04.04.2019

Verständnis bewahrt nicht vor Widerstand

Altstätten/Lüchingen Sogar betroffene Landbesitzer haben Verständnis für den verbreiteten Wunsch nach einer Ostumfahrung. Aber es gibt auch die Angst, dass Lüchingen vom Verkehr überrollt werden könnte.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererUnmittelbar beim Geschäftsgebäude der Linus Silvestri AG an Lüchingens Staatsstrasse soll ein Kreisel entstehen. Von hier zweigt die geplante neue Strasse ab. Sie führt auch noch direkt am Wohnhaus Silvestris vorbei und durchschneidet das Landwirtschaftsland, kommt ebenso dem Hof der Familie Eugster recht nahe und zielt, etwas weiter in Richtung Südosten, gemäss Plan haarscharf am Zuhause der Gemüseproduzentenfamilie Segmüller vorbei.Hinter dem Windschutzstreifen durchschneidet die Strasse den Boden von Gottlieb Bucher, der grob geschätzt eine Hektare verliert und dessen Vater ( wegen eines nie gebauten Strassenprojekts) vor einem halben Jahrhundert hierher umgesiedelt war (siehe Text unten).Widerstand gegen den nördlichen AbschnittIn der grossen Wiese Gottlieb Buchers möchte der Kanton den zweiten Kreisel bauen, um von hier den Verkehr zur Industrie abzweigen zu lassen. Verkehr, der von Heerbrugg her kommt. Oder von Kriessern und Oberriet her, denn nach diesem Kreisel in Buchers Wiese findet die Umfahrungsstrasse, weiter in Richtung Südosten, die Fortsetzung der SBB-Bahnstrecke entlang, unter dieser hindurch, zum Kreisel an der Kriessernstrasse.Die neue Ostumfahrung hat gemäss Planern Vorteile: Die Stadt würde spürbar entlastet und das Problem mit dem häufig geschlossenen Bahnübergang würde gelöst. Ein vor zwei Jahren von unserer Redaktion durchgeführter Test ergab, dass die Schranken pro Stunde rund 20 Minuten unten sind. Denn in jede Richtung verkehren pro Stunde drei Züge, dazu kommen weitere unregelmässige Behinderungen des Strassenverkehrs, beispielsweise bei einer Lok-Durchfahrt.Linus Silvestri sagt denn auch, er verstehe, dass dieses Problem gelöst werden müsse. Er ist aber wie Segmüller der Meinung, dass die Umfahrung ab der Kriessernstrasse nicht bis zur Staatsstrasse beim Lüchinger Lidl gebaut werden muss, sondern nur so weit, dass von Kriessern und Oberriet her die Industrie zwischen Bahnlinie und Feldwiesenstrasse erschlossen wird, also bis etwa zum Kesselbach.Gegen den nördlichen Abschnitt der Umfahrung, die den Zugang zum Naherholungsgebiet durchschneide, werde er sich sicher wehren, sagt Silvestri.Ernsthaftes Problem für Lüchingen befürchtetGregor Segmüller gibt zu bedenken: Mit dem Landi-Kreisel und der bestehenden Verbindung zwischen Oberrieter- und Kriessernstrasse gebe es schon heute eine Möglichkeit, den Bahnübergang zu meiden, nur werde sie zu wenig genutzt.Segmüller befürchtet beim Bau der Umfahrungsstrasse, wie sie geplant ist, eine Kanalisierung der Autos, die in Lüchingen auf die Staatsstrasse gelangen. Ausserdem hätten Quartierstrassen, die keinesfalls für mehr Verkehr gemacht oder gedacht seien, mehr Verkehr zu erwarten, sofern nicht Fahrverbotstafeln errichtet würden. Vor allem, wenn der heutige Bahnübergang beim Bahnhof aufgehoben werden sollte, «bekäme Lüchingen ein ernsthaftes Problem», findet Segmüller.Stadtpräsident Ruedi Mattle meint hierzu, eine Verlagerungswirkung der Ostumfahrung zur Entlastung des besiedelten Gebietes habe vor dem Bau der neuen Strasse ausgewiesen und dokumentiert zu sein. Ob der Bahnübergang trotz Ostumfahrung bestehen bliebe, sei noch nicht geklärt. Das werde im Gesamtzusammenhang noch zu bestimmen sein, meint Ruedi Mattle.Sollten ab Dezember 2025 die Schnellzüge im Halbstundentakt fahren, würde sich die Wartezeit vor den Barrieren jedenfalls weiter erhöhen. Doch von all dem abgesehen, kann Gregor Segmüller sich nicht vorstellen, wie Stadt und Kanton den Verkehr vom Städtli auf die Umfahrungsstrasse bringen wollen, zumal die Benützung der Umfahrungsstrasse einen Umweg bedeuten würde.Mehr Verkehr bekäme auch Marbach zu spürenFalls die Ostumfahrung tatsächlich mehr Verkehr auf die Staatsstrasse in Richtung Heerbrugg bringt, bekommen dies auch andere Gemeinden zu spüren. Marbachs Gemeindepräsident Alexander Breu sagt, die Ostumfahrung sei bisher kein ernsthaft erörtertes Thema gewesen. Spontan pflichtet er aber der Einschätzung bei, dass eine Altstätter Ostumfahrung auch Marbach mehr Verkehr bescherte.Im Zusammenhang mit der Ostumfahrung ist die Auffassung zu hören, der Kanton komme für die Kosten der Umfahrung nur auf, wenn (wie geplant) zwei Staatsstrassen verbunden werden.Eine Strasse wird dann zur Kantonsstrasse, wenn sie einerseits dem Netzgedanken von Kantonsstrassen entspricht und andererseits die Anforderungen an eine Kantonsstrasse erfüllt. Hierfür ist nicht zwingend vorausgesetzt, dass eine neue Verbindung von einer Staatsstrasse in eine andere Staatsstrasse führt. Möglich ist auch, dass zum Beispiel eine Kantonsstrasse das Zentrum einer Gemeinde erschliesst und in diesem Zentrum an eine Gemeindestrasse anknüpft.Dieser Aspekt kann insofern eine Rolle spielen, als die Gegner des nördlichen Ostumfahrungsabschnitts der Auffassung sind, es lasse sich auf ihn verzichten.