02.10.2020

Tor via Pfostenschuss

Thomas Litscher redet in der Fussballersprache über den zehnten Platz in Nove Mesto.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Mountainbike Die erste Tranche des Doppel-Weltcups im tschechischen Nove Mesto war geprägt von Sensationssiegern: Im Short Track siegten der Mexikaner José Gerardo Ulloa und die Britin Evie Ricards zum ersten Mal, im Cross Country feierten dann der Däne Simon Andreassen und die Französin Loana Lecomte Premierensiege.Die 21-Jährige aus Annecy löste Jolanda Neff (Trek Factory)als jüngste Weltcupsiegerin al-ler Zeiten ab. Der 27-jährigen Thalerin, die seit ihrem ersten Triumph vor sechseinhalb Jahren elf weitere Weltcups und dreimal die Gesamtwertung gewann, kam bisher nicht auf Touren. Im Short Track musste sie sich mit dem elften Platz begnügen, im Cross Country fiel sie gar auf Platz 17 zurück. Schlechter war sie im Weltcup nur einmal: Vor vier Jahren, ebenfalls in Nove Mesto, fuhr Neff auf den 18. Platz. Sie ist offensichtlich nicht in Form, vermutlich sind die Nachwehen des schweren Sturzes vom letzten Dezember doch nachhaltiger als dies Neff mit ihrem starken Comeback im Sommer vermuten liess. Man darf nicht vergessen: Damals ging es nicht um vier oder sechs Wochen Rennpause, sondern um die Fortsetzung der Karriere.Frauenrennen werden noch unberechenbarerBei den Frauen war schon die letzte Weltcupsaison sehr unberechenbar. Neff war als «ewige Zweite» die Konstanteste. Den Gesamtsieg holte sich aber Kate Courtney (USA), Tagessiege errangen auch Weltmeisterin Pauline Ferrand-Prévot (Fra), Anne Terpstra (NL) und Jenny Rissveds (Swe). Nun rückt eine ganze Armada junger Fahrerinnen nach – direkt aus dem U23-Weltcup wie Loana Lecomte, Evie Richards oder die 20-jährige Tirolerin Laura Stigger. Oder solche wie Neffs Landsfrau Sina Frei oder Lena Gerault, die schon länger in der Elite fahren.Bei den Frauen wie bei den Männern hat Frankreich die Spitzenposition von der Schweiz übernommen. Die Französinnen und Franzosen holten in den ersten vier Rennen sieben Podestplätze, die Schweizerinnen und Schweizer überhaupt keinen.Aber das kann sich schnell wieder ändern: Olympiasieger Nino Schurter wurde nach verpatztem Start Vierter in Nove Mesto und Mathias Flückiger an der Spitze liegend von Magenproblemen gestoppt. Beide scheinen immer noch fähig, nach vorne zu fahren. Und mit dem Tessiner Filippo Colombo hat die Schweiz wieder einen aufstrebenden Fahrer, der dies mit dem vierten Rang im Short Race unter Beweis stellte.Wieder schnell gestartet, aber diesmal drangebliebenIm Cross Country beging Colombo ein paar Fahrfehler, weshalb er aus den Top 10 fiel. Anders als Thomas Litscher (KMC-Orbea): Der 31-Jährige musste nach einem Defekt im Short Race von Position 40 aus starten. Aber er sagte schon vor dem Rennen: «Es war noch nie ein Problem, nach vorne zu kommen.»Das zeigte Litscher wieder einmal: Bereits in der Einführungsrunde verbesserte er sich in die Top 10. Allerdings war es für Litscher oft ein Problem, vorne zu bleiben – diesmal hatte er bei der Aufholjagd aber nicht überzogen: «Ich musste zwei, drei Runden lang leiden, fand dann aber meinen Rhythmus und lag konstant in den Top 10. Das ist umso bemerkenswerter, weil bis zur Rennhälfte etwa ein Dutzend Fahrer der Spitze angehörten, erst danach wurde Litscher in die zweite Gruppe zurückgespült.«Am Schluss habe ich die Kräfte eingeteilt – weil nur ein und drei Tage später wieder Rennen auf dem Programm stehen, will ich mir noch ein paar Körner aufsparen.» Dennoch reichte es mit dem zehnten Rang punktgenau zu einem Top-10-Platz, Litschers Generalziel an Weltcuprennen: «Im Fussball würde man sagen: Pfostenschuss – und dann ging der Ball rein. Mit Platz elf wäre er rausgegangen.»Vielleicht knallt Thomas Litscher im Rennen vom Sonntag eine Direktabnahme ins Lattenkreuz.Blöchlinger und Vitzthum nicht bei den Besten 50Im hinteren Teil des Weltcupfeldes machte Noah Blöchlinger (BMC-Fischer) in der ersten Runde einige Ränge gut. Weiter nach vorne kam er aber nicht mehr. Er beendete das Rennen auf dem 58. Rang, der Rheinecker Simon Vitzthum (jb-Brunex Felt) kam nie auf Touren und nur auf den 66. Platz.Das erste Cross-Country-Rennen am Donnerstag dauerte 1:34 Stunden für den Sieger – das ist zu lang angesichts des befrachteten Programms in Nove Mesto. Das Rennen hätte problemlos über eine Runde weniger angesetzt werden können.