketing, Grafik, Web und Apps beschäftigt ist. Seit der Heirat vor fünf Jahren sei das Wirken der beiden Firmen ohnehin leicht miteinander verschmolzen.Auch Aufgeben darf sein, wenn alles stimmtDen Drang zur Selbständigkeit verspürte Sacha Sapra früh. 2007 gründete er in Heerbrugg an der Bahnhofstrasse seine erste Firma, die Greenfield Media, mit grünem Rasenteppich im Büro. «Gelaufen ist es schlecht», erklärt der Unternehmer ungeschönt, er sei ganz einfach noch zu jung gewesen und nicht wirklich ernst genommen worden. Und doch habe er sich durchgeschlagen, mit 2000 Franken monatlich.2008 wagte Sapra einen grossen Schritt. Zusammen mit einem Kollegen eröffnete er auf 250 Quadratmetern Ladenfläche im Rhyland den Kleiderladen Katakomba, der wie eine Bombe einschlug. Erst mit dem Erstarken des Frankens, dreieinhalb Jahre nach der Eröffnung, kam der Einbruch, nach vier Jahren war auch mit dem Online-Shop endgültig Schluss.In der Zwischenzeit war dagegen die Agentur richtig auf Touren gekommen, so dass Sacha Sapra entspannt zurückblickt und meint: «Den Laden aufzugeben, war halb so schlimm, schliesslich war jede Rechnung bezahlt und das Gewissen rein.»Festival zu einer Marke gemachtDer Unternehmer, der «im Sommer Sport treibt und im Winter zunimmt», wie er selbstironisch meint, kocht täglich, hat am Mittwoch immer Papi-Tag und nennt neben dem Reisen das Auswärtsessen als einzige Vergnügung, die finanziell ins Gewicht fällt. Früher war es auch der Ausgang. Der Vegetarier seit Geburt fand immer, dass mehr los sein könnte, also führten er und sein Kollege in der Katakomba-Zeit regelmässig Events durch.Mit dem Festival «Sommer im Park» stiess Sacha Sapra etwas Neues an, das der Heerbrugger Zentrumsfunktion gut ansteht und die Lockerheit des jungen Mannes gut zum Ausdruck bringt. Das Wagnis hat sich für Pro Heerbrugg und die Gemeinde (die den Anlass wie die Ortsgemeinde unterstützt) gelohnt, «Sommer im Park» ist auch dank Programmchef Mario Söldi zur Marke geworden und mindestens kostendeckend geblieben. Als grösster Gewinn blieben einmal 5000 Franken übrig.Ideen und Talente nicht verkümmern lassenMit Blick auf unser Land, das Sacha Sapra viel ermöglicht hat, von dem er schwärmt und das er punkto Möglichkeiten an der Spitze sieht, plädiert er für mehr Mut. Mehr Einsatzfreude.Die vorzüglichen Ideen und die auserlesenen Talente, die das Rheintal habe, sollten nicht verkümmern. Seine Sätze kommen wie ein Ball, den der Mountainbiker, Jogger und Squash-Freund Sacha Sapra sinnbildlich und kraftvoll ins Rheintal hinausschlägt. Hinweis"Sommer im Park" findet am 5. und 6. Juli in Heerbrugg statt.