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True Crime 12.05.2025

Toxische Liebe: Ein Landwirt tötete seine Ehefrau aus Eifersucht

Vor 17 Jahren erschütterte ein brutaler Mord die Gemeinde Oberriet: Ein Landwirt erschlug seine von ihm getrennt lebende Ehefrau. 
Während sie zu Hause verblutete, ging er mit seinem Sohn ins Restaurant und trank ein Bier. Der Täter wurde unlängst entlassen.

Von Julia Benz
aktualisiert am 20.05.2025

Es ist ein Abend im Dezember 2008. In den Fenstern leuchten Sterne und weihnachtlich geschmückte Laternen erhellen die dunklen Strassen in Oberriet. Während sich die meisten Familien bereits zum Abendessen versammelt haben, geht ein Mann durch die Strassen. Niemand ahnt, dass er an diesem Montag im Advent seine Frau 
töten wird.

«Er war schon immer ‹ruch› und jähzornig»

Der Landwirt Alfred* und die Liechtensteinerin Heidi* heiraten 1983. Ein ehemaliger Anwohner und Bekannter von Al­fred erinnert sich noch gut an die Hochzeit. «Die Feier fand im Restaurant Rössli in Oberriet statt. Wie es Brauch ist, wurde Braut Heidi an diesem Tag
‹entführt›».

Statt sie zu suchen, sei Alfred darüber so wütend geworden, dass er die komplette Feier abgebrochen habe, ehe überhaupt die Torte präsentiert wurde. Alfred sei schon immer «ruch» und jähzornig gewesen, berichtet Regula*, eine langjährige Bekannte.

Nicht zuletzt, weil er in schwierigen Verhältnissen und einem gewalttätigen Umfeld gross geworden sei. Alfreds Mutter sei liebenswürdig gewesen, sein Vater brutal. Schon als Kind sei er regelmässig verprügelt worden.

Gewalt zerstört
die Familienidylle

Gemeinsam bekommen Alfred und Heidi drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn, und ziehen in ein Haus in Oberriet, erzählt der ehemalige Anwohner und Bekannte. Doch das Familienidyll trügt, die Ehe ist von Gewalt geprägt. Die Anklage berichtet später vor Gericht, dass Alfred Heidi gegenüber immer wieder gewalttätig wird. Das geht unter anderem aus dem Artikel eines Gerichtsreporters von «20 Minuten» hervor.

Zweimal flieht sie in ein Frauenhaus. Im Januar 2007 eskaliert die Situation erneut und Alfred wird von Polizisten des Hauses verwiesen, er darf das gemeinsame Heim fortan nicht mehr betreten. Ein Jahr später befinden sich Alfred und Heidi mitten in der Scheidung. Er ist zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre alt, sie 48. Mit seiner neuen Partnerin wohnt Alfred nur ein paar Strassen von seinem ehemaligen Zuhause entfernt. Dass auch Heidi wieder in einer Beziehung ist, erfährt Al­fred von seinem Sohn, erzählt Regula.

Er war wahnsinnig eifersüchtig.

Er habe seine Frau sehr geliebt, Heidi sei alles für ihn gewesen. Noch am gleichen Tag, am 8. Dezember, macht er sich nach dem Feierabend auf den Weg zu Heidi. Das mit gelben Schindeln bekleidete Haus liegt im Dorfzentrum, neben einem Coiffeur und in der Nähe des Gemeindehauses. Dass Heidi einen neuen Mann an ihrer Seite hat, ist zu viel für Alfred.

Flucht über Treppe ins Obergeschoss misslingt

Bei Heidi angekommen, gibt Alfred an, mit ihr über die Scheidung reden zu wollen. Trotz des Betretungsverbots lässt sie Al­fred herein. Ein Fehler, den sie wohl schon kurz darauf bereut. Die Nachrichtenagentur SDA beschrieb den Ablauf der Tat in einer Mitteilung genau.

Als die Tür hinter Heidi ins Schloss fällt, kommt es schnell zu einem Streit, der handgreiflich wird. Breitschultrig, gross und stark, wie Alfred von sei­nem ehemaligen Bekannten beschrieben wird, hat Heidi kaum eine Chance. Sie versucht, zum Telefon zu gelangen, will die Polizei rufen. Doch Alfred kommt ihr zuvor. In der Küche schlägt er, rasend vor Wut, mit einem Holzscheit auf sie ein.

Heidi will über eine Treppe ins Obergeschoss flüchten, Alfred folgt ihr mit einem Wallholz in der Hand. Er schlägt damit mehrmals auf ihren Kopf ein und Heidi fällt die Treppe hinunter. Während sie am Boden liegt und stark blutet, schlägt Alfred weiter mit dem Wallholz auf Heidi ein – so lange, bis sie sich nicht mehr regt.

Täter trinkt nach dem Mord ein Bier im «Piazza»

Alfred hält seine Frau, die gerade verblutet, für tot. Um seine Spuren zu beseitigen, verbrennt er zuerst das Holzscheit, dann reinigt er das Wallholz und wischt das Blut im Haus auf.

