Gericht 29.04.2025

Teure Schüsse in Silvesterhimmel: «Es war ein Blödsinn»

Dass er in einer Silvesternacht sechsmal mit einer Pistole in die Luft geschossen hat, kostet einen Mann über fünfzig trotz milden Urteils mehr als einen Monatslohn.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 29.04.2025

Verraten hatte ihn ein Beitrag in den sozialen Medien. Auf einem Foto war er mit der Faustfeuerwaffe in der Hand zu sehen. Der Sachverhalt ist denn auch unbestritten. In der vorletzten Silvesternacht hat der Familienvater sechsmal in die Luft geschossen. Zu Schaden kam niemand.

Am Arbeitsort des Mannes wurden zwei Faustfeuerwaffen gefunden, für die keine Bewilligung vorliegt. Zudem wurde Munition sichergestellt, nachdem die Polizei schon am Wohnort des Beschuldigten «diverse Arten von Munition» gefunden hatte, wie es in der Anklageschrift heisst. Auch die Munition besass der Mann illegal.

Die Bestrafung erfolgte zunächst durch die Staatsanwaltschaft. Aufgrund mehrerer Vorstrafen wurde die verhängte Geldstrafe von 8000 Franken (80 Tagessätze à 100 Franken) unbedingt ausgesprochen. Sie war also mit keiner Bewährungsfrist verbunden, sondern sollte bezahlt werden. Dazu kamen eine Busse von 1000 Franken und Kosten von 600 Franken.

Keinen Freispruch verlangt,
aber Milde erbeten

Der Bestrafte erhob Einsprache gegen den Strafbefehl, sodass dieser zur Anklageschrift wurde und das Kreisgericht Rheintal sich mit der Sache befassen musste. Diesen Dienstag fand die Verhandlung statt. Der Vorwurf lautete auf mehrfachen unbewilligten Besitz von Munition und Faustfeuerwaffen sowie das ebenfalls unbewilligte Mitführen / Tragen einer Faustfeuerwaffe. Ausserdem hatte sich der Mann der mehrfachen Übertretung gegen das Waffengesetz schuldig gemacht, indem er «wiederholt unbefugt» schoss bzw. sechs Schüsse gegen den Himmel abgab.

Er verlange keinen Freispruch, sagte der Delinquent dem Einzelrichter, finde aber zwei Aussagen der Staatsanwaltschaft übertrieben. Er habe nicht mehrfach geschossen, sondern bloss einmal sechs Schüsse abgegeben, und die Waffe habe er nicht mitgeführt, sondern nur für die Schussabgabe aus seinem (beim Tatort liegenden) Geschäftslokal geholt.

Subjektives Empfinden widersprach somit korrekt verwendeten juristischen Bezeichnungen. Der Schütze meinte auch, was in Fussballstadien alles gezündet werde, sei viel gefährlicher und bleibe für die Täter in der Regel folgenlos.

Schütze meinte über Tat: «Es war ein Blödsinn»

Der Schütze führte an, er sei nie mit dem Waffengesetz in Konflikt gekommen und habe die Pistolen seit den Neunzigerjahren «herumliegen» gehabt, jedoch so gut versteckt, dass sogar der erste Polizist sie bei der Hausdurchsuchung übersehen habe. Eine der Waffen stamme wie die Munition von einer Hausräumung, die andere gehöre nicht einmal ihm selbst. Den Besitz seiner Pistole begründete er mit Selbstschutz, seine Tat wolle er nicht beschönigen. Er sagte: «Es war ein Blödsinn.»

Den Hinweis des Richters auf die zwangsläufige Rückkehr der Projektile auf den Boden und die damit verbundene Gefahr, kommentierte der Beschuldigte mit den Worten:

Ich habe nicht so weit studiert.

In einer Wohnsiedlung jedoch hätte er die Waffe bestimmt nicht verwendet, fügte er hinzu. Das Gericht bestätigte nicht nur den Schuldspruch der Staatsanwaltschaft, sondern ging noch einen Schritt weiter, indem es den Mann zudem der unsorgfältigen Aufbewahrung von Waffen und Munition schuldig sprach. Er hatte beides weder getrennt aufbewahrt noch weggeschlossen, und in einer Waffe befand sich sogar ein Magazin mit Munition.

Es gibt Schuldscheine und Betreibungen laufen

Die Einsprache gegen den Strafbefehl hatte der Beschuldigte auch erhoben, weil es gegen ihn nicht nur Schuldscheine gibt, sondern weil auch Betreibungen laufen und er bei einem Lohn von durchschnittlich 5000 bis 5500 Franken Mühe habe, zusätzliche hohe Kosten zu stemmen. Am liebsten wäre ihm eine bedingte Geldstrafe in Verbindung mit einer Probezeit gewesen. Ohne sich direkt auf die 
Anklageschrift und den darin vorgeworfenen Mangel an Uneinsichtigkeit zu beziehen, sagte er, er sehe seinen Fehler und die damit verbundene Gefahr ein. Dem Gericht versicherte er:

Ich werde in nächster Zeit ganz bestimmt nicht mehr straffällig sein.

Im Kanton Thurgau ist
noch ein Verfahren hängig

Der Richter gewann bei der Befragung zwar den Eindruck, der Beschuldigte neige zur Bagatellisierung. Der finanziell angespannten Situation des Mannes wurde dennoch Rechnung getragen. Das Gericht verhängte anstelle der ursprünglichen Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 100 Franken eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 50 Franken, was 4000 Franken entspricht und eine Halbierung bedeutet.

Allerdings erhöhen sich wegen der Gerichtsverhandlung die Verfahrenskosten um 1000 Franken. Angesichts der maximal möglichen Strafe von drei Jahren Haft bei Verstössen gegen das Waffengesetz und in Anbetracht der Vorstrafen sei das Urteil eher gnädig, gab der Richter dem Mann zu verstehen. Der Milde zum Trotz kosten die sechs Schüsse gegen Himmel den Silvesterschützen mehr als einen Monatslohn.

Umso mehr, als im Kanton Thurgau noch ein weiteres Verfahren hängig ist, verlieh der Richter seiner Hoffnung Ausdruck, dass die bisherigen Urteile den Delinquenten dazu bringen, sich – doch noch – an die Regeln zu halten.

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