Seine mit Blut befleckte Kleidung und die Putzlappen packt Alfred in einen Abfallsack und anschliessend in die Tonne, in der Hoffnung, dass die Müllabfuhr sie am nächsten Tag mitnimmt. Er macht das Licht aus und schliesst die Haustür von innen ab, als wäre niemand von aussen reingekommen. Danach verlässt er das Haus durch eine andere Tür. Gemeinsam mit seinem Sohn trinkt Alfred im Restaurant Piazza in Oberriet anschliessend ein Bier, als wäre nichts geschehen.

Nach dem Feierabendbier geht Alfred nach Hause zu seiner Partnerin, isst mir ihr gemeinsam zu Abend und schaut fern, bis er einschläft. Das geht aus einem Gerichtsartikel des «Blicks», der den Ablauf der Tat beschreibt, hervor.

Die Polizei findet eine Leiche im Haus

Am Tag darauf schlägt Alfreds Sohn Alarm. Der 23-Jährige wohnt in einer Einliegerwohnung im Haus der Mutter und kann diese nicht mehr erreichen. Das berichtet die Kantonspolizei St. Gallen später in einer Medienmitteilung.

Die Polizei findet die Leiche der 48-Jährigen unterhalb der Treppe. Sowohl Heidis Sohn 
als auch Alfred werden kurz darauf in Untersuchungshaft genommen. Der 23-Jährige, wenngleich unschuldig, verpasst dadurch die Beerdigung der Mutter. Regula ist heute noch enttäuscht darüber, dass Alfred seinen Sohn nicht vor der Haft beschützt hat.

Alfred gibt einige Zeit später schliesslich zu, mit dem Wallholz auf seine Frau eingeschlagen zu haben. Den Vorsatz der Tötung verneint er allerdings. Im August 2010 findet der Prozess vor dem Kreisgericht Rheintal in Altstätten statt.

Ein Gutachter attestiert Al­fred eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und emotional instabilen und dissozialen Anteilen. Er wird wegen Mordes zu 16 Jahren Haft verurteilt, so das «St. Galler Tagblatt», das ebenfalls am Gerichtsprozess teilnahm.

16 Jahre lang ein Päckchen zu Weihnachten

Jedes Jahr zu Weihnachten erhält Alfred im Gefängnis ein Päckchen. Darin befinden sich meist Schokolade, Fleischkonserven, Schnupftabak und etwas Geld. Regula hat trotz allem Mitleid mit «dem armen Tropf», wie sie sagt. Von Alfred erhält sie im Gegenzug Weihnachtskarten, manchmal telefonieren sie miteinander, er aus dem Gefängnis, sie aus Oberriet. Regula sagt: 

Über das, was passiert ist, haben wir nie miteinander ge­redet.

Sie ist der Meinung, dass jeder eine zweite Chance im Leben verdiene. Im letzten Jahr wurde Alfred aus dem Gefängnis entlassen. Regula berichtet, er habe sie danach einmal zu Hause besucht. Sie glaubt zu wissen, dass er, mittlerweile pensioniert, in einem Wohnwagen in der Ostschweiz lebt.

*Die Namen aller Beteiligten wurden von der Redaktion geändert.

Warum True Crime?

Kein Genre ist seit Jahren erfolgreicher als das des True Crimes. Doch woher kommt das grosse Interesse an Verbrechen? Die Psychologie erklärt sich das Phänomen mit der sogenannten «Angstlust», wir gruseln uns einfach gerne – allerdings nur fiktiv und nicht im echten Leben. True-Crime-Erzählungen verbinden Ängste, die mit Distanz zum tatsächlichen Geschehen konsumiert werden können, und sie gerade deshalb so attraktiv machen. Für die Leserinnen und Leser des «Rheintalers» ist es eine spannende Geschichte. Gleichzeitig möchten wir darauf aufmerksam machen, dass es sich hierbei um reale Menschen und ihre Schicksale handelt.

Dieser True-Crime-Fall behandelt ein Verbrechen, dass 17 Jahre zurück liegt und doch aktueller ist als je zuvor. Denn die Zahl der Femizide nimmt seit einigen Jahren schweizweit erheblich zu. Für diesen Artikel gaben eine langjährige Bekannte des Täters sowie ein ehemaliger Anwohner und Bekannter Auskunft über Kindheit, Leben und Beziehung von Täter und Opfer. Die Recherche profitierte auch von den ausführlichen Berichterstattungen der damals im Gericht anwesenden Journalistinnen und Journalisten. (jub)

14 Frauen seit Beginn des Jahres getötet

Im Jahr 2024 wurden schweizweit 26 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt, die tödlich endete. 19 davon waren Frauen, die von ihrem männlichen Partner getötet wurden. Das zeigt eine Statistik von Statista. Bis zum 9. Mai dieses Jahres wurden laut Recherchen von «Stop Femizid» in der Schweiz mindestens 14 Frauen von ihrem Partner, Ex-Partner oder einem anderen, ihnen nahestehenden Mann getötet. Der Begriff Femizid bezeichnet das Tötungsdelikt an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Femizide sind durch Machtstreben, Kontrollbedürfnis und Besitzansprüche gegenüber Frauen motiviert. Häufig sind sie das Resultat von Gewalt innerhalb einer Partnerschaft. Frauen sind besonders in Trennungs- und Scheidungssituationen gefährdet. Denn das ist der Moment, in dem der Mann die Kontrolle über seine (ehemalige) Partnerin nicht mehr ausüben kann. Dabei spielt oft auch unkontrollierbare Eifersucht eine grosse Rolle. (jub)

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